einen gleichförmigen Charakter. Die letztere, abhängig von dem Stande der technischen Wissenschaften und der Kriegskunst, wird allmählich mehr ein Gegenstand der Massenerzeugung, der Maschinen- thätigkeit. Als solcher entwickelt sich die Bewaffnung unmittelbarer mit den Fortschritten der Technik. Der Kampf aber zwischen den Mitteln des Angriffes und jenen der Abwehr wogt weiter, er wird erst mit dem letzten Kriege sein Ende nehmen. Nach den jeweiligen Erfolgen des einen oder des anderen Teiles regelt sich die Taktik.
Die Betrachtung der Entwickelung des Waffenwesens hat den bedeutenden Einfluss des Orientes auf den Occident auf dem tech- nischen und Formengebiete vor Augen gestellt; dieser Einfluss, schon im Altertume herrschend, ist vom Beginne des Mittelalters an peri- odisch, oft direkt, oft indirekt wirkend, immer aber kräftig und fördernd, zuzeiten selbst von nachhaltiger Wichtigkeit für die Kultur des Abendlandes.
Die ersten Spuren orientalischer Einwirkung im Mittelalter gehen bereits bis in die Zeit der Völkerwanderung, ins 4. Jahrhundert, zurück. Später vermitteln sie bis ins 9. Jahrhundert die Sarazenen in Spanien und Sizilien. Im 11. Jahrhundert sind es die Normanen, welche die Lehren orientalischer Kriegskunst aufnehmen und ver- breiten. Die bemerkenswerteste Periode aber ist jene der Kreuzzüge, und vor allem war es der dritte, welcher als eine grosse Schule des Krieges angesehen werden kann. Von jener Zeit an wird der direkte Einfluss des Orientes geringer, dafür nimmt der indirekte aus Italien zu, der sich bis ins 17. Jahrhundert erhält. In den Türkenkriegen dieses Jahrhunderts kommt der Orient wieder unmittelbarer und nicht ohne Erfolg zur Beachtung. Die Spuren dieser letzten Einwirkung leiteten sich bis auf die Gegenwart.
Das Feudalwesen mit all seiner Kriegskunst war starr geworden, es hatte sich früher überlebt, als die Feudalherren dies gewahr wurden. Ein flüchtiger Zusammenstoss mit Volkselementen genügte, um die Schwäche des Kolosses vor aller Augen darzuthun. Von diesem Augenblicke an nimmt die Bedeutung des Fussvolkes zu; aus Volks- elementen heraus ersteht das Geschützwesen, als eine bedeutsame Entwickelungsstufe der Verwendung des Schiesspulvers, die ihre ersten Anfänge gleichfalls unter den Orientalen gefunden hatte. Durch diese totale Umbildung des Heerwesens tritt das Waffen- wesen in ein neues Stadium. Diese letzte Entwickelung fand ihren Ursprung auf heimatlichem Boden.
Einleitung.
einen gleichförmigen Charakter. Die letztere, abhängig von dem Stande der technischen Wissenschaften und der Kriegskunst, wird allmählich mehr ein Gegenstand der Massenerzeugung, der Maschinen- thätigkeit. Als solcher entwickelt sich die Bewaffnung unmittelbarer mit den Fortschritten der Technik. Der Kampf aber zwischen den Mitteln des Angriffes und jenen der Abwehr wogt weiter, er wird erst mit dem letzten Kriege sein Ende nehmen. Nach den jeweiligen Erfolgen des einen oder des anderen Teiles regelt sich die Taktik.
Die Betrachtung der Entwickelung des Waffenwesens hat den bedeutenden Einfluſs des Orientes auf den Occident auf dem tech- nischen und Formengebiete vor Augen gestellt; dieser Einfluſs, schon im Altertume herrschend, ist vom Beginne des Mittelalters an peri- odisch, oft direkt, oft indirekt wirkend, immer aber kräftig und fördernd, zuzeiten selbst von nachhaltiger Wichtigkeit für die Kultur des Abendlandes.
Die ersten Spuren orientalischer Einwirkung im Mittelalter gehen bereits bis in die Zeit der Völkerwanderung, ins 4. Jahrhundert, zurück. Später vermitteln sie bis ins 9. Jahrhundert die Sarazenen in Spanien und Sizilien. Im 11. Jahrhundert sind es die Normanen, welche die Lehren orientalischer Kriegskunst aufnehmen und ver- breiten. Die bemerkenswerteste Periode aber ist jene der Kreuzzüge, und vor allem war es der dritte, welcher als eine groſse Schule des Krieges angesehen werden kann. Von jener Zeit an wird der direkte Einfluſs des Orientes geringer, dafür nimmt der indirekte aus Italien zu, der sich bis ins 17. Jahrhundert erhält. In den Türkenkriegen dieses Jahrhunderts kommt der Orient wieder unmittelbarer und nicht ohne Erfolg zur Beachtung. Die Spuren dieser letzten Einwirkung leiteten sich bis auf die Gegenwart.
Das Feudalwesen mit all seiner Kriegskunst war starr geworden, es hatte sich früher überlebt, als die Feudalherren dies gewahr wurden. Ein flüchtiger Zusammenstoſs mit Volkselementen genügte, um die Schwäche des Kolosses vor aller Augen darzuthun. Von diesem Augenblicke an nimmt die Bedeutung des Fuſsvolkes zu; aus Volks- elementen heraus ersteht das Geschützwesen, als eine bedeutsame Entwickelungsstufe der Verwendung des Schieſspulvers, die ihre ersten Anfänge gleichfalls unter den Orientalen gefunden hatte. Durch diese totale Umbildung des Heerwesens tritt das Waffen- wesen in ein neues Stadium. Diese letzte Entwickelung fand ihren Ursprung auf heimatlichem Boden.
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Einleitung.
einen gleichförmigen Charakter. Die letztere, abhängig von dem
Stande der technischen Wissenschaften und der Kriegskunst, wird
allmählich mehr ein Gegenstand der Massenerzeugung, der Maschinen-
thätigkeit. Als solcher entwickelt sich die Bewaffnung unmittelbarer
mit den Fortschritten der Technik. Der Kampf aber zwischen den
Mitteln des Angriffes und jenen der Abwehr wogt weiter, er wird
erst mit dem letzten Kriege sein Ende nehmen. Nach den jeweiligen
Erfolgen des einen oder des anderen Teiles regelt sich die Taktik.
Die Betrachtung der Entwickelung des Waffenwesens hat den
bedeutenden Einfluſs des Orientes auf den Occident auf dem tech-
nischen und Formengebiete vor Augen gestellt; dieser Einfluſs, schon
im Altertume herrschend, ist vom Beginne des Mittelalters an peri-
odisch, oft direkt, oft indirekt wirkend, immer aber kräftig und
fördernd, zuzeiten selbst von nachhaltiger Wichtigkeit für die
Kultur des Abendlandes.
Die ersten Spuren orientalischer Einwirkung im Mittelalter gehen
bereits bis in die Zeit der Völkerwanderung, ins 4. Jahrhundert,
zurück. Später vermitteln sie bis ins 9. Jahrhundert die Sarazenen
in Spanien und Sizilien. Im 11. Jahrhundert sind es die Normanen,
welche die Lehren orientalischer Kriegskunst aufnehmen und ver-
breiten. Die bemerkenswerteste Periode aber ist jene der Kreuzzüge,
und vor allem war es der dritte, welcher als eine groſse Schule des
Krieges angesehen werden kann. Von jener Zeit an wird der direkte
Einfluſs des Orientes geringer, dafür nimmt der indirekte aus Italien
zu, der sich bis ins 17. Jahrhundert erhält. In den Türkenkriegen
dieses Jahrhunderts kommt der Orient wieder unmittelbarer und nicht
ohne Erfolg zur Beachtung. Die Spuren dieser letzten Einwirkung
leiteten sich bis auf die Gegenwart.
Das Feudalwesen mit all seiner Kriegskunst war starr geworden,
es hatte sich früher überlebt, als die Feudalherren dies gewahr wurden.
Ein flüchtiger Zusammenstoſs mit Volkselementen genügte, um die
Schwäche des Kolosses vor aller Augen darzuthun. Von diesem
Augenblicke an nimmt die Bedeutung des Fuſsvolkes zu; aus Volks-
elementen heraus ersteht das Geschützwesen, als eine bedeutsame
Entwickelungsstufe der Verwendung des Schieſspulvers, die ihre
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Durch diese totale Umbildung des Heerwesens tritt das Waffen-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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