Die Abbildungen und Funde belehren uns, dass die älteste Art der Zäumung jene mit der Trense gewesen ist. Dieselbe hatte ziemlich die Form unseres heutigen Wischzaumes, nur erscheint das gebrochene Gebiss viel schärfer und nicht selten spiralförmig gedreht. So waren die Pferde der Steppe gezäumt, welche die barbarischen Krieger aus dem fernen Osten im 5. und 6. Jahrhundert nach Europa trugen. Das Kopfgestell mit den Zügelriemen war dabei das denkbar einfachste und bestand aus ungegerbtem Leder. In den Miniaturen des psalterium aureum des Klosters St. Gallen aus Karolinger-Zeit erscheinen die dargestellten Pferde nur mit der Trense gezäumt. (Fig. 205.) Aber schon um 1050 erschien diese Zäumung für die weit ungebärdigeren Pferde der anglo-normanischen und der nord-
[Abbildung]
Fig. 205.
Zäumung eines Pferdes mit der Trense. Aus dem Psalterium aureum von St. Gallen. 9. Jahrhundert.
[Abbildung]
Fig. 206.
Zäumung eines Pferdes aus dem Teppich von Bayeux. 11. Jahrhundert, Ende.
germanischen Rassen nicht genügend und die Verwendung einer Art Stange (Kandare, branche) erforderlich, welche hebelartig auf die Kinn- lage wirkte, jedoch, wie es scheint, ohne Beigabe einer Kinnkette. (Fig. 206.)
In Siegeln von ungefähr 1300 erscheinen die Stangenbäume unter- halb mittelst einer Spange verbunden und auch bereits mit Zügel- ringen ausgestattet. Bis ins 12. Jahrhundert waren die Schilde noch verhältnismässig leicht, so dass der Reiter den Schild halten und die Zügel regieren konnte. So finden wir noch bei den Normanen in dem Teppich zu Bayeux Schild und Zügel frei in der Hand gehalten. (Fig. 207) Später wurde der Schild an den Hals mittelst eines Riemens gehängt, wodurch die Zügelhand entlastet wurde. Im 12. und 13. Jahrhundert waren die Zügelriemen mittelst eines Ringes ver-
Boeheim, Waffenkunde. 13
10. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
Die Abbildungen und Funde belehren uns, daſs die älteste Art der Zäumung jene mit der Trense gewesen ist. Dieselbe hatte ziemlich die Form unseres heutigen Wischzaumes, nur erscheint das gebrochene Gebiſs viel schärfer und nicht selten spiralförmig gedreht. So waren die Pferde der Steppe gezäumt, welche die barbarischen Krieger aus dem fernen Osten im 5. und 6. Jahrhundert nach Europa trugen. Das Kopfgestell mit den Zügelriemen war dabei das denkbar einfachste und bestand aus ungegerbtem Leder. In den Miniaturen des psalterium aureum des Klosters St. Gallen aus Karolinger-Zeit erscheinen die dargestellten Pferde nur mit der Trense gezäumt. (Fig. 205.) Aber schon um 1050 erschien diese Zäumung für die weit ungebärdigeren Pferde der anglo-normanischen und der nord-
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Fig. 205.
Zäumung eines Pferdes mit der Trense. Aus dem Psalterium aureum von St. Gallen. 9. Jahrhundert.
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Fig. 206.
Zäumung eines Pferdes aus dem Teppich von Bayeux. 11. Jahrhundert, Ende.
germanischen Rassen nicht genügend und die Verwendung einer Art Stange (Kandare, branche) erforderlich, welche hebelartig auf die Kinn- lage wirkte, jedoch, wie es scheint, ohne Beigabe einer Kinnkette. (Fig. 206.)
In Siegeln von ungefähr 1300 erscheinen die Stangenbäume unter- halb mittelst einer Spange verbunden und auch bereits mit Zügel- ringen ausgestattet. Bis ins 12. Jahrhundert waren die Schilde noch verhältnismäſsig leicht, so daſs der Reiter den Schild halten und die Zügel regieren konnte. So finden wir noch bei den Normanen in dem Teppich zu Bayeux Schild und Zügel frei in der Hand gehalten. (Fig. 207) Später wurde der Schild an den Hals mittelst eines Riemens gehängt, wodurch die Zügelhand entlastet wurde. Im 12. und 13. Jahrhundert waren die Zügelriemen mittelst eines Ringes ver-
Boeheim, Waffenkunde. 13
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[[193]/0211]
10. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
Die Abbildungen und Funde belehren uns, daſs die älteste Art
der Zäumung jene mit der Trense gewesen ist. Dieselbe hatte
ziemlich die Form unseres heutigen Wischzaumes, nur erscheint das
gebrochene Gebiſs viel schärfer und nicht selten spiralförmig gedreht.
So waren die Pferde der Steppe gezäumt, welche die barbarischen
Krieger aus dem fernen Osten im 5. und 6. Jahrhundert nach Europa
trugen. Das Kopfgestell mit den Zügelriemen war dabei das denkbar
einfachste und bestand aus ungegerbtem Leder. In den Miniaturen
des psalterium aureum des Klosters St. Gallen aus Karolinger-Zeit
erscheinen die dargestellten Pferde nur mit der Trense gezäumt.
(Fig. 205.) Aber schon um 1050 erschien diese Zäumung für die
weit ungebärdigeren Pferde der anglo-normanischen und der nord-
[Abbildung Fig. 205. Zäumung eines Pferdes mit der Trense. Aus
dem Psalterium aureum von St. Gallen. 9. Jahrhundert.]
[Abbildung Fig. 206. Zäumung eines Pferdes aus dem Teppich von
Bayeux. 11. Jahrhundert, Ende.]
germanischen Rassen nicht genügend und die Verwendung einer Art
Stange (Kandare, branche) erforderlich, welche hebelartig auf die Kinn-
lage wirkte, jedoch, wie es scheint, ohne Beigabe einer Kinnkette.
(Fig. 206.)
In Siegeln von ungefähr 1300 erscheinen die Stangenbäume unter-
halb mittelst einer Spange verbunden und auch bereits mit Zügel-
ringen ausgestattet. Bis ins 12. Jahrhundert waren die Schilde noch
verhältnismäſsig leicht, so daſs der Reiter den Schild halten und die
Zügel regieren konnte. So finden wir noch bei den Normanen in
dem Teppich zu Bayeux Schild und Zügel frei in der Hand gehalten.
(Fig. 207) Später wurde der Schild an den Hals mittelst eines
Riemens gehängt, wodurch die Zügelhand entlastet wurde. Im 12. und
13. Jahrhundert waren die Zügelriemen mittelst eines Ringes ver-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [193]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/211>, abgerufen am 26.11.2024.
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