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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloss.
eines Meisters. Als ob zur Entzündung einer grösseren Quantität
Pulver mehr und stärkere Funken nötig wären als zur Entzündung
einer kleineren.

Indem wir zur Besprechung der Schnapphahnsysteme schreiten,
bemerken wir, dass es rätselhaft ist, warum das spanische Schnapp-
hahnschloss
, das sicher so alt als das Radschloss ist, sich nicht
gleich diesem allgemein verbreitete. Bei allen konstruktiven Mängeln
war der Vorteil des Systems gegenüber jenem des Radschlosses so
in die Augen springend, dass wir über die lange Dauer des Gebrauches
von Lunten- und Radschlössern nur staunen können. Wir nennen
die älteste Schnapphahnkonstruktion eine spanische, weil sie von Spanien
her sich langsam über Frankreich und die Niederlande verbreitete.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass sie von den Mauren herge-

[Abbildung] Fig. 559.

Radschloss mit Spanner von einem Jagdgewehr
des Augustinus Kotter, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung
ist von Wilhelm Weyer in Wien. Späteste Form des Radschlosses.
Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.

kommen ist; denn sie wird weit häufiger an arabischen und türkischen
als an europäischen Gewehren des 16. Jahrhunderts angetroffen.
(Fig. 560.) In verschiedenen Werken wird sie auch türkisches
Schnapphahnschloss
benannt. Wahrscheinlich aber ist sie eine
maurisch-arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Bei diesen Schlössern befindet sich das Federsystem an der
äusseren Seite der Schlossplatte, und das ist unstreitig ein Nachteil.
Nirgends ist eine Nusskonstruktion vorhanden, die schlagende Bewegung
erfolgt vielmehr durch den Druck der Schlagfeder auf einen Hahn-

D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs.
eines Meisters. Als ob zur Entzündung einer gröſseren Quantität
Pulver mehr und stärkere Funken nötig wären als zur Entzündung
einer kleineren.

Indem wir zur Besprechung der Schnapphahnsysteme schreiten,
bemerken wir, daſs es rätselhaft ist, warum das spanische Schnapp-
hahnschloſs
, das sicher so alt als das Radschloſs ist, sich nicht
gleich diesem allgemein verbreitete. Bei allen konstruktiven Mängeln
war der Vorteil des Systems gegenüber jenem des Radschlosses so
in die Augen springend, daſs wir über die lange Dauer des Gebrauches
von Lunten- und Radschlössern nur staunen können. Wir nennen
die älteste Schnapphahnkonstruktion eine spanische, weil sie von Spanien
her sich langsam über Frankreich und die Niederlande verbreitete.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, daſs sie von den Mauren herge-

[Abbildung] Fig. 559.

Radschloſs mit Spanner von einem Jagdgewehr
des Augustinus Kotter, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung
ist von Wilhelm Weyer in Wien. Späteste Form des Radschlosses.
Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.

kommen ist; denn sie wird weit häufiger an arabischen und türkischen
als an europäischen Gewehren des 16. Jahrhunderts angetroffen.
(Fig. 560.) In verschiedenen Werken wird sie auch türkisches
Schnapphahnschloſs
benannt. Wahrscheinlich aber ist sie eine
maurisch-arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Bei diesen Schlössern befindet sich das Federsystem an der
äuſseren Seite der Schloſsplatte, und das ist unstreitig ein Nachteil.
Nirgends ist eine Nuſskonstruktion vorhanden, die schlagende Bewegung
erfolgt vielmehr durch den Druck der Schlagfeder auf einen Hahn-

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[479/0497] D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs. eines Meisters. Als ob zur Entzündung einer gröſseren Quantität Pulver mehr und stärkere Funken nötig wären als zur Entzündung einer kleineren. Indem wir zur Besprechung der Schnapphahnsysteme schreiten, bemerken wir, daſs es rätselhaft ist, warum das spanische Schnapp- hahnschloſs, das sicher so alt als das Radschloſs ist, sich nicht gleich diesem allgemein verbreitete. Bei allen konstruktiven Mängeln war der Vorteil des Systems gegenüber jenem des Radschlosses so in die Augen springend, daſs wir über die lange Dauer des Gebrauches von Lunten- und Radschlössern nur staunen können. Wir nennen die älteste Schnapphahnkonstruktion eine spanische, weil sie von Spanien her sich langsam über Frankreich und die Niederlande verbreitete. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daſs sie von den Mauren herge- [Abbildung Fig. 559. Radschloſs mit Spanner von einem Jagdgewehr des Augustinus Kotter, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung ist von Wilhelm Weyer in Wien. Späteste Form des Radschlosses. Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.] kommen ist; denn sie wird weit häufiger an arabischen und türkischen als an europäischen Gewehren des 16. Jahrhunderts angetroffen. (Fig. 560.) In verschiedenen Werken wird sie auch türkisches Schnapphahnschloſs benannt. Wahrscheinlich aber ist sie eine maurisch-arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Bei diesen Schlössern befindet sich das Federsystem an der äuſseren Seite der Schloſsplatte, und das ist unstreitig ein Nachteil. Nirgends ist eine Nuſskonstruktion vorhanden, die schlagende Bewegung erfolgt vielmehr durch den Druck der Schlagfeder auf einen Hahn-

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/497>, abgerufen am 22.11.2024.