führte, bewährte sich für die Luntenzündung nicht, da der Hahn während des Entzündens auf die Pfanne gesenkt blieb und das auf- sprühende Zündpulver häufig die Lunte ausblies.
Wie erwähnt, nimmt man allgemein an, dass das Radschloss um 1515 in Nürnberg erfunden worden sei; das mag in Bezug auf die Konstruktion im allgemeinen seine Richtigkeit haben, nicht aber in Bezug auf die Abfeuerung durch das Reiben des Schwefelkieses an einer rauhen Eisenfläche. Wir sehen den Beweis in der sogenannten Mönchsbüchse im königl. historischen Museum zu Dresden, die spätestens ins 15. Jahrhundert zu setzen ist. Der Lauf aber zeigt am vorderen Ende Verzierungen in offenbar arabischem Stile, und es weist dieser Umstand von neuem darauf hin, dass wir die wichtigsten Erfindungen den Orientalen zu danken haben. (Fig. 555)
In der Detailkonstruktion des Radschlosses kommen seit seinem ersten Auftreten bis zu seinem Verschwinden die mannigfachsten Ver- schiedenheiten vor, und jede einzelne Veränderung lässt, wenn wir genauer zusehen, einen bestimmten Grund, eine Verbesserung wahr- nehmen. Betrachten wir vorerst das Rad. Die ältesten Räder liegen am Mechanismus unbeschützt zu Tage; das offene Rad aber wurde leicht beschmutzt, verstaubt, was auf seine Bewegung einen widrigen Einfluss üben musste. Bei Regenwetter wurde es nass, wodurch die Funken- bildung gestört wurde. Man versah demnach das Rad mit einer schalenförmigen Decke, die zuweilen auch durchbrochen gebildet wurde, was freilich auch die Absicht wieder vereitelte. Diese Rad- decke wird mit Vorliebe ein Gegenstand der Verzierung, sie ist meist aus Metall und vergoldet und zeigt die hübschesten Dessins in Gra- vierung oder Ätzung. Man unterscheidet darum zunächst Radschlösser mit offenem und solche mit gedecktem Rade. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts treffen wir bezüglich der Lage des Rades auf die mannigfachsten Konstruktionen; nicht selten finden wir das Rad an der Innenseite, eine Anordnung, die viele Nachteile im Gefolge hatte. Zur Feststellung des Rades diente ein Achslager, eine Art Studel, und nicht selten findet man, dass die Hahnfeder rings um die untere Hälfte des Rades geführt ist. Bei den ältesten Konstruktionen voll- führt beim Abzuge das Rad eine ganze Umdrehung. Bei den späteren macht das Rad nur eine halbe und selbst nur eine Viertelumdrehung. Sehr bald nach Erfindung des Radschlosses stellt sich zur Sicherung gegen unzeitiges Losgehen des Gewehres eine Sperrvorrichtung ein, die an der rückwärtigen Seite angebracht ist. Es gibt vielerlei Sperrsysteme; das einfachste und am öftesten vorkommende ist jenes, wo der Fuss des Abzuges verlängert ist und mit seinem Ende aus einer Durchfeilung der Schlossplatte hervorragt. Ein Scharnierhebel kann mit seiner Kopffläche derart vor die vordere Seite des Fusses gelegt werden, dass der Abzug unbeweglich wird. Die ältesten Rad- schlösser haben noch Pfannenschieber, welche mit dem Daumen auf-
D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs.
führte, bewährte sich für die Luntenzündung nicht, da der Hahn während des Entzündens auf die Pfanne gesenkt blieb und das auf- sprühende Zündpulver häufig die Lunte ausblies.
Wie erwähnt, nimmt man allgemein an, daſs das Radschloſs um 1515 in Nürnberg erfunden worden sei; das mag in Bezug auf die Konstruktion im allgemeinen seine Richtigkeit haben, nicht aber in Bezug auf die Abfeuerung durch das Reiben des Schwefelkieses an einer rauhen Eisenfläche. Wir sehen den Beweis in der sogenannten Mönchsbüchse im königl. historischen Museum zu Dresden, die spätestens ins 15. Jahrhundert zu setzen ist. Der Lauf aber zeigt am vorderen Ende Verzierungen in offenbar arabischem Stile, und es weist dieser Umstand von neuem darauf hin, daſs wir die wichtigsten Erfindungen den Orientalen zu danken haben. (Fig. 555)
In der Detailkonstruktion des Radschlosses kommen seit seinem ersten Auftreten bis zu seinem Verschwinden die mannigfachsten Ver- schiedenheiten vor, und jede einzelne Veränderung läſst, wenn wir genauer zusehen, einen bestimmten Grund, eine Verbesserung wahr- nehmen. Betrachten wir vorerst das Rad. Die ältesten Räder liegen am Mechanismus unbeschützt zu Tage; das offene Rad aber wurde leicht beschmutzt, verstaubt, was auf seine Bewegung einen widrigen Einfluſs üben muſste. Bei Regenwetter wurde es naſs, wodurch die Funken- bildung gestört wurde. Man versah demnach das Rad mit einer schalenförmigen Decke, die zuweilen auch durchbrochen gebildet wurde, was freilich auch die Absicht wieder vereitelte. Diese Rad- decke wird mit Vorliebe ein Gegenstand der Verzierung, sie ist meist aus Metall und vergoldet und zeigt die hübschesten Dessins in Gra- vierung oder Ätzung. Man unterscheidet darum zunächst Radschlösser mit offenem und solche mit gedecktem Rade. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts treffen wir bezüglich der Lage des Rades auf die mannigfachsten Konstruktionen; nicht selten finden wir das Rad an der Innenseite, eine Anordnung, die viele Nachteile im Gefolge hatte. Zur Feststellung des Rades diente ein Achslager, eine Art Studel, und nicht selten findet man, daſs die Hahnfeder rings um die untere Hälfte des Rades geführt ist. Bei den ältesten Konstruktionen voll- führt beim Abzuge das Rad eine ganze Umdrehung. Bei den späteren macht das Rad nur eine halbe und selbst nur eine Viertelumdrehung. Sehr bald nach Erfindung des Radschlosses stellt sich zur Sicherung gegen unzeitiges Losgehen des Gewehres eine Sperrvorrichtung ein, die an der rückwärtigen Seite angebracht ist. Es gibt vielerlei Sperrsysteme; das einfachste und am öftesten vorkommende ist jenes, wo der Fuſs des Abzuges verlängert ist und mit seinem Ende aus einer Durchfeilung der Schloſsplatte hervorragt. Ein Scharnierhebel kann mit seiner Kopffläche derart vor die vordere Seite des Fuſses gelegt werden, daſs der Abzug unbeweglich wird. Die ältesten Rad- schlösser haben noch Pfannenschieber, welche mit dem Daumen auf-
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D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschloſs.
führte, bewährte sich für die Luntenzündung nicht, da der Hahn
während des Entzündens auf die Pfanne gesenkt blieb und das auf-
sprühende Zündpulver häufig die Lunte ausblies.
Wie erwähnt, nimmt man allgemein an, daſs das Radschloſs um
1515 in Nürnberg erfunden worden sei; das mag in Bezug auf die
Konstruktion im allgemeinen seine Richtigkeit haben, nicht aber in
Bezug auf die Abfeuerung durch das Reiben des Schwefelkieses an
einer rauhen Eisenfläche. Wir sehen den Beweis in der sogenannten
Mönchsbüchse im königl. historischen Museum zu Dresden, die
spätestens ins 15. Jahrhundert zu setzen ist. Der Lauf aber zeigt am
vorderen Ende Verzierungen in offenbar arabischem Stile, und es
weist dieser Umstand von neuem darauf hin, daſs wir die wichtigsten
Erfindungen den Orientalen zu danken haben. (Fig. 555)
In der Detailkonstruktion des Radschlosses kommen seit seinem
ersten Auftreten bis zu seinem Verschwinden die mannigfachsten Ver-
schiedenheiten vor, und jede einzelne Veränderung läſst, wenn wir
genauer zusehen, einen bestimmten Grund, eine Verbesserung wahr-
nehmen. Betrachten wir vorerst das Rad. Die ältesten Räder liegen am
Mechanismus unbeschützt zu Tage; das offene Rad aber wurde leicht
beschmutzt, verstaubt, was auf seine Bewegung einen widrigen Einfluſs
üben muſste. Bei Regenwetter wurde es naſs, wodurch die Funken-
bildung gestört wurde. Man versah demnach das Rad mit einer
schalenförmigen Decke, die zuweilen auch durchbrochen gebildet
wurde, was freilich auch die Absicht wieder vereitelte. Diese Rad-
decke wird mit Vorliebe ein Gegenstand der Verzierung, sie ist meist
aus Metall und vergoldet und zeigt die hübschesten Dessins in Gra-
vierung oder Ätzung. Man unterscheidet darum zunächst Radschlösser
mit offenem und solche mit gedecktem Rade. Im Verlaufe des
16. Jahrhunderts treffen wir bezüglich der Lage des Rades auf die
mannigfachsten Konstruktionen; nicht selten finden wir das Rad an
der Innenseite, eine Anordnung, die viele Nachteile im Gefolge hatte.
Zur Feststellung des Rades diente ein Achslager, eine Art Studel,
und nicht selten findet man, daſs die Hahnfeder rings um die untere
Hälfte des Rades geführt ist. Bei den ältesten Konstruktionen voll-
führt beim Abzuge das Rad eine ganze Umdrehung. Bei den späteren
macht das Rad nur eine halbe und selbst nur eine Viertelumdrehung.
Sehr bald nach Erfindung des Radschlosses stellt sich zur Sicherung
gegen unzeitiges Losgehen des Gewehres eine Sperrvorrichtung ein,
die an der rückwärtigen Seite angebracht ist. Es gibt vielerlei
Sperrsysteme; das einfachste und am öftesten vorkommende ist jenes,
wo der Fuſs des Abzuges verlängert ist und mit seinem Ende aus
einer Durchfeilung der Schloſsplatte hervorragt. Ein Scharnierhebel
kann mit seiner Kopffläche derart vor die vordere Seite des Fuſses
gelegt werden, daſs der Abzug unbeweglich wird. Die ältesten Rad-
schlösser haben noch Pfannenschieber, welche mit dem Daumen auf-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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