[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.oder die Bekehrung. VI. Jch bekenne, daß ich Horatzens Dicht- kunst nicht aus dem Original, das ich nicht verstanden habe, sondern aus meinem schwa- chen Kopfe übersezet habe. VII. Jch bekenne, daß ich den Satan zu Miltons Helden erhoben, und gelehret, der Teufel habe sich an dem Höchsten gerächet: Jch bekenne auch, daß ich die gottlosen Ge- dancken dieses hochmüthigen Geistes an dem Poeten gestraft habe. VIII. Jch bekenne, daß ich der gesunden Critik feind geworden, und mich an ihr habe rächen wollen, weil sie sich unterstanden hatte, mir und meinen Freunden die falsche Einbil- dung von unsrer Vortrefflichkeit zu benehmen. IX. Jch bekenne, daß ich eine Falschheit vor erlaubt gehalten, wenn sie dienen konnte, mein Ansehn zu beschützen, oder meine Gegner zu beschimpfen. X. Jch bekenne, daß ich mich allemahl habe quälen müssen, wenn ich etwas artiges und sinnreiches habe vorbringen wollen, und daß die Natur mir die Gabe zu schertzen gäntzlich versagt habe. XI. Jch bekenne, daß ich die Engelländer, die Franzosen, die Griechen und die Römer nach meinem Vermögen erniedriget habe, da- mit ich meine und meiner Freunde Hoheit auf ihren Fall aufführen könnte. Nach
oder die Bekehrung. VI. Jch bekenne, daß ich Horatzens Dicht- kunſt nicht aus dem Original, das ich nicht verſtanden habe, ſondern aus meinem ſchwa- chen Kopfe uͤberſezet habe. VII. Jch bekenne, daß ich den Satan zu Miltons Helden erhoben, und gelehret, der Teufel habe ſich an dem Hoͤchſten geraͤchet: Jch bekenne auch, daß ich die gottloſen Ge- dancken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes an dem Poeten geſtraft habe. VIII. Jch bekenne, daß ich der geſunden Critik feind geworden, und mich an ihr habe raͤchen wollen, weil ſie ſich unterſtanden hatte, mir und meinen Freunden die falſche Einbil- dung von unſrer Vortrefflichkeit zu benehmen. IX. Jch bekenne, daß ich eine Falſchheit vor erlaubt gehalten, wenn ſie dienen konnte, mein Anſehn zu beſchuͤtzen, oder meine Gegner zu beſchimpfen. X. Jch bekenne, daß ich mich allemahl habe quaͤlen muͤſſen, wenn ich etwas artiges und ſinnreiches habe vorbringen wollen, und daß die Natur mir die Gabe zu ſchertzen gaͤntzlich verſagt habe. XI. Jch bekenne, daß ich die Engellaͤnder, die Franzoſen, die Griechen und die Roͤmer nach meinem Vermoͤgen erniedriget habe, da- mit ich meine und meiner Freunde Hoheit auf ihren Fall auffuͤhren koͤnnte. Nach
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oder die Bekehrung.
VI. Jch bekenne, daß ich Horatzens Dicht-
kunſt nicht aus dem Original, das ich nicht
verſtanden habe, ſondern aus meinem ſchwa-
chen Kopfe uͤberſezet habe.
VII. Jch bekenne, daß ich den Satan zu
Miltons Helden erhoben, und gelehret, der
Teufel habe ſich an dem Hoͤchſten geraͤchet:
Jch bekenne auch, daß ich die gottloſen Ge-
dancken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes an dem
Poeten geſtraft habe.
VIII. Jch bekenne, daß ich der geſunden
Critik feind geworden, und mich an ihr habe
raͤchen wollen, weil ſie ſich unterſtanden hatte,
mir und meinen Freunden die falſche Einbil-
dung von unſrer Vortrefflichkeit zu benehmen.
IX. Jch bekenne, daß ich eine Falſchheit
vor erlaubt gehalten, wenn ſie dienen konnte,
mein Anſehn zu beſchuͤtzen, oder meine Gegner
zu beſchimpfen.
X. Jch bekenne, daß ich mich allemahl habe
quaͤlen muͤſſen, wenn ich etwas artiges und
ſinnreiches habe vorbringen wollen, und daß
die Natur mir die Gabe zu ſchertzen gaͤntzlich
verſagt habe.
XI. Jch bekenne, daß ich die Engellaͤnder,
die Franzoſen, die Griechen und die Roͤmer
nach meinem Vermoͤgen erniedriget habe, da-
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