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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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B. Die Stangenwaffen. 1. Der Spiess.
Zeit an der Form wie der Auszierung des Spiesses das peinlichste
Augenmerk zugewendet. Nicht nur die Lanze selbst wurde vom Waffen-
schmied reich mit Ornamenten in Tausia, Niello und Vergoldung
ausgestattet, der Besitzer selber behängte sie auch mit Geflechten und
Quasten aus Yakwolle und Seide. Vorzüglich liebte man Wurfspiesse,
"djerid" ähnlich auszustatten. In ältester Zeit bildete die Spende
einer Lanze das Zeichen höchster Gunst des Sultans, und immer das
wertvollste Geschenk. Vornehme Araber und Türken trugen an den
Spiessen goldene Schnüre mit langen Quasten, an welchen in einer
platten Kapsel ein auf kleinen Blättchen geschriebener Koran einge-
schlossen war. (Fig. 373.)

Im 16. Jahrhundert finden wir den Spiess, teils in neuen Formen,
als vorzüglichste Stosswaffe in den Landsknechtheeren. Die Taktik
der Landsknechte erforderte eine langschäftige, aber dabei leichte
Waffe, welche dazu bestimmt war, den ersten Stoss auf den Feind
auszuführen. Für den Nahkampf war das kurze Schwert bestimmt.
Dieser Kampfweise entsprechend erhielt die überwiegend grösste Menge
der Leute eines Fähnleins den Landsknechtspiess, die sogenannte
"Pinne" (korrumpiert aus dem mittelalterlichen pennon). Die Spiesse
der Landsknechte, die man mit den späteren Piken des 17. Jahr-
hunderts nicht verwechseln darf, hatten ein blattförmiges Spiesseisen
mit kurzen Schaftfedern; ihr Schaft von durchschnittlich 4.5 m. Länge,
war in der Mitte stärker als an den Enden. (Fig. 374.)*) Ihre
Formen finden sich in vollster Deutlichkeit auf vielen Blättern der
Zeugbücher Maximilians I. von 1514 wiedergegeben, welche Nic.
Glockendon zugeschrieben werden. Das Vorbild des Landsknecht-
spiesses ist in den Spiessen der Schweizer zu finden. In den Händen
dieser Truppe war aber seine Form und seine Führung eine andere.
Noch im 15. Jahrh. war er nicht länger als etwas über 3 m. Im Lands-
knechtheere wuchs er zu einer Länge von 4.5--5 m. an und wurde so
geführt, dass der Mann kaum mehr als einen Meter Schaft hinter sich
hatte. Die Schweizer ergriffen beim Vorrücken den Spiess mehr in
der Mitte. Die ein höheres Kommando führenden Personen eines
Landsknechtkörpers führten, mehr als Zeichen ihrer Würde, einen
kurzschäftigen, leichten Spiess mit blattförmigem Eisen. So sehen wir
sie abgebildet in den Holzschnitten von Nicolaus Meldemann, Hans
Guldenmund, David de Necker und Hieronymus Formschneider,
welche uns die Landsknechte um 1529 wiedergeben. Als Zeichen
der Würde führten den leichten Spiess mit kürzerem, dünnen Schafte
die höchsten Personen. So erscheint Karl V. in dem bekannten Ge-

*) Die in den verschiedenen Waffenmuseen, wie im Musee d'Artillerie in Paris
befindlichen, als Landsknechtspiesse bezeichneten Stangenwaffen sind gemeine Piken
des 17. Jahrhunderts. Wirkliche Landsknechtspiesse sind äusserst selten. In an-
sehnlicherer Menge finden sie sich noch im Museum zu Salzburg.

B. Die Stangenwaffen. 1. Der Spieſs.
Zeit an der Form wie der Auszierung des Spieſses das peinlichste
Augenmerk zugewendet. Nicht nur die Lanze selbst wurde vom Waffen-
schmied reich mit Ornamenten in Tausia, Niello und Vergoldung
ausgestattet, der Besitzer selber behängte sie auch mit Geflechten und
Quasten aus Yakwolle und Seide. Vorzüglich liebte man Wurfspieſse,
„djerid“ ähnlich auszustatten. In ältester Zeit bildete die Spende
einer Lanze das Zeichen höchster Gunst des Sultans, und immer das
wertvollste Geschenk. Vornehme Araber und Türken trugen an den
Spieſsen goldene Schnüre mit langen Quasten, an welchen in einer
platten Kapsel ein auf kleinen Blättchen geschriebener Koran einge-
schlossen war. (Fig. 373.)

Im 16. Jahrhundert finden wir den Spieſs, teils in neuen Formen,
als vorzüglichste Stoſswaffe in den Landsknechtheeren. Die Taktik
der Landsknechte erforderte eine langschäftige, aber dabei leichte
Waffe, welche dazu bestimmt war, den ersten Stoſs auf den Feind
auszuführen. Für den Nahkampf war das kurze Schwert bestimmt.
Dieser Kampfweise entsprechend erhielt die überwiegend gröſste Menge
der Leute eines Fähnleins den Landsknechtspieſs, die sogenannte
„Pinne“ (korrumpiert aus dem mittelalterlichen pennon). Die Spieſse
der Landsknechte, die man mit den späteren Piken des 17. Jahr-
hunderts nicht verwechseln darf, hatten ein blattförmiges Spieſseisen
mit kurzen Schaftfedern; ihr Schaft von durchschnittlich 4.5 m. Länge,
war in der Mitte stärker als an den Enden. (Fig. 374.)*) Ihre
Formen finden sich in vollster Deutlichkeit auf vielen Blättern der
Zeugbücher Maximilians I. von 1514 wiedergegeben, welche Nic.
Glockendon zugeschrieben werden. Das Vorbild des Landsknecht-
spieſses ist in den Spieſsen der Schweizer zu finden. In den Händen
dieser Truppe war aber seine Form und seine Führung eine andere.
Noch im 15. Jahrh. war er nicht länger als etwas über 3 m. Im Lands-
knechtheere wuchs er zu einer Länge von 4.5—5 m. an und wurde so
geführt, daſs der Mann kaum mehr als einen Meter Schaft hinter sich
hatte. Die Schweizer ergriffen beim Vorrücken den Spieſs mehr in
der Mitte. Die ein höheres Kommando führenden Personen eines
Landsknechtkörpers führten, mehr als Zeichen ihrer Würde, einen
kurzschäftigen, leichten Spieſs mit blattförmigem Eisen. So sehen wir
sie abgebildet in den Holzschnitten von Nicolaus Meldemann, Hans
Guldenmund, David de Necker und Hieronymus Formschneider,
welche uns die Landsknechte um 1529 wiedergeben. Als Zeichen
der Würde führten den leichten Spieſs mit kürzerem, dünnen Schafte
die höchsten Personen. So erscheint Karl V. in dem bekannten Ge-

*) Die in den verschiedenen Waffenmuseen, wie im Musée d’Artillerie in Paris
befindlichen, als Landsknechtspieſse bezeichneten Stangenwaffen sind gemeine Piken
des 17. Jahrhunderts. Wirkliche Landsknechtspieſse sind äuſserst selten. In an-
sehnlicherer Menge finden sie sich noch im Museum zu Salzburg.
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[319/0337] B. Die Stangenwaffen. 1. Der Spieſs. Zeit an der Form wie der Auszierung des Spieſses das peinlichste Augenmerk zugewendet. Nicht nur die Lanze selbst wurde vom Waffen- schmied reich mit Ornamenten in Tausia, Niello und Vergoldung ausgestattet, der Besitzer selber behängte sie auch mit Geflechten und Quasten aus Yakwolle und Seide. Vorzüglich liebte man Wurfspieſse, „djerid“ ähnlich auszustatten. In ältester Zeit bildete die Spende einer Lanze das Zeichen höchster Gunst des Sultans, und immer das wertvollste Geschenk. Vornehme Araber und Türken trugen an den Spieſsen goldene Schnüre mit langen Quasten, an welchen in einer platten Kapsel ein auf kleinen Blättchen geschriebener Koran einge- schlossen war. (Fig. 373.) Im 16. Jahrhundert finden wir den Spieſs, teils in neuen Formen, als vorzüglichste Stoſswaffe in den Landsknechtheeren. Die Taktik der Landsknechte erforderte eine langschäftige, aber dabei leichte Waffe, welche dazu bestimmt war, den ersten Stoſs auf den Feind auszuführen. Für den Nahkampf war das kurze Schwert bestimmt. Dieser Kampfweise entsprechend erhielt die überwiegend gröſste Menge der Leute eines Fähnleins den Landsknechtspieſs, die sogenannte „Pinne“ (korrumpiert aus dem mittelalterlichen pennon). Die Spieſse der Landsknechte, die man mit den späteren Piken des 17. Jahr- hunderts nicht verwechseln darf, hatten ein blattförmiges Spieſseisen mit kurzen Schaftfedern; ihr Schaft von durchschnittlich 4.5 m. Länge, war in der Mitte stärker als an den Enden. (Fig. 374.) *) Ihre Formen finden sich in vollster Deutlichkeit auf vielen Blättern der Zeugbücher Maximilians I. von 1514 wiedergegeben, welche Nic. Glockendon zugeschrieben werden. Das Vorbild des Landsknecht- spieſses ist in den Spieſsen der Schweizer zu finden. In den Händen dieser Truppe war aber seine Form und seine Führung eine andere. Noch im 15. Jahrh. war er nicht länger als etwas über 3 m. Im Lands- knechtheere wuchs er zu einer Länge von 4.5—5 m. an und wurde so geführt, daſs der Mann kaum mehr als einen Meter Schaft hinter sich hatte. Die Schweizer ergriffen beim Vorrücken den Spieſs mehr in der Mitte. Die ein höheres Kommando führenden Personen eines Landsknechtkörpers führten, mehr als Zeichen ihrer Würde, einen kurzschäftigen, leichten Spieſs mit blattförmigem Eisen. So sehen wir sie abgebildet in den Holzschnitten von Nicolaus Meldemann, Hans Guldenmund, David de Necker und Hieronymus Formschneider, welche uns die Landsknechte um 1529 wiedergeben. Als Zeichen der Würde führten den leichten Spieſs mit kürzerem, dünnen Schafte die höchsten Personen. So erscheint Karl V. in dem bekannten Ge- *) Die in den verschiedenen Waffenmuseen, wie im Musée d’Artillerie in Paris befindlichen, als Landsknechtspieſse bezeichneten Stangenwaffen sind gemeine Piken des 17. Jahrhunderts. Wirkliche Landsknechtspieſse sind äuſserst selten. In an- sehnlicherer Menge finden sie sich noch im Museum zu Salzburg.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/337>, abgerufen am 22.11.2024.