Ritter und Standesherren trugen, alter Sitte huldigend, noch mit Vorliebe an ihren ritter- lichen Harnischen den längst nicht mehr in Gebrauch stehenden Rüsthaken. Um 1580 legte die Reiterei den Reisspiess, hundert- zwanzig Jahre darauf, nach 1700, das Fuss- volk die Pike ab; damit aber war der Spiess in seiner charakteristischen Form noch immer nicht ganz aus den Heeren verschwunden. Schon in den niederländischen Befreiungskriegen ent- stand der Springstecken; er bestand aus einer dünnen, etwa 2 m. langen Stange, welche an beiden Enden mit einfachen, pfriemenartigen, eisernen Spitzen versehen war. Er wurde in dem von vielen Kanälen durchschnittenen Lande besonders von den Schützen zum Übersetzen dieser Terrainhindernisse gebraucht. Nebenher lief auch das Bestreben, dieses spiessartige Werkzeug als Auflager für die Büchse beim Zielen zu gebrauchen, wozu in der Mitte des Schaftes ein eiserner Haken angebracht wurde. Derlei Springstecken, Scharfschützenlanzen genannt, kommen in verschiedenen Formen bis ans Ende des 18. Jahrhunderts vor.
In Österreich erhielt in den Türkenkriegen am Ende des 17. Jahrhunderts der Springstecken noch eine andere Aufgabe; er diente zur Bil- dung der "spanischen Reiter", für welche die Hauptbalken auf eigenen Wagen im Train mitgeführt wurden. Der spanische Reiter, welcher zum Schutze vor Überfällen durch Reiterei diente, bestand aus einem vierkantigen Haupt- balken (Leib), welcher auf geringe Entfernungen wechselweise durchlöchert war. In diese Löcher wurden nun die von den Infanteristen getragenen Springstecken, hiersonderbarer Weise "Schweins- federn" genannt, gesteckt, so dass eine Art Bockgestelle entstand. Nach dem Reglement von 1720 wurden im kaiserlichen Heere die Springstöcke nur noch von den Fähnrichen ge- führt. (Fig. 388.)
Eine besondere Aufgabe hat der Spiess schon seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd nach dem Bären und dem Wildschwein. Er wird da Bärenspiess, Sau- oder Schweinspiess
[Abbildung]
Fig. 389.
Schwein- spiess mit geätzter und vergoldeter Verzierung und originaler Ausstattung am Schafte. Historisches Mu- seum in Dresden.
B. Die Stangenwaffen. 1. Der Spieſs.
Ritter und Standesherren trugen, alter Sitte huldigend, noch mit Vorliebe an ihren ritter- lichen Harnischen den längst nicht mehr in Gebrauch stehenden Rüsthaken. Um 1580 legte die Reiterei den Reisspieſs, hundert- zwanzig Jahre darauf, nach 1700, das Fuſs- volk die Pike ab; damit aber war der Spieſs in seiner charakteristischen Form noch immer nicht ganz aus den Heeren verschwunden. Schon in den niederländischen Befreiungskriegen ent- stand der Springstecken; er bestand aus einer dünnen, etwa 2 m. langen Stange, welche an beiden Enden mit einfachen, pfriemenartigen, eisernen Spitzen versehen war. Er wurde in dem von vielen Kanälen durchschnittenen Lande besonders von den Schützen zum Übersetzen dieser Terrainhindernisse gebraucht. Nebenher lief auch das Bestreben, dieses spieſsartige Werkzeug als Auflager für die Büchse beim Zielen zu gebrauchen, wozu in der Mitte des Schaftes ein eiserner Haken angebracht wurde. Derlei Springstecken, Scharfschützenlanzen genannt, kommen in verschiedenen Formen bis ans Ende des 18. Jahrhunderts vor.
In Österreich erhielt in den Türkenkriegen am Ende des 17. Jahrhunderts der Springstecken noch eine andere Aufgabe; er diente zur Bil- dung der „spanischen Reiter“, für welche die Hauptbalken auf eigenen Wagen im Train mitgeführt wurden. Der spanische Reiter, welcher zum Schutze vor Überfällen durch Reiterei diente, bestand aus einem vierkantigen Haupt- balken (Leib), welcher auf geringe Entfernungen wechselweise durchlöchert war. In diese Löcher wurden nun die von den Infanteristen getragenen Springstecken, hiersonderbarer Weise „Schweins- federn“ genannt, gesteckt, so daſs eine Art Bockgestelle entstand. Nach dem Reglement von 1720 wurden im kaiserlichen Heere die Springstöcke nur noch von den Fähnrichen ge- führt. (Fig. 388.)
Eine besondere Aufgabe hat der Spieſs schon seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd nach dem Bären und dem Wildschwein. Er wird da Bärenspieſs, Sau- oder Schweinspieſs
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Fig. 389.
Schwein- spieſs mit geätzter und vergoldeter Verzierung und originaler Ausstattung am Schafte. Historisches Mu- seum in Dresden.
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B. Die Stangenwaffen. 1. Der Spieſs.
Ritter und Standesherren trugen, alter Sitte
huldigend, noch mit Vorliebe an ihren ritter-
lichen Harnischen den längst nicht mehr in
Gebrauch stehenden Rüsthaken. Um 1580
legte die Reiterei den Reisspieſs, hundert-
zwanzig Jahre darauf, nach 1700, das Fuſs-
volk die Pike ab; damit aber war der Spieſs
in seiner charakteristischen Form noch immer
nicht ganz aus den Heeren verschwunden. Schon
in den niederländischen Befreiungskriegen ent-
stand der Springstecken; er bestand aus einer
dünnen, etwa 2 m. langen Stange, welche an
beiden Enden mit einfachen, pfriemenartigen,
eisernen Spitzen versehen war. Er wurde in
dem von vielen Kanälen durchschnittenen Lande
besonders von den Schützen zum Übersetzen
dieser Terrainhindernisse gebraucht. Nebenher
lief auch das Bestreben, dieses spieſsartige
Werkzeug als Auflager für die Büchse beim
Zielen zu gebrauchen, wozu in der Mitte des
Schaftes ein eiserner Haken angebracht wurde.
Derlei Springstecken, Scharfschützenlanzen
genannt, kommen in verschiedenen Formen bis
ans Ende des 18. Jahrhunderts vor.
In Österreich erhielt in den Türkenkriegen
am Ende des 17. Jahrhunderts der Springstecken
noch eine andere Aufgabe; er diente zur Bil-
dung der „spanischen Reiter“, für welche
die Hauptbalken auf eigenen Wagen im Train
mitgeführt wurden. Der spanische Reiter, welcher
zum Schutze vor Überfällen durch Reiterei
diente, bestand aus einem vierkantigen Haupt-
balken (Leib), welcher auf geringe Entfernungen
wechselweise durchlöchert war. In diese Löcher
wurden nun die von den Infanteristen getragenen
Springstecken, hiersonderbarer Weise „Schweins-
federn“ genannt, gesteckt, so daſs eine Art
Bockgestelle entstand. Nach dem Reglement
von 1720 wurden im kaiserlichen Heere die
Springstöcke nur noch von den Fähnrichen ge-
führt. (Fig. 388.)
Eine besondere Aufgabe hat der Spieſs
schon seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd
nach dem Bären und dem Wildschwein. Er
wird da Bärenspieſs, Sau- oder Schweinspieſs
[Abbildung Fig. 389. Schwein-
spieſs mit geätzter und
vergoldeter Verzierung und
originaler Ausstattung am
Schafte. Historisches Mu-
seum in Dresden.]
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/347>, abgerufen am 05.07.2024.
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