liche Zufall, dass sie auf ihrem Zuge gegen Rom auch Länder be- rührten, in welchen seit langem autochthone Bevölkerungen das Eisen aus den Bergen gewannen und zu Waffen verarbeiteten. Jene süd- germanischen Völkerschaften, welche vom Beginne der Kaiserzeit an mehr oder weniger mit dem römischen Reiche in Beziehungen ge- standen waren, hatten allgemach römischer Fechtweise sich anbequemt, und wir sehen auch aus ihren von den Römern entlehnten erst die den nationalen Eigenschaften entsprechenden germanischen Waffen- formen erstehen. Der Weg, auf welchem die Germanen des Westens römische Art und Sitte an sich zogen, ging über Mailand, die Alpen durchschneidend, an den Rhein. In Iberien hatten die Westgoten eine uralte, von den Römern gegründete Eisenindustrie vorgefunden und im eigenen Interesse geschont. Sie versah mit ihren Erzeugnissen bis ins 8. Jahrhundert allein das ganze fränkische Reich bis an die Maas.
Desungeachtet waren die Schilde noch zur Zeit Karls des Grossen, wie uns das Schachspiel aus dem Schatze von Saint-Denis aus jener Zeit erkennen lässt, nicht allgemein von dem widerstands- fähigsten Materiale, dem Eisen, sondern noch zum grössten Teile aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenbändern verstärkt. Der Reiter führte einen leichten, hölzernen, runden oder unten kolbig zu- gespitzten Schild, mit eisernen Spangen und Nägeln verstärkt, bei Rundschilden war in der Mitte ein buckelförmiges Beschläge, der Schildnabel, aufgenietet. Getragen wurde derselbe am linken Arme an einem breiten Riemen (Schildfessel), ein zweiter diente, um selben an der Hand zu fassen. Der zu Fuss kämpfende Mann trug einen grossen, mandelförmigen, etwas über 1 Meter hohen, stark gewölbten Holzschild, der an den Rändern und in der Mitte kreuzweise mit Eisenbändern verstärkt und in den dadurch gebildeten Rauten mit starken Nägeln besetzt war. Er wurde im Gefechte mit der Spitze auf den Boden gestützt, und es scheint schon im 9. Jahrhundert der Gebrauch aufgekommen zu sein, die hohen Schilde knapp an- einander zu reihen und so eine feste Wand zu bilden, hinter welcher die Bogenschützen gedeckt sich postieren konnten. Wie man die langen, zugespitzten, der Dreiecksform sich nähernden Schilde als den germanischen Völkern eigentümlich erklären kann, ebenso sind die runden und ovalen Schilde hauptsächlich in den Heeren des Südens und Südostens Europas zu finden. Ja in Byzanz treffen wir die Rundschilde im 8. Jahrhundert in so kleinen Dimensionen, dass sie nahezu den Faustschilden anzureihen sind, die im Kampfe gegen die blanke Waffe den Vorteil boten, dass sie sich zum Parieren eigneten.
Die ältesten Abbildungen von Schildformen des Mittelalters finden sich in einem Virgil in der Bibliothek des Vatikans, der dem 5. Jahrhundert angehört. Sie erscheinen dort als Rundschilde mit stumpf kegelförmigen Stacheln.
I. Die Schutzwaffen.
liche Zufall, daſs sie auf ihrem Zuge gegen Rom auch Länder be- rührten, in welchen seit langem autochthone Bevölkerungen das Eisen aus den Bergen gewannen und zu Waffen verarbeiteten. Jene süd- germanischen Völkerschaften, welche vom Beginne der Kaiserzeit an mehr oder weniger mit dem römischen Reiche in Beziehungen ge- standen waren, hatten allgemach römischer Fechtweise sich anbequemt, und wir sehen auch aus ihren von den Römern entlehnten erst die den nationalen Eigenschaften entsprechenden germanischen Waffen- formen erstehen. Der Weg, auf welchem die Germanen des Westens römische Art und Sitte an sich zogen, ging über Mailand, die Alpen durchschneidend, an den Rhein. In Iberien hatten die Westgoten eine uralte, von den Römern gegründete Eisenindustrie vorgefunden und im eigenen Interesse geschont. Sie versah mit ihren Erzeugnissen bis ins 8. Jahrhundert allein das ganze fränkische Reich bis an die Maas.
Desungeachtet waren die Schilde noch zur Zeit Karls des Groſsen, wie uns das Schachspiel aus dem Schatze von Saint-Denis aus jener Zeit erkennen läſst, nicht allgemein von dem widerstands- fähigsten Materiale, dem Eisen, sondern noch zum gröſsten Teile aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenbändern verstärkt. Der Reiter führte einen leichten, hölzernen, runden oder unten kolbig zu- gespitzten Schild, mit eisernen Spangen und Nägeln verstärkt, bei Rundschilden war in der Mitte ein buckelförmiges Beschläge, der Schildnabel, aufgenietet. Getragen wurde derselbe am linken Arme an einem breiten Riemen (Schildfessel), ein zweiter diente, um selben an der Hand zu fassen. Der zu Fuſs kämpfende Mann trug einen groſsen, mandelförmigen, etwas über 1 Meter hohen, stark gewölbten Holzschild, der an den Rändern und in der Mitte kreuzweise mit Eisenbändern verstärkt und in den dadurch gebildeten Rauten mit starken Nägeln besetzt war. Er wurde im Gefechte mit der Spitze auf den Boden gestützt, und es scheint schon im 9. Jahrhundert der Gebrauch aufgekommen zu sein, die hohen Schilde knapp an- einander zu reihen und so eine feste Wand zu bilden, hinter welcher die Bogenschützen gedeckt sich postieren konnten. Wie man die langen, zugespitzten, der Dreiecksform sich nähernden Schilde als den germanischen Völkern eigentümlich erklären kann, ebenso sind die runden und ovalen Schilde hauptsächlich in den Heeren des Südens und Südostens Europas zu finden. Ja in Byzanz treffen wir die Rundschilde im 8. Jahrhundert in so kleinen Dimensionen, daſs sie nahezu den Faustschilden anzureihen sind, die im Kampfe gegen die blanke Waffe den Vorteil boten, daſs sie sich zum Parieren eigneten.
Die ältesten Abbildungen von Schildformen des Mittelalters finden sich in einem Virgil in der Bibliothek des Vatikans, der dem 5. Jahrhundert angehört. Sie erscheinen dort als Rundschilde mit stumpf kegelförmigen Stacheln.
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I. Die Schutzwaffen.
liche Zufall, daſs sie auf ihrem Zuge gegen Rom auch Länder be-
rührten, in welchen seit langem autochthone Bevölkerungen das Eisen
aus den Bergen gewannen und zu Waffen verarbeiteten. Jene süd-
germanischen Völkerschaften, welche vom Beginne der Kaiserzeit an
mehr oder weniger mit dem römischen Reiche in Beziehungen ge-
standen waren, hatten allgemach römischer Fechtweise sich anbequemt,
und wir sehen auch aus ihren von den Römern entlehnten erst die
den nationalen Eigenschaften entsprechenden germanischen Waffen-
formen erstehen. Der Weg, auf welchem die Germanen des Westens
römische Art und Sitte an sich zogen, ging über Mailand, die Alpen
durchschneidend, an den Rhein. In Iberien hatten die Westgoten
eine uralte, von den Römern gegründete Eisenindustrie vorgefunden
und im eigenen Interesse geschont. Sie versah mit ihren Erzeugnissen
bis ins 8. Jahrhundert allein das ganze fränkische Reich bis an die
Maas.
Desungeachtet waren die Schilde noch zur Zeit Karls des
Groſsen, wie uns das Schachspiel aus dem Schatze von Saint-Denis
aus jener Zeit erkennen läſst, nicht allgemein von dem widerstands-
fähigsten Materiale, dem Eisen, sondern noch zum gröſsten Teile aus
Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenbändern verstärkt. Der
Reiter führte einen leichten, hölzernen, runden oder unten kolbig zu-
gespitzten Schild, mit eisernen Spangen und Nägeln verstärkt, bei
Rundschilden war in der Mitte ein buckelförmiges Beschläge, der
Schildnabel, aufgenietet. Getragen wurde derselbe am linken Arme
an einem breiten Riemen (Schildfessel), ein zweiter diente, um selben
an der Hand zu fassen. Der zu Fuſs kämpfende Mann trug einen
groſsen, mandelförmigen, etwas über 1 Meter hohen, stark gewölbten
Holzschild, der an den Rändern und in der Mitte kreuzweise mit
Eisenbändern verstärkt und in den dadurch gebildeten Rauten mit
starken Nägeln besetzt war. Er wurde im Gefechte mit der Spitze
auf den Boden gestützt, und es scheint schon im 9. Jahrhundert
der Gebrauch aufgekommen zu sein, die hohen Schilde knapp an-
einander zu reihen und so eine feste Wand zu bilden, hinter welcher
die Bogenschützen gedeckt sich postieren konnten. Wie man die
langen, zugespitzten, der Dreiecksform sich nähernden Schilde als den
germanischen Völkern eigentümlich erklären kann, ebenso sind die
runden und ovalen Schilde hauptsächlich in den Heeren des Südens
und Südostens Europas zu finden. Ja in Byzanz treffen wir die
Rundschilde im 8. Jahrhundert in so kleinen Dimensionen, daſs sie
nahezu den Faustschilden anzureihen sind, die im Kampfe gegen
die blanke Waffe den Vorteil boten, daſs sie sich zum Parieren eigneten.
Die ältesten Abbildungen von Schildformen des Mittelalters
finden sich in einem Virgil in der Bibliothek des Vatikans, der dem
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/188>, abgerufen am 27.11.2024.
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