Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

Strukaras,
waren zu einem Fußgestelle von etlichen Trep-
pen geleget, über denselben lagen Dicht- und
Redemaschinen, uncritische Beyträge, erdichtete
Weltweisheiten, umgesezte Fontenellen, ver-
kleidete Virgils, und undeutsche Schaubühnen,
in abgemessenen Eken und Linien; noch höher
lagen kleine Jphigenien und Catonen in schmä-
lern Schichten; Strukaras freuete sich in sei-
nem Hertzen, als er die Breite, die Stärcke
und die Höhe dieses Altars, den er sich selbst
gesezet hatte, betrachtete, sein Muth schwellete
auf, er stieg iezo auf einer Leiter auf denselben,
und stuhnd oben darauf mit einer zufriedenen
Majestät, als ein würdiger Götze für einen sol-
chen Altar. Er sah von da auf tausend kleine
Scribenten und elende Poeten hinunter, welche
von dieser Höhe wie Zwerge in seinen Augen
schienen. Aber sein Triumph war kurtz; als er
sich iezo eine Lust machete, faule Eyer, Rüben,
und Birnen, wovon er einen Vorrath in der
Taschen hatte, auf seine eigenen Brüder hinun-
ter zu werfen, fuhr plötzlich ein Wirbelwind da-
her, und schmieß ihn mit dem gantzen Bau sei-
ner poetischen Hoheit weit von dar in den Lim-
bo der Eitelkeit,
wo er zehntausend Klafter tief
hinuntersanck, indem er vergeblich mit Kopf,
Hand und Fuß in die Luft schlug. Er hatte
noch nicht aufgehöret zu sincken, als er aus dem
Schlaffe erwachete.

Er sann dem Gesichte nach, es hatte einen
tiefen Eindruck in seinem Gemüthe gemacht, es
schien ihm eine gewisse Aehnlichkeit mit seinem

Zustan-

Strukaras,
waren zu einem Fußgeſtelle von etlichen Trep-
pen geleget, uͤber denſelben lagen Dicht- und
Redemaſchinen, uncritiſche Beytraͤge, erdichtete
Weltweisheiten, umgeſezte Fontenellen, ver-
kleidete Virgils, und undeutſche Schaubuͤhnen,
in abgemeſſenen Eken und Linien; noch hoͤher
lagen kleine Jphigenien und Catonen in ſchmaͤ-
lern Schichten; Strukaras freuete ſich in ſei-
nem Hertzen, als er die Breite, die Staͤrcke
und die Hoͤhe dieſes Altars, den er ſich ſelbſt
geſezet hatte, betrachtete, ſein Muth ſchwellete
auf, er ſtieg iezo auf einer Leiter auf denſelben,
und ſtuhnd oben darauf mit einer zufriedenen
Majeſtaͤt, als ein wuͤrdiger Goͤtze fuͤr einen ſol-
chen Altar. Er ſah von da auf tauſend kleine
Scribenten und elende Poeten hinunter, welche
von dieſer Hoͤhe wie Zwerge in ſeinen Augen
ſchienen. Aber ſein Triumph war kurtz; als er
ſich iezo eine Luſt machete, faule Eyer, Ruͤben,
und Birnen, wovon er einen Vorrath in der
Taſchen hatte, auf ſeine eigenen Bruͤder hinun-
ter zu werfen, fuhr ploͤtzlich ein Wirbelwind da-
her, und ſchmieß ihn mit dem gantzen Bau ſei-
ner poetiſchen Hoheit weit von dar in den Lim-
bo der Eitelkeit,
wo er zehntauſend Klafter tief
hinunterſanck, indem er vergeblich mit Kopf,
Hand und Fuß in die Luft ſchlug. Er hatte
noch nicht aufgehoͤret zu ſincken, als er aus dem
Schlaffe erwachete.

Er ſann dem Geſichte nach, es hatte einen
tiefen Eindruck in ſeinem Gemuͤthe gemacht, es
ſchien ihm eine gewiſſe Aehnlichkeit mit ſeinem

Zuſtan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Strukaras,</hi></fw><lb/>
waren zu einem Fußge&#x017F;telle von etlichen Trep-<lb/>
pen geleget, u&#x0364;ber den&#x017F;elben lagen Dicht- und<lb/>
Redema&#x017F;chinen, uncriti&#x017F;che Beytra&#x0364;ge, erdichtete<lb/>
Weltweisheiten, umge&#x017F;ezte Fontenellen, ver-<lb/>
kleidete Virgils, und undeut&#x017F;che Schaubu&#x0364;hnen,<lb/>
in abgeme&#x017F;&#x017F;enen Eken und Linien; noch ho&#x0364;her<lb/>
lagen kleine Jphigenien und Catonen in &#x017F;chma&#x0364;-<lb/>
lern Schichten; Strukaras freuete &#x017F;ich in &#x017F;ei-<lb/>
nem Hertzen, als er die Breite, die Sta&#x0364;rcke<lb/>
und die Ho&#x0364;he die&#x017F;es Altars, den er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;ezet hatte, betrachtete, &#x017F;ein Muth &#x017F;chwellete<lb/>
auf, er &#x017F;tieg iezo auf einer Leiter auf den&#x017F;elben,<lb/>
und &#x017F;tuhnd oben darauf mit einer zufriedenen<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t, als ein wu&#x0364;rdiger Go&#x0364;tze fu&#x0364;r einen &#x017F;ol-<lb/>
chen Altar. Er &#x017F;ah von da auf tau&#x017F;end kleine<lb/>
Scribenten und elende Poeten hinunter, welche<lb/>
von die&#x017F;er Ho&#x0364;he wie Zwerge in &#x017F;einen Augen<lb/>
&#x017F;chienen. Aber &#x017F;ein Triumph war kurtz; als er<lb/>
&#x017F;ich iezo eine Lu&#x017F;t machete, faule Eyer, Ru&#x0364;ben,<lb/>
und Birnen, wovon er einen Vorrath in der<lb/>
Ta&#x017F;chen hatte, auf &#x017F;eine eigenen Bru&#x0364;der hinun-<lb/>
ter zu werfen, fuhr plo&#x0364;tzlich ein Wirbelwind da-<lb/>
her, und &#x017F;chmieß ihn mit dem gantzen Bau &#x017F;ei-<lb/>
ner poeti&#x017F;chen Hoheit weit von dar in den <hi rendition="#fr">Lim-<lb/>
bo der Eitelkeit,</hi> wo er zehntau&#x017F;end Klafter tief<lb/>
hinunter&#x017F;anck, indem er vergeblich mit Kopf,<lb/>
Hand und Fuß in die Luft &#x017F;chlug. Er hatte<lb/>
noch nicht aufgeho&#x0364;ret zu &#x017F;incken, als er aus dem<lb/>
Schlaffe erwachete.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;ann dem Ge&#x017F;ichte nach, es hatte einen<lb/>
tiefen Eindruck in &#x017F;einem Gemu&#x0364;the gemacht, es<lb/>
&#x017F;chien ihm eine gewi&#x017F;&#x017F;e Aehnlichkeit mit &#x017F;einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zu&#x017F;tan-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0070] Strukaras, waren zu einem Fußgeſtelle von etlichen Trep- pen geleget, uͤber denſelben lagen Dicht- und Redemaſchinen, uncritiſche Beytraͤge, erdichtete Weltweisheiten, umgeſezte Fontenellen, ver- kleidete Virgils, und undeutſche Schaubuͤhnen, in abgemeſſenen Eken und Linien; noch hoͤher lagen kleine Jphigenien und Catonen in ſchmaͤ- lern Schichten; Strukaras freuete ſich in ſei- nem Hertzen, als er die Breite, die Staͤrcke und die Hoͤhe dieſes Altars, den er ſich ſelbſt geſezet hatte, betrachtete, ſein Muth ſchwellete auf, er ſtieg iezo auf einer Leiter auf denſelben, und ſtuhnd oben darauf mit einer zufriedenen Majeſtaͤt, als ein wuͤrdiger Goͤtze fuͤr einen ſol- chen Altar. Er ſah von da auf tauſend kleine Scribenten und elende Poeten hinunter, welche von dieſer Hoͤhe wie Zwerge in ſeinen Augen ſchienen. Aber ſein Triumph war kurtz; als er ſich iezo eine Luſt machete, faule Eyer, Ruͤben, und Birnen, wovon er einen Vorrath in der Taſchen hatte, auf ſeine eigenen Bruͤder hinun- ter zu werfen, fuhr ploͤtzlich ein Wirbelwind da- her, und ſchmieß ihn mit dem gantzen Bau ſei- ner poetiſchen Hoheit weit von dar in den Lim- bo der Eitelkeit, wo er zehntauſend Klafter tief hinunterſanck, indem er vergeblich mit Kopf, Hand und Fuß in die Luft ſchlug. Er hatte noch nicht aufgehoͤret zu ſincken, als er aus dem Schlaffe erwachete. Er ſann dem Geſichte nach, es hatte einen tiefen Eindruck in ſeinem Gemuͤthe gemacht, es ſchien ihm eine gewiſſe Aehnlichkeit mit ſeinem Zuſtan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/70
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/70>, abgerufen am 27.11.2024.