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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
Nun erfolgte das Spannen der Armrust mit der deutschen Winde.
War die Sehne K in der Nuss, dann wurde der Bolzen in R hinein-
gesteckt und die Stange D in den Züngelarm E hineingedrückt; damit
war, wenn der Reiber p wieder weggeschoben wurde, der Stecher
zum Abzug bereit.

Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts und selbst noch früher
findet man die deutschen Armrüste an den Abzugstangen und nächst
der Verankerung mit Stoffen überzogen und mit Fransen besetzt.
Gegen das 17. Jahrhundert hin werden auch die Bogen mit kurzen
Seiden- und Goldquasten geziert; man benannte eine derartige Aus-
stattung in Deutschland den "Aufputz".

Für Armrüste mit Bogen von geringerer Kraft*) war der Geiss-
fuss
immer die einfachste und damit angemessenste Spannmaschine.
Er stellt eigentlich nichts anderes als einen einarmigen Hebel dar.
Der Stützpunkt desselben ist (Fig. 494) in dem Knebel E, der hier
bedeutend näher an der Nuss sich befindet als bei der Windenarm-
rust. Der Aufzug erfolgte von den in Scharnieren beweglichen
Krappen C D aus durch den Arm A, an dessen oberem Ende ein
beweglicher Haken sich befand, an welchem der Geissfuss im Gürtel
getragen werden konnte.

Dieses System des Geissfusses führte, besonders bei Ballästern
mit welchen keine Bolzen, sondern Kugeln geschossen wurden,
schon am Beginne des 16. Jahrhunderts zu der Einrichtung der
"Säulenhebel" (arbalete a jalet), welche mit der Säule in Ver-
bindung einen Bestandteil derselben bildete. (Fig. 495.) Es gibt
unterschiedliche Formen von derlei Säulenhebeln, in besonderer Rück-
sicht darauf, ob der Spannapparat ober- oder unterhalb der Säule
liegt. Wir beschreiben hier die charakteristischsten Konstruktionen,
nach denen Varianten sich leicht richtig beurteilen lassen.

Spanische Ballästern besitzen eine sehr sinnreich konstruierte
Spann- und Abzugvorrichtung. Sie besteht in einem langen Hebel-
arme A (Fig. 496), welcher in die Säule eingelassen ist und rück-
wärts in D gesperrt werden kann. An der Welle e ist das Ende
des Armes mit Zähnen versehen, in welche ein Sperrhebel g greift,
um ein Zurückschlagen des Armes beim Spannen zu verhindern.

Der bewegliche Arm B, welcher beim Aufheben des Armes A
sich vorschiebt und die Sehne selbstthätig ergreift, enthält auch die

*) Für Armrüste von schwächeren Bogen kam auch eine Spannmaschine in
Anwendung, welche in einer kleinen Welle bestand, über welche ein Riemen ge-
wunden war, an dessen Ende eine eiserne Krappe sich befand. Diese Welle mit
Zahnrad und Sperrhaken wurde mittels eines Schlüssels gedreht. Die Leistung
einer solchen Vorrichtung kann nur sehr gering gewesen sein, weshalb wir ihrer
nur nebenher gedenken. Eine solche Spannmaschine an einer Armrust ist, wie
V. Gay in seinem Glossaire bemerkt, in einem Manuskripte der Bibliothek zu
Besancon von 1400 dargestellt.
Boeheim, Waffenkunde. 27

D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
Nun erfolgte das Spannen der Armrust mit der deutschen Winde.
War die Sehne K in der Nuſs, dann wurde der Bolzen in R hinein-
gesteckt und die Stange D in den Züngelarm E hineingedrückt; damit
war, wenn der Reiber p wieder weggeschoben wurde, der Stecher
zum Abzug bereit.

Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts und selbst noch früher
findet man die deutschen Armrüste an den Abzugstangen und nächst
der Verankerung mit Stoffen überzogen und mit Fransen besetzt.
Gegen das 17. Jahrhundert hin werden auch die Bogen mit kurzen
Seiden- und Goldquasten geziert; man benannte eine derartige Aus-
stattung in Deutschland den „Aufputz“.

Für Armrüste mit Bogen von geringerer Kraft*) war der Geiſs-
fuſs
immer die einfachste und damit angemessenste Spannmaschine.
Er stellt eigentlich nichts anderes als einen einarmigen Hebel dar.
Der Stützpunkt desselben ist (Fig. 494) in dem Knebel E, der hier
bedeutend näher an der Nuſs sich befindet als bei der Windenarm-
rust. Der Aufzug erfolgte von den in Scharnieren beweglichen
Krappen C D aus durch den Arm A, an dessen oberem Ende ein
beweglicher Haken sich befand, an welchem der Geiſsfuſs im Gürtel
getragen werden konnte.

Dieses System des Geiſsfuſses führte, besonders bei Ballästern
mit welchen keine Bolzen, sondern Kugeln geschossen wurden,
schon am Beginne des 16. Jahrhunderts zu der Einrichtung der
Säulenhebel“ (arbalète à jalet), welche mit der Säule in Ver-
bindung einen Bestandteil derselben bildete. (Fig. 495.) Es gibt
unterschiedliche Formen von derlei Säulenhebeln, in besonderer Rück-
sicht darauf, ob der Spannapparat ober- oder unterhalb der Säule
liegt. Wir beschreiben hier die charakteristischsten Konstruktionen,
nach denen Varianten sich leicht richtig beurteilen lassen.

Spanische Ballästern besitzen eine sehr sinnreich konstruierte
Spann- und Abzugvorrichtung. Sie besteht in einem langen Hebel-
arme A (Fig. 496), welcher in die Säule eingelassen ist und rück-
wärts in D gesperrt werden kann. An der Welle e ist das Ende
des Armes mit Zähnen versehen, in welche ein Sperrhebel g greift,
um ein Zurückschlagen des Armes beim Spannen zu verhindern.

Der bewegliche Arm B, welcher beim Aufheben des Armes A
sich vorschiebt und die Sehne selbstthätig ergreift, enthält auch die

*) Für Armrüste von schwächeren Bogen kam auch eine Spannmaschine in
Anwendung, welche in einer kleinen Welle bestand, über welche ein Riemen ge-
wunden war, an dessen Ende eine eiserne Krappe sich befand. Diese Welle mit
Zahnrad und Sperrhaken wurde mittels eines Schlüssels gedreht. Die Leistung
einer solchen Vorrichtung kann nur sehr gering gewesen sein, weshalb wir ihrer
nur nebenher gedenken. Eine solche Spannmaschine an einer Armrust ist, wie
V. Gay in seinem Glossaire bemerkt, in einem Manuskripte der Bibliothek zu
Besançon von 1400 dargestellt.
Boeheim, Waffenkunde. 27
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[417/0435] D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust. Nun erfolgte das Spannen der Armrust mit der deutschen Winde. War die Sehne K in der Nuſs, dann wurde der Bolzen in R hinein- gesteckt und die Stange D in den Züngelarm E hineingedrückt; damit war, wenn der Reiber p wieder weggeschoben wurde, der Stecher zum Abzug bereit. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts und selbst noch früher findet man die deutschen Armrüste an den Abzugstangen und nächst der Verankerung mit Stoffen überzogen und mit Fransen besetzt. Gegen das 17. Jahrhundert hin werden auch die Bogen mit kurzen Seiden- und Goldquasten geziert; man benannte eine derartige Aus- stattung in Deutschland den „Aufputz“. Für Armrüste mit Bogen von geringerer Kraft *) war der Geiſs- fuſs immer die einfachste und damit angemessenste Spannmaschine. Er stellt eigentlich nichts anderes als einen einarmigen Hebel dar. Der Stützpunkt desselben ist (Fig. 494) in dem Knebel E, der hier bedeutend näher an der Nuſs sich befindet als bei der Windenarm- rust. Der Aufzug erfolgte von den in Scharnieren beweglichen Krappen C D aus durch den Arm A, an dessen oberem Ende ein beweglicher Haken sich befand, an welchem der Geiſsfuſs im Gürtel getragen werden konnte. Dieses System des Geiſsfuſses führte, besonders bei Ballästern mit welchen keine Bolzen, sondern Kugeln geschossen wurden, schon am Beginne des 16. Jahrhunderts zu der Einrichtung der „Säulenhebel“ (arbalète à jalet), welche mit der Säule in Ver- bindung einen Bestandteil derselben bildete. (Fig. 495.) Es gibt unterschiedliche Formen von derlei Säulenhebeln, in besonderer Rück- sicht darauf, ob der Spannapparat ober- oder unterhalb der Säule liegt. Wir beschreiben hier die charakteristischsten Konstruktionen, nach denen Varianten sich leicht richtig beurteilen lassen. Spanische Ballästern besitzen eine sehr sinnreich konstruierte Spann- und Abzugvorrichtung. Sie besteht in einem langen Hebel- arme A (Fig. 496), welcher in die Säule eingelassen ist und rück- wärts in D gesperrt werden kann. An der Welle e ist das Ende des Armes mit Zähnen versehen, in welche ein Sperrhebel g greift, um ein Zurückschlagen des Armes beim Spannen zu verhindern. Der bewegliche Arm B, welcher beim Aufheben des Armes A sich vorschiebt und die Sehne selbstthätig ergreift, enthält auch die *) Für Armrüste von schwächeren Bogen kam auch eine Spannmaschine in Anwendung, welche in einer kleinen Welle bestand, über welche ein Riemen ge- wunden war, an dessen Ende eine eiserne Krappe sich befand. Diese Welle mit Zahnrad und Sperrhaken wurde mittels eines Schlüssels gedreht. Die Leistung einer solchen Vorrichtung kann nur sehr gering gewesen sein, weshalb wir ihrer nur nebenher gedenken. Eine solche Spannmaschine an einer Armrust ist, wie V. Gay in seinem Glossaire bemerkt, in einem Manuskripte der Bibliothek zu Besançon von 1400 dargestellt. Boeheim, Waffenkunde. 27

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/435>, abgerufen am 22.11.2024.