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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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Strukaras,
verführer Strukaras zu ihrem Hierarchen er-
wähleten, und ihm schwuren, den Unverstand
selbst in seinen Worten zu verehren, und unter
seinem Stabe auf die Wahrheit und den Witz
zu Felde zu ziehen.

Strukaras verdiente diesen elenden Vorzug
damit, daß er zuerst an dem Verderben der
ächten Poesie gearbeitet, und seine Schriften
sorgfältiger, als sonst einer, vor Ordnung,
Wahrheit, Witz und Anmuth bewahret hatte.
Er hatte von dem Geschwätze Kunstregeln gege-
ben, und den Schall in ein Lehrbuch verfasset.
Er wußte Recepte für Gedichte, welche weder den
Kopf brachen, noch das Hertz in Unruh sezeten.
Seine Poesie kriecht mit einer angenehmen Nach-
lässigkeit; wann er sich in die Wolcken erhebet,
so fällt er augenblicklich wieder auf den Boden;
er ist wahrscheinlich ohne Neuigkeit, und wo er
neu und wunderbar ist, verliehrt sich die Wahr-
scheinlichkeit. Er hat mittelst einer Scheer und
eines Topfes voll Pappe ein Trauerspiel verfer-
tiget, in welchem alle seine Regeln dieser Schreib-
art beobachtet sind. Durch seinen Antrieb ist
die göttliche Aeneis von der Hoheit ihrer Be-
griffe und der Pracht ihrer Ausbildung befreyet
worden. Er selbst hat den Horatz von der Dicht-
kunst in den Mischmasch und die Dunckelheit sei-
ner eigenen Jrrthümer übersezet.

Mit den Schriften dieses Ertzverführers gab
die Critik sich nicht wenig Mühe, sie klopfte ihm
seine Lehrbücher mit der äussersten Geduld aus,
sie las mit grosser Langmuth das wunderbare

Gemen-

Strukaras,
verfuͤhrer Strukaras zu ihrem Hierarchen er-
waͤhleten, und ihm ſchwuren, den Unverſtand
ſelbſt in ſeinen Worten zu verehren, und unter
ſeinem Stabe auf die Wahrheit und den Witz
zu Felde zu ziehen.

Strukaras verdiente dieſen elenden Vorzug
damit, daß er zuerſt an dem Verderben der
aͤchten Poeſie gearbeitet, und ſeine Schriften
ſorgfaͤltiger, als ſonſt einer, vor Ordnung,
Wahrheit, Witz und Anmuth bewahret hatte.
Er hatte von dem Geſchwaͤtze Kunſtregeln gege-
ben, und den Schall in ein Lehrbuch verfaſſet.
Er wußte Recepte fuͤr Gedichte, welche weder den
Kopf brachen, noch das Hertz in Unruh ſezeten.
Seine Poeſie kriecht mit einer angenehmen Nach-
laͤſſigkeit; wann er ſich in die Wolcken erhebet,
ſo faͤllt er augenblicklich wieder auf den Boden;
er iſt wahrſcheinlich ohne Neuigkeit, und wo er
neu und wunderbar iſt, verliehrt ſich die Wahr-
ſcheinlichkeit. Er hat mittelſt einer Scheer und
eines Topfes voll Pappe ein Trauerſpiel verfer-
tiget, in welchem alle ſeine Regeln dieſer Schreib-
art beobachtet ſind. Durch ſeinen Antrieb iſt
die goͤttliche Aeneis von der Hoheit ihrer Be-
griffe und der Pracht ihrer Ausbildung befreyet
worden. Er ſelbſt hat den Horatz von der Dicht-
kunſt in den Miſchmaſch und die Dunckelheit ſei-
ner eigenen Jrrthuͤmer uͤberſezet.

Mit den Schriften dieſes Ertzverfuͤhrers gab
die Critik ſich nicht wenig Muͤhe, ſie klopfte ihm
ſeine Lehrbuͤcher mit der aͤuſſerſten Geduld aus,
ſie las mit groſſer Langmuth das wunderbare

Gemen-
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[58/0060] Strukaras, verfuͤhrer Strukaras zu ihrem Hierarchen er- waͤhleten, und ihm ſchwuren, den Unverſtand ſelbſt in ſeinen Worten zu verehren, und unter ſeinem Stabe auf die Wahrheit und den Witz zu Felde zu ziehen. Strukaras verdiente dieſen elenden Vorzug damit, daß er zuerſt an dem Verderben der aͤchten Poeſie gearbeitet, und ſeine Schriften ſorgfaͤltiger, als ſonſt einer, vor Ordnung, Wahrheit, Witz und Anmuth bewahret hatte. Er hatte von dem Geſchwaͤtze Kunſtregeln gege- ben, und den Schall in ein Lehrbuch verfaſſet. Er wußte Recepte fuͤr Gedichte, welche weder den Kopf brachen, noch das Hertz in Unruh ſezeten. Seine Poeſie kriecht mit einer angenehmen Nach- laͤſſigkeit; wann er ſich in die Wolcken erhebet, ſo faͤllt er augenblicklich wieder auf den Boden; er iſt wahrſcheinlich ohne Neuigkeit, und wo er neu und wunderbar iſt, verliehrt ſich die Wahr- ſcheinlichkeit. Er hat mittelſt einer Scheer und eines Topfes voll Pappe ein Trauerſpiel verfer- tiget, in welchem alle ſeine Regeln dieſer Schreib- art beobachtet ſind. Durch ſeinen Antrieb iſt die goͤttliche Aeneis von der Hoheit ihrer Be- griffe und der Pracht ihrer Ausbildung befreyet worden. Er ſelbſt hat den Horatz von der Dicht- kunſt in den Miſchmaſch und die Dunckelheit ſei- ner eigenen Jrrthuͤmer uͤberſezet. Mit den Schriften dieſes Ertzverfuͤhrers gab die Critik ſich nicht wenig Muͤhe, ſie klopfte ihm ſeine Lehrbuͤcher mit der aͤuſſerſten Geduld aus, ſie las mit groſſer Langmuth das wunderbare Gemen-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/60>, abgerufen am 23.11.2024.