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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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des Wahnes bedienen könne.
derselben oben angezogenen 262sten S. den Wahn
von den sichtbaren Cörpern der Götter an, und
sagt davon:

"Es sey schlechterdings unmöglich,
"daß Wesen von den vortrefflichsten Eigenschaf-
"ten, welche man als Götter verehrte, die mensch-
"liche, als eine sehr unvollkommene Gestalt an
"sich haben sollten."

Er muß nicht bedacht ha-
ben, daß die H. Schrift von vielen Erscheinun-
gen des wahren Gottes Jsraels unter sichtbarer
Gestalt so oft Meldung thut; daß er die Vereini-
gung der Götter mit der menschlichen Gestalt für
an sich selbst und schlechterdings unmöglich aus-
giebt: Denn was an sich selbst und schlechterdings
unmöglich ist, das kan niemals, auch nicht für
eine kleine Zeit möglich werden, sondern bleibet
allezeit ungereimt und widersprechend. Es ist in
Wahrheit nicht zu begreiffen, daß ein gewaltiger
Lehrer, der selbst eine deutsche Weltweißheit ge-
schrieben hat, dergleichen unbestimmte, verworre-
ne, unvernünftige Sätze an einem Schüler ohne
Verdruß sollte dulden, geschweige noch selbst billi-
gen, und der Welt als etwas lesenswürdiges vor-
legen dürfen.

Wenn nun J. A. K. ferner auf der 243. u. f.
Seite das Recht des Poeten über den Wahn zu-
folge der gemachten Eintheilung bestimmen will,
so redet er fast immer unter dem Nahmen des
Wahns von den Erdichtungen, und dieses ver-
leitet und stürtzet ihn in ein unverständiges, weit-
läuftiges Gewäsche, wo weder Ordnung, noch
Deutlichkeit zu finden ist. Er leitet die Einschrän-
kung der Gewalt des Poeten über den Wahn,

oder

des Wahnes bedienen koͤnne.
derſelben oben angezogenen 262ſten S. den Wahn
von den ſichtbaren Coͤrpern der Goͤtter an, und
ſagt davon:

„Es ſey ſchlechterdings unmoͤglich,
„daß Weſen von den vortrefflichſten Eigenſchaf-
„ten, welche man als Goͤtter verehrte, die menſch-
„liche, als eine ſehr unvollkommene Geſtalt an
„ſich haben ſollten.„

Er muß nicht bedacht ha-
ben, daß die H. Schrift von vielen Erſcheinun-
gen des wahren Gottes Jſraels unter ſichtbarer
Geſtalt ſo oft Meldung thut; daß er die Vereini-
gung der Goͤtter mit der menſchlichen Geſtalt fuͤr
an ſich ſelbſt und ſchlechterdings unmoͤglich aus-
giebt: Denn was an ſich ſelbſt und ſchlechterdings
unmoͤglich iſt, das kan niemals, auch nicht fuͤr
eine kleine Zeit moͤglich werden, ſondern bleibet
allezeit ungereimt und widerſprechend. Es iſt in
Wahrheit nicht zu begreiffen, daß ein gewaltiger
Lehrer, der ſelbſt eine deutſche Weltweißheit ge-
ſchrieben hat, dergleichen unbeſtimmte, verworre-
ne, unvernuͤnftige Saͤtze an einem Schuͤler ohne
Verdruß ſollte dulden, geſchweige noch ſelbſt billi-
gen, und der Welt als etwas leſenswuͤrdiges vor-
legen duͤrfen.

Wenn nun J. A. K. ferner auf der 243. u. f.
Seite das Recht des Poeten uͤber den Wahn zu-
folge der gemachten Eintheilung beſtimmen will,
ſo redet er faſt immer unter dem Nahmen des
Wahns von den Erdichtungen, und dieſes ver-
leitet und ſtuͤrtzet ihn in ein unverſtaͤndiges, weit-
laͤuftiges Gewaͤſche, wo weder Ordnung, noch
Deutlichkeit zu finden iſt. Er leitet die Einſchraͤn-
kung der Gewalt des Poeten uͤber den Wahn,

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[15/0017] des Wahnes bedienen koͤnne. derſelben oben angezogenen 262ſten S. den Wahn von den ſichtbaren Coͤrpern der Goͤtter an, und ſagt davon: „Es ſey ſchlechterdings unmoͤglich, „daß Weſen von den vortrefflichſten Eigenſchaf- „ten, welche man als Goͤtter verehrte, die menſch- „liche, als eine ſehr unvollkommene Geſtalt an „ſich haben ſollten.„ Er muß nicht bedacht ha- ben, daß die H. Schrift von vielen Erſcheinun- gen des wahren Gottes Jſraels unter ſichtbarer Geſtalt ſo oft Meldung thut; daß er die Vereini- gung der Goͤtter mit der menſchlichen Geſtalt fuͤr an ſich ſelbſt und ſchlechterdings unmoͤglich aus- giebt: Denn was an ſich ſelbſt und ſchlechterdings unmoͤglich iſt, das kan niemals, auch nicht fuͤr eine kleine Zeit moͤglich werden, ſondern bleibet allezeit ungereimt und widerſprechend. Es iſt in Wahrheit nicht zu begreiffen, daß ein gewaltiger Lehrer, der ſelbſt eine deutſche Weltweißheit ge- ſchrieben hat, dergleichen unbeſtimmte, verworre- ne, unvernuͤnftige Saͤtze an einem Schuͤler ohne Verdruß ſollte dulden, geſchweige noch ſelbſt billi- gen, und der Welt als etwas leſenswuͤrdiges vor- legen duͤrfen. Wenn nun J. A. K. ferner auf der 243. u. f. Seite das Recht des Poeten uͤber den Wahn zu- folge der gemachten Eintheilung beſtimmen will, ſo redet er faſt immer unter dem Nahmen des Wahns von den Erdichtungen, und dieſes ver- leitet und ſtuͤrtzet ihn in ein unverſtaͤndiges, weit- laͤuftiges Gewaͤſche, wo weder Ordnung, noch Deutlichkeit zu finden iſt. Er leitet die Einſchraͤn- kung der Gewalt des Poeten uͤber den Wahn, oder

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/17>, abgerufen am 24.11.2024.