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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloss.
ersten Blick hin von den älteren zu unterscheiden. Die ältesten
Hähne sind sehr einfach und bestehen nur aus einem dünnen, ge-
drehten oder vierkantig gefeilten Stiele, die Hahnlippen sind schmal
und eckig gebildet, der Hebel ist kurz oder fehlt wohl auch ganz.
Später ist der Hahn mehr geschwungen, der Stiel wird breiter, der
Hebel strebt in hohem Bogen nach aufwärts und bildet auch einen
Ring. Zuletzt werden die Hähne breit und plump mit allerlei Ein-
feilungen versehen. Immer aber sind sie und zuweilen selbst meister-
haft graviert. Viele und namhafte Kupferstecher, vorzüglich Augs-
burger, haben sich in der Gravierung und Auszierung von Rad-
schlössern versucht.

Italienische Radschlösser, besonders die von Brescia und Gar-

[Abbildung] Fig. 557.

Radschloss mit zwei Hähnen und einer Pfanne.
Brescianer Arbeit. 17. Jahrhundert.

done, sind meist sehr zierlich gebildet und die Hähne zeigen oft
phantastische Formen: Drachen, Schlangen etc., ein Beweis für die
ausgezeichnete künstlerische Schulung der Verfertiger.

Bei den älteren Radschlossgewehren neigt sich der Hahn gegen
die Mündung zu, später hat er fast ausnahmslos eine entgegengesetzte
Bewegung. Das geringe Vertrauen, welches man allweg dem Rad-
schlosse entgegenbrachte, führte zu verschiedenen Kombinationen,
denen die Absicht zu Grunde liegt, falls das Schloss versagte, den
Schützen nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Bis ins 17. Jahr-
hundert hinein wird darum, namentlich bei Kriegsgewehren, dem

D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs.
ersten Blick hin von den älteren zu unterscheiden. Die ältesten
Hähne sind sehr einfach und bestehen nur aus einem dünnen, ge-
drehten oder vierkantig gefeilten Stiele, die Hahnlippen sind schmal
und eckig gebildet, der Hebel ist kurz oder fehlt wohl auch ganz.
Später ist der Hahn mehr geschwungen, der Stiel wird breiter, der
Hebel strebt in hohem Bogen nach aufwärts und bildet auch einen
Ring. Zuletzt werden die Hähne breit und plump mit allerlei Ein-
feilungen versehen. Immer aber sind sie und zuweilen selbst meister-
haft graviert. Viele und namhafte Kupferstecher, vorzüglich Augs-
burger, haben sich in der Gravierung und Auszierung von Rad-
schlössern versucht.

Italienische Radschlösser, besonders die von Brescia und Gar-

[Abbildung] Fig. 557.

Radschloſs mit zwei Hähnen und einer Pfanne.
Brescianer Arbeit. 17. Jahrhundert.

done, sind meist sehr zierlich gebildet und die Hähne zeigen oft
phantastische Formen: Drachen, Schlangen etc., ein Beweis für die
ausgezeichnete künstlerische Schulung der Verfertiger.

Bei den älteren Radschloſsgewehren neigt sich der Hahn gegen
die Mündung zu, später hat er fast ausnahmslos eine entgegengesetzte
Bewegung. Das geringe Vertrauen, welches man allweg dem Rad-
schlosse entgegenbrachte, führte zu verschiedenen Kombinationen,
denen die Absicht zu Grunde liegt, falls das Schloſs versagte, den
Schützen nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Bis ins 17. Jahr-
hundert hinein wird darum, namentlich bei Kriegsgewehren, dem

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[477/0495] D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs. ersten Blick hin von den älteren zu unterscheiden. Die ältesten Hähne sind sehr einfach und bestehen nur aus einem dünnen, ge- drehten oder vierkantig gefeilten Stiele, die Hahnlippen sind schmal und eckig gebildet, der Hebel ist kurz oder fehlt wohl auch ganz. Später ist der Hahn mehr geschwungen, der Stiel wird breiter, der Hebel strebt in hohem Bogen nach aufwärts und bildet auch einen Ring. Zuletzt werden die Hähne breit und plump mit allerlei Ein- feilungen versehen. Immer aber sind sie und zuweilen selbst meister- haft graviert. Viele und namhafte Kupferstecher, vorzüglich Augs- burger, haben sich in der Gravierung und Auszierung von Rad- schlössern versucht. Italienische Radschlösser, besonders die von Brescia und Gar- [Abbildung Fig. 557. Radschloſs mit zwei Hähnen und einer Pfanne. Brescianer Arbeit. 17. Jahrhundert.] done, sind meist sehr zierlich gebildet und die Hähne zeigen oft phantastische Formen: Drachen, Schlangen etc., ein Beweis für die ausgezeichnete künstlerische Schulung der Verfertiger. Bei den älteren Radschloſsgewehren neigt sich der Hahn gegen die Mündung zu, später hat er fast ausnahmslos eine entgegengesetzte Bewegung. Das geringe Vertrauen, welches man allweg dem Rad- schlosse entgegenbrachte, führte zu verschiedenen Kombinationen, denen die Absicht zu Grunde liegt, falls das Schloſs versagte, den Schützen nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Bis ins 17. Jahr- hundert hinein wird darum, namentlich bei Kriegsgewehren, dem

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/495>, abgerufen am 23.11.2024.