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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
erschien bald zu unsicher und effektarm; man suchte die Bombarde
kleiner herzu stellen, um weniger Steine, aber mit mehr Sicherheit zu
werfen; dadurch entstand die Haufnitz, ein handsames Geschütz,
das noch in den Burgunderkriegen mit Vorteil verwendet wurde.*)
Eine wünschenswerte Trefffähigkeit wurde aber erst erreicht, als man
anfing, Stein- oder Eisenkugeln aus Rohren zu schiessen, welche in der
Rohrwandung einen nur geringen Spielraum fanden. Hand in Hand mit
dieser Verbesserung ging das Bestreben, die Rohre zu verlängern in
dem Glauben, dass die Tragweite mit deren Verlängerung zunehme.
Damit tritt eine neue Geschützgattung auf, die sogenannte Schlange,
in Frankreich couleuvrine, in Italien serpentina, in Spanien culebrina
genannt. Sie erschien schon um 1400; aus der kleineren Art wurden
auch Bleikugeln geschossen. (Fig. 514.) Waren die Bombarden als
das schwere Geschütz zu betrachten, so bildeten die Schlangen in
verschiedenen Grössen das leichte Feldgeschütz; mit ihnen gelangte
der direkte Schuss zur Geltung, man fand sie sehr brauchbar und
erzeugte sie darum auch in so kleinen Dimensionen, dass sie von
einem Manne getragen und bedient werden konnten. Diese Art
nannte man Handschlangen, und sie sind im Hinblicke auf ihren
allgemeinen Gebrauch als die ersten Handfeuerwaffen des Fussvolkes
zu betrachten. Schon um 1420 treffen wir die Schlange als kleines
Feldgeschütz, als Hinterlader mit einer einzulegenden Ladekammer,
welche rückwärts verkeilt wurde.

Die Schlangen sind zumeist aus Eisen und mit aufgezogenen
Ringen verstärkt, nur kleine Handschlangen wurden im 15. Jahrhun-
dert in Bronze gegossen. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts er-
scheinen gegossene Schlangengeschütze; die schönsten stammen aus
Venedig.**)

Zum Angriffe auf feste Plätze erwiesen sich auch die Bombarden
und Hauptbüchsen zu schwach, der Steinhagel erwies sich als zer-
streut und darum wenig wirksam. Man suchte die Triebkraft zu ver-
grössern und die Steinladung zu vermehren. Aus diesem Streben ent-
stand der Mörser mit weitem Flug und kleiner angeschmiedeter
Kammer. Der älteste und grösste dieser Gattung, der grosse "pum-
hart" von Steyr von etwa 1380, befindet sich im k. u. k. Heeres-
museum zu Wien. (Fig. 515.)

Aus dieser übersichtlichen Darstellung ist zu ersehen, dass

*) Der Name deutet auf slavischen Ursprung; es ist damit die erneut wieder
auftretende Behauptung, dass die ersten Haufnitzen im Heere der Hussiten ange-
wendet wurden, von vieler Wahrscheinlichkeit begleitet. Thatsächlich stammt der
Ruhm Böhmens, die geschicktesten Artilleristen zu besitzen, aus den Hussiten-
kriegen her.
**) Aus dem italienischen Serpentinelle entstand im 16. Jahrhundert in den
deutschen Heeren das Wort Scharfentindl, was gleichfalls kleine Schlange, eine
sogenannte Viertelschlange, bezeichnet.

II. Die Angriffswaffen.
erschien bald zu unsicher und effektarm; man suchte die Bombarde
kleiner herzu stellen, um weniger Steine, aber mit mehr Sicherheit zu
werfen; dadurch entstand die Haufnitz, ein handsames Geschütz,
das noch in den Burgunderkriegen mit Vorteil verwendet wurde.*)
Eine wünschenswerte Trefffähigkeit wurde aber erst erreicht, als man
anfing, Stein- oder Eisenkugeln aus Rohren zu schieſsen, welche in der
Rohrwandung einen nur geringen Spielraum fanden. Hand in Hand mit
dieser Verbesserung ging das Bestreben, die Rohre zu verlängern in
dem Glauben, daſs die Tragweite mit deren Verlängerung zunehme.
Damit tritt eine neue Geschützgattung auf, die sogenannte Schlange,
in Frankreich couleuvrine, in Italien serpentina, in Spanien culebrina
genannt. Sie erschien schon um 1400; aus der kleineren Art wurden
auch Bleikugeln geschossen. (Fig. 514.) Waren die Bombarden als
das schwere Geschütz zu betrachten, so bildeten die Schlangen in
verschiedenen Gröſsen das leichte Feldgeschütz; mit ihnen gelangte
der direkte Schuſs zur Geltung, man fand sie sehr brauchbar und
erzeugte sie darum auch in so kleinen Dimensionen, daſs sie von
einem Manne getragen und bedient werden konnten. Diese Art
nannte man Handschlangen, und sie sind im Hinblicke auf ihren
allgemeinen Gebrauch als die ersten Handfeuerwaffen des Fuſsvolkes
zu betrachten. Schon um 1420 treffen wir die Schlange als kleines
Feldgeschütz, als Hinterlader mit einer einzulegenden Ladekammer,
welche rückwärts verkeilt wurde.

Die Schlangen sind zumeist aus Eisen und mit aufgezogenen
Ringen verstärkt, nur kleine Handschlangen wurden im 15. Jahrhun-
dert in Bronze gegossen. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts er-
scheinen gegossene Schlangengeschütze; die schönsten stammen aus
Venedig.**)

Zum Angriffe auf feste Plätze erwiesen sich auch die Bombarden
und Hauptbüchsen zu schwach, der Steinhagel erwies sich als zer-
streut und darum wenig wirksam. Man suchte die Triebkraft zu ver-
gröſsern und die Steinladung zu vermehren. Aus diesem Streben ent-
stand der Mörser mit weitem Flug und kleiner angeschmiedeter
Kammer. Der älteste und gröſste dieser Gattung, der groſse „pum-
hart“ von Steyr von etwa 1380, befindet sich im k. u. k. Heeres-
museum zu Wien. (Fig. 515.)

Aus dieser übersichtlichen Darstellung ist zu ersehen, daſs

*) Der Name deutet auf slavischen Ursprung; es ist damit die erneut wieder
auftretende Behauptung, daſs die ersten Haufnitzen im Heere der Hussiten ange-
wendet wurden, von vieler Wahrscheinlichkeit begleitet. Thatsächlich stammt der
Ruhm Böhmens, die geschicktesten Artilleristen zu besitzen, aus den Hussiten-
kriegen her.
**) Aus dem italienischen Serpentinelle entstand im 16. Jahrhundert in den
deutschen Heeren das Wort Scharfentindl, was gleichfalls kleine Schlange, eine
sogenannte Viertelschlange, bezeichnet.
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[436/0454] II. Die Angriffswaffen. erschien bald zu unsicher und effektarm; man suchte die Bombarde kleiner herzu stellen, um weniger Steine, aber mit mehr Sicherheit zu werfen; dadurch entstand die Haufnitz, ein handsames Geschütz, das noch in den Burgunderkriegen mit Vorteil verwendet wurde. *) Eine wünschenswerte Trefffähigkeit wurde aber erst erreicht, als man anfing, Stein- oder Eisenkugeln aus Rohren zu schieſsen, welche in der Rohrwandung einen nur geringen Spielraum fanden. Hand in Hand mit dieser Verbesserung ging das Bestreben, die Rohre zu verlängern in dem Glauben, daſs die Tragweite mit deren Verlängerung zunehme. Damit tritt eine neue Geschützgattung auf, die sogenannte Schlange, in Frankreich couleuvrine, in Italien serpentina, in Spanien culebrina genannt. Sie erschien schon um 1400; aus der kleineren Art wurden auch Bleikugeln geschossen. (Fig. 514.) Waren die Bombarden als das schwere Geschütz zu betrachten, so bildeten die Schlangen in verschiedenen Gröſsen das leichte Feldgeschütz; mit ihnen gelangte der direkte Schuſs zur Geltung, man fand sie sehr brauchbar und erzeugte sie darum auch in so kleinen Dimensionen, daſs sie von einem Manne getragen und bedient werden konnten. Diese Art nannte man Handschlangen, und sie sind im Hinblicke auf ihren allgemeinen Gebrauch als die ersten Handfeuerwaffen des Fuſsvolkes zu betrachten. Schon um 1420 treffen wir die Schlange als kleines Feldgeschütz, als Hinterlader mit einer einzulegenden Ladekammer, welche rückwärts verkeilt wurde. Die Schlangen sind zumeist aus Eisen und mit aufgezogenen Ringen verstärkt, nur kleine Handschlangen wurden im 15. Jahrhun- dert in Bronze gegossen. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts er- scheinen gegossene Schlangengeschütze; die schönsten stammen aus Venedig. **) Zum Angriffe auf feste Plätze erwiesen sich auch die Bombarden und Hauptbüchsen zu schwach, der Steinhagel erwies sich als zer- streut und darum wenig wirksam. Man suchte die Triebkraft zu ver- gröſsern und die Steinladung zu vermehren. Aus diesem Streben ent- stand der Mörser mit weitem Flug und kleiner angeschmiedeter Kammer. Der älteste und gröſste dieser Gattung, der groſse „pum- hart“ von Steyr von etwa 1380, befindet sich im k. u. k. Heeres- museum zu Wien. (Fig. 515.) Aus dieser übersichtlichen Darstellung ist zu ersehen, daſs *) Der Name deutet auf slavischen Ursprung; es ist damit die erneut wieder auftretende Behauptung, daſs die ersten Haufnitzen im Heere der Hussiten ange- wendet wurden, von vieler Wahrscheinlichkeit begleitet. Thatsächlich stammt der Ruhm Böhmens, die geschicktesten Artilleristen zu besitzen, aus den Hussiten- kriegen her. **) Aus dem italienischen Serpentinelle entstand im 16. Jahrhundert in den deutschen Heeren das Wort Scharfentindl, was gleichfalls kleine Schlange, eine sogenannte Viertelschlange, bezeichnet.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/454>, abgerufen am 22.11.2024.