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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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oder die Bekehrung.
schwätze in seinen Schriften vor so viel tausend
Männern erkannt, und daß sie die Redlichkeit ge-
habt hatte, ihm solches zu offenbaren: Er bat sie
hundertmahl um Verzeihung, daß er ihr deßwe-
gen so unfreundlich begegnet wäre. Jn zweyen
einzigen Stücken seines critischen Lebenslaufes war
er noch mit sich selbst zufrieden, nämlich, daß er
die Hand nicht an des Aristoteles Poetik, und an
Opitzens Gedichte geleget hatte; dadurch, sagte
er, hätte sich das Maaß seiner poetischen Vergreif-
fungen nothwendig um ein grosses vermehren müs-
sen. Damit er auch den Wissenschaften den Nu-
zen, und den Schriften die Ehre brächte, welche
sie von einem Menschen von so geringen Gaben
haben konnten, lernete er das Buchbinder-Hand-
werck. Er band recht gründlich und mit einem
feinen Geschmack. Doch nahm er keine andere
Wercke an, als welche beförderlich waren, seine
Schriften der Vergessenheit zu empfehlen. Man
sagt, daß er allein in einem Jahre hundert Stücke
von dem verlohrnen Paradiese in Franzband ein-
gekleidet hätte. Sonst that ihm seine Frau in die-
ser neuen Profession eben so gute Dienste, als sie
ihm ehmahls bey dem Bücherschreiben gethan hatte.
Nach dieser Zeit unterbrach keine satyrische Geissel
des Tages, und keine Erscheinung des Nachtes
seine Ruhe. Der Schlaf sendete ihm lauter an-
genehme und vergnügte Träume.

Die Bekehrung des Strukaras zog die Zerstreu-
ung und den Untergang seiner Sekte nach sich. Ein
Theil derselben entwich nach Waldheim, wo sie
sich vor den Lectionen der Critik und der Zuchtru-

the
[Crit. Samml. XII. St.] F

oder die Bekehrung.
ſchwaͤtze in ſeinen Schriften vor ſo viel tauſend
Maͤnnern erkannt, und daß ſie die Redlichkeit ge-
habt hatte, ihm ſolches zu offenbaren: Er bat ſie
hundertmahl um Verzeihung, daß er ihr deßwe-
gen ſo unfreundlich begegnet waͤre. Jn zweyen
einzigen Stuͤcken ſeines critiſchen Lebenslaufes war
er noch mit ſich ſelbſt zufrieden, naͤmlich, daß er
die Hand nicht an des Ariſtoteles Poetik, und an
Opitzens Gedichte geleget hatte; dadurch, ſagte
er, haͤtte ſich das Maaß ſeiner poetiſchen Vergreif-
fungen nothwendig um ein groſſes vermehren muͤſ-
ſen. Damit er auch den Wiſſenſchaften den Nu-
zen, und den Schriften die Ehre braͤchte, welche
ſie von einem Menſchen von ſo geringen Gaben
haben konnten, lernete er das Buchbinder-Hand-
werck. Er band recht gruͤndlich und mit einem
feinen Geſchmack. Doch nahm er keine andere
Wercke an, als welche befoͤrderlich waren, ſeine
Schriften der Vergeſſenheit zu empfehlen. Man
ſagt, daß er allein in einem Jahre hundert Stuͤcke
von dem verlohrnen Paradieſe in Franzband ein-
gekleidet haͤtte. Sonſt that ihm ſeine Frau in die-
ſer neuen Profeſſion eben ſo gute Dienſte, als ſie
ihm ehmahls bey dem Buͤcherſchreiben gethan hatte.
Nach dieſer Zeit unterbrach keine ſatyriſche Geiſſel
des Tages, und keine Erſcheinung des Nachtes
ſeine Ruhe. Der Schlaf ſendete ihm lauter an-
genehme und vergnuͤgte Traͤume.

Die Bekehrung des Strukaras zog die Zerſtreu-
ung und den Untergang ſeiner Sekte nach ſich. Ein
Theil derſelben entwich nach Waldheim, wo ſie
ſich vor den Lectionen der Critik und der Zuchtru-

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[Crit. Sam̃l. XII. St.] F
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[81/0083] oder die Bekehrung. ſchwaͤtze in ſeinen Schriften vor ſo viel tauſend Maͤnnern erkannt, und daß ſie die Redlichkeit ge- habt hatte, ihm ſolches zu offenbaren: Er bat ſie hundertmahl um Verzeihung, daß er ihr deßwe- gen ſo unfreundlich begegnet waͤre. Jn zweyen einzigen Stuͤcken ſeines critiſchen Lebenslaufes war er noch mit ſich ſelbſt zufrieden, naͤmlich, daß er die Hand nicht an des Ariſtoteles Poetik, und an Opitzens Gedichte geleget hatte; dadurch, ſagte er, haͤtte ſich das Maaß ſeiner poetiſchen Vergreif- fungen nothwendig um ein groſſes vermehren muͤſ- ſen. Damit er auch den Wiſſenſchaften den Nu- zen, und den Schriften die Ehre braͤchte, welche ſie von einem Menſchen von ſo geringen Gaben haben konnten, lernete er das Buchbinder-Hand- werck. Er band recht gruͤndlich und mit einem feinen Geſchmack. Doch nahm er keine andere Wercke an, als welche befoͤrderlich waren, ſeine Schriften der Vergeſſenheit zu empfehlen. Man ſagt, daß er allein in einem Jahre hundert Stuͤcke von dem verlohrnen Paradieſe in Franzband ein- gekleidet haͤtte. Sonſt that ihm ſeine Frau in die- ſer neuen Profeſſion eben ſo gute Dienſte, als ſie ihm ehmahls bey dem Buͤcherſchreiben gethan hatte. Nach dieſer Zeit unterbrach keine ſatyriſche Geiſſel des Tages, und keine Erſcheinung des Nachtes ſeine Ruhe. Der Schlaf ſendete ihm lauter an- genehme und vergnuͤgte Traͤume. Die Bekehrung des Strukaras zog die Zerſtreu- ung und den Untergang ſeiner Sekte nach ſich. Ein Theil derſelben entwich nach Waldheim, wo ſie ſich vor den Lectionen der Critik und der Zuchtru- the [Crit. Sam̃l. XII. St.] F

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/83>, abgerufen am 27.11.2024.