Verwendung bleiben konnte; für diese ausnahmsweisen Fälle des Nahkampfes (Handgemenges) führten Italiener und Franzosen kurze Schwerter mit zuweilen säbelförmigen Klingen, die Schweizer schwere Hiebmesser oder "kurze Wehren", sogenannte "Schweizerdegen." In den Landsknechtheeren hatte sich am Beginne des 16. Jahr- hunderts für diese Waffe eine besondere Form das "Landsknecht- schwert" herausgebildet. Dasselbe besass einen kurzen Handgriff mit fächerförmig ausgebreitetem Knaufe, die langen Parierstangen waren horizontal S-förmig gebogen und mit kleinen Knäufen besetzt. Zuweilen setzt sich an diese ein Griffbügel an. Die breiten, nur etwa 50 bis 54 cm. langen Klingen waren meist abgestumpft, die Leder- scheiden trifft man nicht selten mit Besteckscheiden ausgestattet. (Fig. 299.) Der Landsknecht führte dieses Schwert in der Magen- gegend in einem Gürtel, an welchem rückwärts an der rechten Seite der Dolch befestigt wurde. Um 1570 verändert sich die Form der Griffe des Landsknechtschwertes. Ungefähr von 1590 an vervielfältigen sich die Schwertformen im kaiserlichen Heere unter dem italienischen Einflusse, die Klingen werden länger, die Griffe erhalten Körbe aus durchbrochenem Blech. Eine Schwertform, welche in dem meist aus dalmatinischen Slawen gebildeten venezianischen Fussvolke, den schiavoni, auftritt und darum auch "schiavona" genannt wurde, gelangt durch den Handel aus Brescia und Seravalle um 1580 zu einer ungemeinen Verbreitung in anderen Heeren. Mit längeren Klingen versehen, wird die Schiavona auch bei der Reiterei und unter Ferdinand II. selbst bei den Kürassieren eingeführt. (Fig. 299.)
In den Landsknechtregimentern begegnen wir einer charakte- ristischen Waffe, dem Zweihänder oder Bidenhander, Schlacht- schwert, welche, von ungemeiner Grösse und Schwere, in der Hand eines Fusssoldaten eine nicht unbedeutende Gewandtheit zu ihrer Führung voraussetzte. Das Schlachtschwert als Waffe des Fussknech- tes hatte seinen Ursprung bei den Schweizern gefunden, welche sich desselben in ihren Kriegen im 14. Jahrhundert bedienten. Sie ver- standen es, sich mit demselben derart in Respekt zu setzen, dass man, um ebenbürtig zu erscheinen, dasselbe auch in anderen Ländern einführte. Die ältesten dieser riesigen Schwerter -- Meyrick setzt ihr erstes Auftreten um das Ende der Regierung Heinrichs V., also um 1420, -- gehören noch dem 15. Jahrhundert an. In den Regimen- tern der Landsknechte erhalten sie eine typische Form. Die ein oder zweimal gekerbten Griffe haben eine Länge von durchschnitt- lich 120 cm. Die Parierstangen von Eisen, zuweilen hübsch aus- geschmückt, sind an den Enden schneckenförmig abgebogen und besitzen beiderseits starke, einfache Faustbügel, nicht selten auch Stich- blätter dazwischen. Die älteren haben noch keine Parierhaken, jene seitlich ausladenden hakenförmigen Ansätze, welche zum Auffangen der Hiebe dienten. Zweihänder wurden selten oder nie mit Scheiden
A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
Verwendung bleiben konnte; für diese ausnahmsweisen Fälle des Nahkampfes (Handgemenges) führten Italiener und Franzosen kurze Schwerter mit zuweilen säbelförmigen Klingen, die Schweizer schwere Hiebmesser oder „kurze Wehren“, sogenannte „Schweizerdegen.“ In den Landsknechtheeren hatte sich am Beginne des 16. Jahr- hunderts für diese Waffe eine besondere Form das „Landsknecht- schwert“ herausgebildet. Dasselbe besaſs einen kurzen Handgriff mit fächerförmig ausgebreitetem Knaufe, die langen Parierstangen waren horizontal S-förmig gebogen und mit kleinen Knäufen besetzt. Zuweilen setzt sich an diese ein Griffbügel an. Die breiten, nur etwa 50 bis 54 cm. langen Klingen waren meist abgestumpft, die Leder- scheiden trifft man nicht selten mit Besteckscheiden ausgestattet. (Fig. 299.) Der Landsknecht führte dieses Schwert in der Magen- gegend in einem Gürtel, an welchem rückwärts an der rechten Seite der Dolch befestigt wurde. Um 1570 verändert sich die Form der Griffe des Landsknechtschwertes. Ungefähr von 1590 an vervielfältigen sich die Schwertformen im kaiserlichen Heere unter dem italienischen Einflusse, die Klingen werden länger, die Griffe erhalten Körbe aus durchbrochenem Blech. Eine Schwertform, welche in dem meist aus dalmatinischen Slawen gebildeten venezianischen Fuſsvolke, den schiavoni, auftritt und darum auch „schiavona“ genannt wurde, gelangt durch den Handel aus Brescia und Seravalle um 1580 zu einer ungemeinen Verbreitung in anderen Heeren. Mit längeren Klingen versehen, wird die Schiavona auch bei der Reiterei und unter Ferdinand II. selbst bei den Kürassieren eingeführt. (Fig. 299.)
In den Landsknechtregimentern begegnen wir einer charakte- ristischen Waffe, dem Zweihänder oder Bidenhander, Schlacht- schwert, welche, von ungemeiner Gröſse und Schwere, in der Hand eines Fuſssoldaten eine nicht unbedeutende Gewandtheit zu ihrer Führung voraussetzte. Das Schlachtschwert als Waffe des Fuſsknech- tes hatte seinen Ursprung bei den Schweizern gefunden, welche sich desselben in ihren Kriegen im 14. Jahrhundert bedienten. Sie ver- standen es, sich mit demselben derart in Respekt zu setzen, daſs man, um ebenbürtig zu erscheinen, dasselbe auch in anderen Ländern einführte. Die ältesten dieser riesigen Schwerter — Meyrick setzt ihr erstes Auftreten um das Ende der Regierung Heinrichs V., also um 1420, — gehören noch dem 15. Jahrhundert an. In den Regimen- tern der Landsknechte erhalten sie eine typische Form. Die ein oder zweimal gekerbten Griffe haben eine Länge von durchschnitt- lich 120 cm. Die Parierstangen von Eisen, zuweilen hübsch aus- geschmückt, sind an den Enden schneckenförmig abgebogen und besitzen beiderseits starke, einfache Faustbügel, nicht selten auch Stich- blätter dazwischen. Die älteren haben noch keine Parierhaken, jene seitlich ausladenden hakenförmigen Ansätze, welche zum Auffangen der Hiebe dienten. Zweihänder wurden selten oder nie mit Scheiden
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A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
Verwendung bleiben konnte; für diese ausnahmsweisen Fälle des
Nahkampfes (Handgemenges) führten Italiener und Franzosen kurze
Schwerter mit zuweilen säbelförmigen Klingen, die Schweizer schwere
Hiebmesser oder „kurze Wehren“, sogenannte „Schweizerdegen.“
In den Landsknechtheeren hatte sich am Beginne des 16. Jahr-
hunderts für diese Waffe eine besondere Form das „Landsknecht-
schwert“ herausgebildet. Dasselbe besaſs einen kurzen Handgriff
mit fächerförmig ausgebreitetem Knaufe, die langen Parierstangen
waren horizontal S-förmig gebogen und mit kleinen Knäufen besetzt.
Zuweilen setzt sich an diese ein Griffbügel an. Die breiten, nur etwa
50 bis 54 cm. langen Klingen waren meist abgestumpft, die Leder-
scheiden trifft man nicht selten mit Besteckscheiden ausgestattet.
(Fig. 299.) Der Landsknecht führte dieses Schwert in der Magen-
gegend in einem Gürtel, an welchem rückwärts an der rechten Seite
der Dolch befestigt wurde. Um 1570 verändert sich die Form der
Griffe des Landsknechtschwertes. Ungefähr von 1590 an vervielfältigen
sich die Schwertformen im kaiserlichen Heere unter dem italienischen
Einflusse, die Klingen werden länger, die Griffe erhalten Körbe aus
durchbrochenem Blech. Eine Schwertform, welche in dem meist aus
dalmatinischen Slawen gebildeten venezianischen Fuſsvolke, den
schiavoni, auftritt und darum auch „schiavona“ genannt wurde,
gelangt durch den Handel aus Brescia und Seravalle um 1580
zu einer ungemeinen Verbreitung in anderen Heeren. Mit längeren
Klingen versehen, wird die Schiavona auch bei der Reiterei und unter
Ferdinand II. selbst bei den Kürassieren eingeführt. (Fig. 299.)
In den Landsknechtregimentern begegnen wir einer charakte-
ristischen Waffe, dem Zweihänder oder Bidenhander, Schlacht-
schwert, welche, von ungemeiner Gröſse und Schwere, in der Hand
eines Fuſssoldaten eine nicht unbedeutende Gewandtheit zu ihrer
Führung voraussetzte. Das Schlachtschwert als Waffe des Fuſsknech-
tes hatte seinen Ursprung bei den Schweizern gefunden, welche sich
desselben in ihren Kriegen im 14. Jahrhundert bedienten. Sie ver-
standen es, sich mit demselben derart in Respekt zu setzen, daſs
man, um ebenbürtig zu erscheinen, dasselbe auch in anderen Ländern
einführte. Die ältesten dieser riesigen Schwerter — Meyrick setzt ihr
erstes Auftreten um das Ende der Regierung Heinrichs V., also um
1420, — gehören noch dem 15. Jahrhundert an. In den Regimen-
tern der Landsknechte erhalten sie eine typische Form. Die ein
oder zweimal gekerbten Griffe haben eine Länge von durchschnitt-
lich 120 cm. Die Parierstangen von Eisen, zuweilen hübsch aus-
geschmückt, sind an den Enden schneckenförmig abgebogen und
besitzen beiderseits starke, einfache Faustbügel, nicht selten auch Stich-
blätter dazwischen. Die älteren haben noch keine Parierhaken, jene
seitlich ausladenden hakenförmigen Ansätze, welche zum Auffangen
der Hiebe dienten. Zweihänder wurden selten oder nie mit Scheiden
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/279>, abgerufen am 16.02.2025.
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