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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
jene Stecher oder Stossdegen, deren Klingen vollständig unbiegsam
waren, im Gegensatze zur puma, womit eine biegsame Klinge be-
zeichnet wurde. Diese letztere Bezeichnung übertrug sich auch in
die deutsche Sprache, indem man professionelle Degenfechter
Federfechter nannte. In späterer Zeit erhielt das italienische Wort
stocco, wie das französische estoc einen etwas erweiterten Begriff
dadurch, dass er sich nun auf alle Degenformen ausdehnte. Um 1560
wird das Tragen von Degen auch im Fussvolke Sitte. Im ganzen
südlichen Europa wird nun der Degen zur Kavalierswaffe, nebenher
zum unzertrennbaren Begleiter für alle Glücksritter, Abenteurer und
Raufbolde. In dieser Sphäre erhält er eine charakteristische Form
als Raufdegen mit kurzer Handhabe, halbkugelförmigem, durch-
brochenem Blechkorbe und Parierstange. Derlei Sorten kamen in
der Mehrzahl aus Sevilla und Brescia. (Fig. 324.) Beim Fechten
bediente man sich dabei auch des sogenannten Parierdolches der
Linkhand, welcher, in der linken Hand geführt, hauptsächlich zum
Parieren des gegnerischen Ausfalles diente.*) Einen solchen Dolch
werden wir an entsprechender Stelle beschreiben. Aus dem Rauf-
degen entwickelte sich jene erst im spanischen Stiergefechte gebrauchte
Waffe, der sogenannte Matadordegen, mit langer, unbiegsamer
Stecherklinge, kurzem Griff, langer Parierstange und mit rotem Stoff
umwickeltem Griffbügel, der bei dieser Volksbelustigung in ganz gleicher
Form noch heute gebraucht wird.

Abgesehen von diesen besonderen praktischen Verwendungen
wurde der Degen schliesslich ein Zubehör der Hoftracht und verlor
in dieser Eigenschaft allgemach seine Bedeutung als Waffe. Er wird
zum Attribut einer Würde, zu einem äusseren Abzeichen für eine im
Staate hervorragende Rangsklasse und ist in seiner Ausstattung als
Zierstück nur noch vom kunstgeschichtlichen Gesichtspunkte aus zu
würdigen.

Beim Degen des 16. Jahrhunderts mit herabreichendem Faust-
schutzbügel (Fig. 325) besitzt die Angel eine derartige Länge, dass
sie noch bis an das Ende der Bügelringe hervorragt. Dieser sicht-
bare Teil-Ansatz, wird, wie wir schon im Abschnitte "Das Schwert"
bemerkten, dazu verwendet, um die Marken der Meister und die
Zeichen der behördlichen Beschau darauf einzuschlagen. An diesem
Punkte ist somit der Degen bezüglich seiner Herkunft vorerst zu be-
trachten. Die besten Degenklingen kamen in jener Zeit aus Toledo,
Sevilla, Mailand, Serravalle, Brescia
und aus Solingen. Die
behördlichen, sowie die hervorragendsten Marken der Meister werden
wir am Schlusse dieses Werkes zur Kenntnis bringen. Je geringer der
Querschnitt einer Klinge ist, desto mehr Sorgfalt ist bezüglich ihrer

*) In Ermangel[u]ng eines Parierdolches umwickelte der Spanier im Zweikampfe
auch wohl die linke Hand mit dem Mantel und vollführte mit dieser die Paraden.

II. Die Angriffswaffen.
jene Stecher oder Stoſsdegen, deren Klingen vollständig unbiegsam
waren, im Gegensatze zur puma, womit eine biegsame Klinge be-
zeichnet wurde. Diese letztere Bezeichnung übertrug sich auch in
die deutsche Sprache, indem man professionelle Degenfechter
Federfechter nannte. In späterer Zeit erhielt das italienische Wort
stocco, wie das französische estoc einen etwas erweiterten Begriff
dadurch, daſs er sich nun auf alle Degenformen ausdehnte. Um 1560
wird das Tragen von Degen auch im Fuſsvolke Sitte. Im ganzen
südlichen Europa wird nun der Degen zur Kavalierswaffe, nebenher
zum unzertrennbaren Begleiter für alle Glücksritter, Abenteurer und
Raufbolde. In dieser Sphäre erhält er eine charakteristische Form
als Raufdegen mit kurzer Handhabe, halbkugelförmigem, durch-
brochenem Blechkorbe und Parierstange. Derlei Sorten kamen in
der Mehrzahl aus Sevilla und Brescia. (Fig. 324.) Beim Fechten
bediente man sich dabei auch des sogenannten Parierdolches der
Linkhand, welcher, in der linken Hand geführt, hauptsächlich zum
Parieren des gegnerischen Ausfalles diente.*) Einen solchen Dolch
werden wir an entsprechender Stelle beschreiben. Aus dem Rauf-
degen entwickelte sich jene erst im spanischen Stiergefechte gebrauchte
Waffe, der sogenannte Matadordegen, mit langer, unbiegsamer
Stecherklinge, kurzem Griff, langer Parierstange und mit rotem Stoff
umwickeltem Griffbügel, der bei dieser Volksbelustigung in ganz gleicher
Form noch heute gebraucht wird.

Abgesehen von diesen besonderen praktischen Verwendungen
wurde der Degen schlieſslich ein Zubehör der Hoftracht und verlor
in dieser Eigenschaft allgemach seine Bedeutung als Waffe. Er wird
zum Attribut einer Würde, zu einem äuſseren Abzeichen für eine im
Staate hervorragende Rangsklasse und ist in seiner Ausstattung als
Zierstück nur noch vom kunstgeschichtlichen Gesichtspunkte aus zu
würdigen.

Beim Degen des 16. Jahrhunderts mit herabreichendem Faust-
schutzbügel (Fig. 325) besitzt die Angel eine derartige Länge, daſs
sie noch bis an das Ende der Bügelringe hervorragt. Dieser sicht-
bare Teil-Ansatz, wird, wie wir schon im Abschnitte „Das Schwert“
bemerkten, dazu verwendet, um die Marken der Meister und die
Zeichen der behördlichen Beschau darauf einzuschlagen. An diesem
Punkte ist somit der Degen bezüglich seiner Herkunft vorerst zu be-
trachten. Die besten Degenklingen kamen in jener Zeit aus Toledo,
Sevilla, Mailand, Serravalle, Brescia
und aus Solingen. Die
behördlichen, sowie die hervorragendsten Marken der Meister werden
wir am Schlusse dieses Werkes zur Kenntnis bringen. Je geringer der
Querschnitt einer Klinge ist, desto mehr Sorgfalt ist bezüglich ihrer

*) In Ermangel[u]ng eines Parierdolches umwickelte der Spanier im Zweikampfe
auch wohl die linke Hand mit dem Mantel und vollführte mit dieser die Paraden.
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[286/0304] II. Die Angriffswaffen. jene Stecher oder Stoſsdegen, deren Klingen vollständig unbiegsam waren, im Gegensatze zur puma, womit eine biegsame Klinge be- zeichnet wurde. Diese letztere Bezeichnung übertrug sich auch in die deutsche Sprache, indem man professionelle Degenfechter Federfechter nannte. In späterer Zeit erhielt das italienische Wort stocco, wie das französische estoc einen etwas erweiterten Begriff dadurch, daſs er sich nun auf alle Degenformen ausdehnte. Um 1560 wird das Tragen von Degen auch im Fuſsvolke Sitte. Im ganzen südlichen Europa wird nun der Degen zur Kavalierswaffe, nebenher zum unzertrennbaren Begleiter für alle Glücksritter, Abenteurer und Raufbolde. In dieser Sphäre erhält er eine charakteristische Form als Raufdegen mit kurzer Handhabe, halbkugelförmigem, durch- brochenem Blechkorbe und Parierstange. Derlei Sorten kamen in der Mehrzahl aus Sevilla und Brescia. (Fig. 324.) Beim Fechten bediente man sich dabei auch des sogenannten Parierdolches der Linkhand, welcher, in der linken Hand geführt, hauptsächlich zum Parieren des gegnerischen Ausfalles diente. *) Einen solchen Dolch werden wir an entsprechender Stelle beschreiben. Aus dem Rauf- degen entwickelte sich jene erst im spanischen Stiergefechte gebrauchte Waffe, der sogenannte Matadordegen, mit langer, unbiegsamer Stecherklinge, kurzem Griff, langer Parierstange und mit rotem Stoff umwickeltem Griffbügel, der bei dieser Volksbelustigung in ganz gleicher Form noch heute gebraucht wird. Abgesehen von diesen besonderen praktischen Verwendungen wurde der Degen schlieſslich ein Zubehör der Hoftracht und verlor in dieser Eigenschaft allgemach seine Bedeutung als Waffe. Er wird zum Attribut einer Würde, zu einem äuſseren Abzeichen für eine im Staate hervorragende Rangsklasse und ist in seiner Ausstattung als Zierstück nur noch vom kunstgeschichtlichen Gesichtspunkte aus zu würdigen. Beim Degen des 16. Jahrhunderts mit herabreichendem Faust- schutzbügel (Fig. 325) besitzt die Angel eine derartige Länge, daſs sie noch bis an das Ende der Bügelringe hervorragt. Dieser sicht- bare Teil-Ansatz, wird, wie wir schon im Abschnitte „Das Schwert“ bemerkten, dazu verwendet, um die Marken der Meister und die Zeichen der behördlichen Beschau darauf einzuschlagen. An diesem Punkte ist somit der Degen bezüglich seiner Herkunft vorerst zu be- trachten. Die besten Degenklingen kamen in jener Zeit aus Toledo, Sevilla, Mailand, Serravalle, Brescia und aus Solingen. Die behördlichen, sowie die hervorragendsten Marken der Meister werden wir am Schlusse dieses Werkes zur Kenntnis bringen. Je geringer der Querschnitt einer Klinge ist, desto mehr Sorgfalt ist bezüglich ihrer *) In Ermangelung eines Parierdolches umwickelte der Spanier im Zweikampfe auch wohl die linke Hand mit dem Mantel und vollführte mit dieser die Paraden.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/304>, abgerufen am 25.11.2024.