[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.oder die Bekehrung. mehr zu bedeuten, als sich bloß an dem Cörper,oder an den Glücksgütern zu vergreiffen. Die bürgerlichen Gesetze wären sehr scharf gegen einen, der einen Garten zerträte, und durch- wühlete, warum es einem, der in dem Hirn eines jungen Menschen, ja einer gantzen Nation, das unterste zu oberst kehrete, ungestraft hinge- hen sollte? Der Gerechtigkeit müßte allemahl eine Gnüge geschehen; nun wäre es vorträgli- cher, ihr in der gegenwärtigen Welt, als in der zukünftigen eine Gnüge zu thun. Er stühn- de in Gefahr, den Nahmen eines Aufrichtigen zu dem Nahmen eines Kunstverständigen zu ver- liehren. Sie wollte noch weiter mit ihren Vermah- sen, [Crit. Samml. XII. St.] E
oder die Bekehrung. mehr zu bedeuten, als ſich bloß an dem Coͤrper,oder an den Gluͤcksguͤtern zu vergreiffen. Die buͤrgerlichen Geſetze waͤren ſehr ſcharf gegen einen, der einen Garten zertraͤte, und durch- wuͤhlete, warum es einem, der in dem Hirn eines jungen Menſchen, ja einer gantzen Nation, das unterſte zu oberſt kehrete, ungeſtraft hinge- hen ſollte? Der Gerechtigkeit muͤßte allemahl eine Gnuͤge geſchehen; nun waͤre es vortraͤgli- cher, ihr in der gegenwaͤrtigen Welt, als in der zukuͤnftigen eine Gnuͤge zu thun. Er ſtuͤhn- de in Gefahr, den Nahmen eines Aufrichtigen zu dem Nahmen eines Kunſtverſtaͤndigen zu ver- liehren. Sie wollte noch weiter mit ihren Vermah- ſen, [Crit. Sam̃l. XII. St.] E
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oder die Bekehrung.
mehr zu bedeuten, als ſich bloß an dem Coͤrper,
oder an den Gluͤcksguͤtern zu vergreiffen. Die
buͤrgerlichen Geſetze waͤren ſehr ſcharf gegen
einen, der einen Garten zertraͤte, und durch-
wuͤhlete, warum es einem, der in dem Hirn
eines jungen Menſchen, ja einer gantzen Nation,
das unterſte zu oberſt kehrete, ungeſtraft hinge-
hen ſollte? Der Gerechtigkeit muͤßte allemahl
eine Gnuͤge geſchehen; nun waͤre es vortraͤgli-
cher, ihr in der gegenwaͤrtigen Welt, als in
der zukuͤnftigen eine Gnuͤge zu thun. Er ſtuͤhn-
de in Gefahr, den Nahmen eines Aufrichtigen
zu dem Nahmen eines Kunſtverſtaͤndigen zu ver-
liehren.
Sie wollte noch weiter mit ihren Vermah-
nungen fortfahren, aber Strukaras ſah ſie mit
der Mine eines ottomaniſchen Ehemanns an,
dergleichen er ſonſt nie gewohnt geweſen, gegen
ſie zu brauchen; er ſchrie uͤber Neid und Unhoͤf-
lichkeit, ſie mißgoͤnnete ihm ſeinen Ruhm, und
haͤtte ſich von ſeinen Widerſachern beſtechen laſ-
ſen. Endlich befahl er ihr mit hoher Stimme,
ſie ſollte ſich zu ihren Maͤgden begeben, und mit
ihnen des Spinnerokens warten. Priſcilla ver-
ſtuhnd, was er damit ſagen wollte; daß er ſie
von der Hoheit einer Scribentin, in welche er
ſie zu ihm erhoben hatte, wieder abſetzen, und
in den Stand eines gemeinen nicht ſchreibenden
Weibes erniedrigen wollte. Dennoch gehor-
ſamte ſie ihm, und ſchluͤckte den Verdruß in
ſich. Er vertraute ihr nach dieſem nicht den platte-
ſten Gedancken mehr in einen Vers zu verfaſ-
ſen,
[Crit. Sam̃l. XII. St.] E
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