Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
gemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Banne erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe, vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheim- nisses, der die Thätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.
Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in voll- kommen neue Bahnen lenkte, war die des Schiesspulvers. Es ist ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden wurde; viel wichtiger muss es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als er- wiesen anzunehmen, dass das Feuer bereits im Altertume als Mittel im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis der Bereitung des "griechischen Feuers" bei der Belagerung Kon- stantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, dass das Schiess- pulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, dass anfänglich nur das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse be- nutzt wurde.
Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schiess- pulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren, in der Verteidigung von Alicante 1331 und von Algesiras 1342, welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente, war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen verwendeten.
Gleich am Beginne fand das Schiesspulver eine umfangreiche Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen, sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen trans- portiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns den Beweis von dem orientalischen Ursprunge der Verwendung des Schiesspulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt des Schiesspulvers zu erhöhen; das führte zu allmählicher Vergrösserung der Geschütze, zur Erzeugung von Monstre-Geschützen, wie solche in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das
Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
gemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Banne erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe, vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheim- nisses, der die Thätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.
Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in voll- kommen neue Bahnen lenkte, war die des Schieſspulvers. Es ist ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden wurde; viel wichtiger muſs es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als er- wiesen anzunehmen, daſs das Feuer bereits im Altertume als Mittel im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis der Bereitung des „griechischen Feuers“ bei der Belagerung Kon- stantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, daſs das Schieſs- pulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, daſs anfänglich nur das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse be- nutzt wurde.
Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schieſs- pulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren, in der Verteidigung von Alicante 1331 und von Algesiras 1342, welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente, war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen verwendeten.
Gleich am Beginne fand das Schieſspulver eine umfangreiche Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen, sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen trans- portiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns den Beweis von dem orientalischen Ursprunge der Verwendung des Schieſspulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt des Schieſspulvers zu erhöhen; das führte zu allmählicher Vergröſserung der Geschütze, zur Erzeugung von Monstre-Geschützen, wie solche in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0031"n="13"/><fwplace="top"type="header">Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.</fw><lb/>
gemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des<lb/>
Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Banne<lb/>
erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe,<lb/>
vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheim-<lb/>
nisses, der die Thätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die<lb/>
zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.</p><lb/><p>Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in voll-<lb/>
kommen neue Bahnen lenkte, war die des Schieſspulvers. Es ist<lb/>
ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden<lb/>
wurde; viel wichtiger muſs es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe<lb/>
begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als er-<lb/>
wiesen anzunehmen, daſs das Feuer bereits im Altertume als Mittel<lb/>
im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis<lb/>
der Bereitung des „griechischen Feuers“ bei der Belagerung Kon-<lb/>
stantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus<lb/>
diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, daſs das Schieſs-<lb/>
pulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und<lb/>
nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, daſs anfänglich nur<lb/>
das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst<lb/>
später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse be-<lb/>
nutzt wurde.</p><lb/><p>Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen<lb/>
erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die<lb/>
Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schieſs-<lb/>
pulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst<lb/>
ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren,<lb/>
in der Verteidigung von Alicante 1331 und von Algesiras 1342,<lb/>
welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein<lb/>
abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente,<lb/>
war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen<lb/>
verwendeten.</p><lb/><p>Gleich am Beginne fand das Schieſspulver eine umfangreiche<lb/>
Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen,<lb/>
sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen trans-<lb/>
portiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren<lb/>
Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie<lb/>
sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns<lb/>
den Beweis von dem orientalischen Ursprunge der Verwendung des<lb/>
Schieſspulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen<lb/>
das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt<lb/>
des Schieſspulvers zu erhöhen; das führte zu allmählicher Vergröſserung<lb/>
der Geschütze, zur Erzeugung von Monstre-Geschützen, wie solche<lb/>
in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu<lb/>
finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in<lb/>
Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[13/0031]
Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
gemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des
Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Banne
erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe,
vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheim-
nisses, der die Thätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die
zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.
Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in voll-
kommen neue Bahnen lenkte, war die des Schieſspulvers. Es ist
ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden
wurde; viel wichtiger muſs es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe
begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als er-
wiesen anzunehmen, daſs das Feuer bereits im Altertume als Mittel
im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis
der Bereitung des „griechischen Feuers“ bei der Belagerung Kon-
stantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus
diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, daſs das Schieſs-
pulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und
nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, daſs anfänglich nur
das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst
später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse be-
nutzt wurde.
Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen
erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die
Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schieſs-
pulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst
ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren,
in der Verteidigung von Alicante 1331 und von Algesiras 1342,
welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein
abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente,
war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen
verwendeten.
Gleich am Beginne fand das Schieſspulver eine umfangreiche
Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen,
sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen trans-
portiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren
Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie
sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns
den Beweis von dem orientalischen Ursprunge der Verwendung des
Schieſspulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen
das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt
des Schieſspulvers zu erhöhen; das führte zu allmählicher Vergröſserung
der Geschütze, zur Erzeugung von Monstre-Geschützen, wie solche
in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu
finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in
Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/31>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.