sind. Erst am Anfange des 16. Jahrhunderts werden die Beschreibungen in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.
Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen Türken durch seine grössere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen, der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von
[Abbildung]
Fig. 472.
Köcher für Hand- bogenpfeile mit Pelzwerk über- zogen. Sogenannter "Rauch- köcher". Zur Ausrüstung der kaiserlichen Bogenschützen ge- hörig. Aus den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I. Zeug Tirol. Um 1510.
zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus Sphagia waren aus Steinbockhorn, während die aus Candia kommenden aus Büffelhorn gefertigt wurden. Die türkischen Bogen waren bedeutend kleiner, stärker aufge- bogen und gekrümmt und steif besehnt. Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise bei den türkischen wie bei den arabischen Bogen ziemlich gleich. Der grosse Bogen heisst im türkischen perwane keman, d. i. Schmetterling, der kleinere jaj.
Alle orientalischen Bogen wurden ohne Armschienen und Handschuhe gehandhabt, im Gegensatze zu den von occidentalen Nationen geführten hölzernen Bogen, die bei grösserer Länge leicht nach der Seite schnellten. Als Auflager für den Pfeil be- dienten sich die Orientalen eines Ringes, der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte und am linken Daumen getragen wurde. Diese Ringe waren je nach dem Ver- mögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfen- bein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst mit kostbaren Steinen besetzt. Das war im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde klingt, keine neue Mode, sondern ein Ge- brauch von alters her.*)
In den kaiserlichen Sammlungen zu Wien wird eine ansehnliche Zahl orienta- lischer Bogen bewahrt, welche aus der Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und 1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung bringen wir hier einen grösseren, arabischen oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)
*) Belon, Singularites 1553. I. 2. Kap. 89. Gaye V. Gloss. archeol. Arc.
D. Die Fernwaffen. 2. Der Bogen.
sind. Erst am Anfange des 16. Jahrhunderts werden die Beschreibungen in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.
Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen Türken durch seine gröſsere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen, der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von
[Abbildung]
Fig. 472.
Köcher für Hand- bogenpfeile mit Pelzwerk über- zogen. Sogenannter „Rauch- köcher“. Zur Ausrüstung der kaiserlichen Bogenschützen ge- hörig. Aus den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I. Zeug Tirol. Um 1510.
zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus Sphagia waren aus Steinbockhorn, während die aus Candia kommenden aus Büffelhorn gefertigt wurden. Die türkischen Bogen waren bedeutend kleiner, stärker aufge- bogen und gekrümmt und steif besehnt. Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise bei den türkischen wie bei den arabischen Bogen ziemlich gleich. Der groſse Bogen heiſst im türkischen perwânè kemân, d. i. Schmetterling, der kleinere jaj.
Alle orientalischen Bogen wurden ohne Armschienen und Handschuhe gehandhabt, im Gegensatze zu den von occidentalen Nationen geführten hölzernen Bogen, die bei gröſserer Länge leicht nach der Seite schnellten. Als Auflager für den Pfeil be- dienten sich die Orientalen eines Ringes, der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte und am linken Daumen getragen wurde. Diese Ringe waren je nach dem Ver- mögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfen- bein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst mit kostbaren Steinen besetzt. Das war im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde klingt, keine neue Mode, sondern ein Ge- brauch von alters her.*)
In den kaiserlichen Sammlungen zu Wien wird eine ansehnliche Zahl orienta- lischer Bogen bewahrt, welche aus der Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und 1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung bringen wir hier einen gröſseren, arabischen oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)
*) Belon, Singularités 1553. I. 2. Kap. 89. Gaye V. Gloss. archéol. Arc.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0413"n="395"/><fwplace="top"type="header">D. Die Fernwaffen. 2. Der Bogen.</fw><lb/>
sind. Erst am Anfange des 16. Jahrhunderts werden die Beschreibungen<lb/>
in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit<lb/>
auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.</p><lb/><p>Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen<lb/>
Türken durch seine gröſsere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen,<lb/>
der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von<lb/><figure><head>Fig. 472.</head><p><hirendition="#g">Köcher</hi> für Hand-<lb/>
bogenpfeile mit Pelzwerk über-<lb/>
zogen. Sogenannter „Rauch-<lb/>
köcher“. Zur Ausrüstung der<lb/>
kaiserlichen Bogenschützen ge-<lb/>
hörig. Aus den Zeugbüchern<lb/>
des Kaisers <hirendition="#g">Maximilian</hi> I.<lb/>
Zeug Tirol. Um 1510.</p></figure><lb/>
zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus<lb/>
Sphagia waren aus Steinbockhorn, während<lb/>
die aus Candia kommenden aus Büffelhorn<lb/>
gefertigt wurden. Die türkischen Bogen<lb/>
waren bedeutend kleiner, stärker aufge-<lb/>
bogen und gekrümmt und steif besehnt.<lb/>
Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise<lb/>
bei den türkischen wie bei den arabischen<lb/>
Bogen ziemlich gleich. Der groſse Bogen<lb/>
heiſst im türkischen <hirendition="#g">perwânè kemân</hi>,<lb/>
d. i. Schmetterling, der kleinere <hirendition="#g">jaj</hi>.</p><lb/><p>Alle orientalischen Bogen wurden ohne<lb/>
Armschienen und Handschuhe gehandhabt,<lb/>
im Gegensatze zu den von occidentalen<lb/>
Nationen geführten hölzernen Bogen, die<lb/>
bei gröſserer Länge leicht nach der Seite<lb/>
schnellten. Als Auflager für den Pfeil be-<lb/>
dienten sich die Orientalen eines Ringes,<lb/>
der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte<lb/>
und am linken Daumen getragen wurde.<lb/>
Diese Ringe waren je nach dem Ver-<lb/>
mögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfen-<lb/>
bein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst<lb/>
mit kostbaren Steinen besetzt. Das war<lb/>
im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde<lb/>
klingt, keine neue Mode, sondern ein Ge-<lb/>
brauch von alters her.<noteplace="foot"n="*)">Belon, Singularités 1553. I. 2. Kap. 89. Gaye V. Gloss. archéol. Arc.</note></p><lb/><p>In den kaiserlichen Sammlungen zu<lb/>
Wien wird eine ansehnliche Zahl orienta-<lb/>
lischer Bogen bewahrt, welche aus der<lb/>
Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und<lb/>
1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand<lb/>
von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung<lb/>
bringen wir hier einen gröſseren, arabischen<lb/>
oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden<lb/>
Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion<lb/>
wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[395/0413]
D. Die Fernwaffen. 2. Der Bogen.
sind. Erst am Anfange des 16. Jahrhunderts werden die Beschreibungen
in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit
auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.
Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen
Türken durch seine gröſsere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen,
der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von
[Abbildung Fig. 472. Köcher für Hand-
bogenpfeile mit Pelzwerk über-
zogen. Sogenannter „Rauch-
köcher“. Zur Ausrüstung der
kaiserlichen Bogenschützen ge-
hörig. Aus den Zeugbüchern
des Kaisers Maximilian I.
Zeug Tirol. Um 1510.]
zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus
Sphagia waren aus Steinbockhorn, während
die aus Candia kommenden aus Büffelhorn
gefertigt wurden. Die türkischen Bogen
waren bedeutend kleiner, stärker aufge-
bogen und gekrümmt und steif besehnt.
Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise
bei den türkischen wie bei den arabischen
Bogen ziemlich gleich. Der groſse Bogen
heiſst im türkischen perwânè kemân,
d. i. Schmetterling, der kleinere jaj.
Alle orientalischen Bogen wurden ohne
Armschienen und Handschuhe gehandhabt,
im Gegensatze zu den von occidentalen
Nationen geführten hölzernen Bogen, die
bei gröſserer Länge leicht nach der Seite
schnellten. Als Auflager für den Pfeil be-
dienten sich die Orientalen eines Ringes,
der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte
und am linken Daumen getragen wurde.
Diese Ringe waren je nach dem Ver-
mögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfen-
bein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst
mit kostbaren Steinen besetzt. Das war
im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde
klingt, keine neue Mode, sondern ein Ge-
brauch von alters her. *)
In den kaiserlichen Sammlungen zu
Wien wird eine ansehnliche Zahl orienta-
lischer Bogen bewahrt, welche aus der
Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und
1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand
von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung
bringen wir hier einen gröſseren, arabischen
oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden
Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion
wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)
*) Belon, Singularités 1553. I. 2. Kap. 89. Gaye V. Gloss. archéol. Arc.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/413>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.