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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

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eine poetische Erzehlung.
dem Lande, und ließ hinter sich einen langen
Strich in der See; indem es stets die klaren Au-
genwirbel nach der Seite trieb, und um seine theu-
re Bürde bekümmert war.

Arion schmiegte sich fest an dessen schlüpfrigen
Rücken, das Finstere, welches sein Gesicht ver-
unzieret hatte, verzog sich, seine Haare rollten
sich nach der Nässe wieder in Circkel, er wurde
neu belebet, und fuhr munter auf dem hohen
Delphin daher; von welchem er rund um sich
her die gläserne See besah, die sich als einen
Spiegel flächte, und das blaue Himmelsgewöl-
be, den gehörnten Mond, die thauenden Abend-
wolcken mit wiederschlagendem Lichte spielend
darlegte. Die murmlenden Saiten schienen
mißvergnügt, daß er so lange verzog seine Er-
lösung zu besingen. Er gehorsamete ihrem Ver-
mahnen, und legete sich mit Ernst auf seine Har-
fe, und besang nochmahlen mit gedämpften Tö-
nen das schändliche Vornehmen seiner Verrä-
ther. Die schwirrenden Saiten bezeugeten ei-
nen Abscheu, und die Töne, die sich klagend in
die Höhe zwangen, blieben schwebend liegen, da
er seine lezten Wünsche wiederholete. Bald
fährt er mit leichtem Weben über die Saiten,
wie Winde welche über das wallende Gras hin-
schlüpfen; bald eilen beyde Hände beschäftiget
hin und her, und schlagen oben und unten an
die gespanneten Därme, geschwinder als ihnen
das Auge nachfolgen konnte:

Die Töne laufen auf, und fallen plötzlich nieder,
Und kräuseln sich im Lauf, und strecken sich dann wieder,
Und werden rasch, und geil, und schnellen, springen, jauchzen;
da
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eine poetiſche Erzehlung.
dem Lande, und ließ hinter ſich einen langen
Strich in der See; indem es ſtets die klaren Au-
genwirbel nach der Seite trieb, und um ſeine theu-
re Buͤrde bekuͤmmert war.

Arion ſchmiegte ſich feſt an deſſen ſchluͤpfrigen
Ruͤcken, das Finſtere, welches ſein Geſicht ver-
unzieret hatte, verzog ſich, ſeine Haare rollten
ſich nach der Naͤſſe wieder in Circkel, er wurde
neu belebet, und fuhr munter auf dem hohen
Delphin daher; von welchem er rund um ſich
her die glaͤſerne See beſah, die ſich als einen
Spiegel flaͤchte, und das blaue Himmelsgewoͤl-
be, den gehoͤrnten Mond, die thauenden Abend-
wolcken mit wiederſchlagendem Lichte ſpielend
darlegte. Die murmlenden Saiten ſchienen
mißvergnuͤgt, daß er ſo lange verzog ſeine Er-
loͤſung zu beſingen. Er gehorſamete ihrem Ver-
mahnen, und legete ſich mit Ernſt auf ſeine Har-
fe, und beſang nochmahlen mit gedaͤmpften Toͤ-
nen das ſchaͤndliche Vornehmen ſeiner Verraͤ-
ther. Die ſchwirrenden Saiten bezeugeten ei-
nen Abſcheu, und die Toͤne, die ſich klagend in
die Hoͤhe zwangen, blieben ſchwebend liegen, da
er ſeine lezten Wuͤnſche wiederholete. Bald
faͤhrt er mit leichtem Weben uͤber die Saiten,
wie Winde welche uͤber das wallende Gras hin-
ſchluͤpfen; bald eilen beyde Haͤnde beſchaͤftiget
hin und her, und ſchlagen oben und unten an
die geſpanneten Daͤrme, geſchwinder als ihnen
das Auge nachfolgen konnte:

Die Toͤne laufen auf, und fallen ploͤtzlich nieder,
Und kraͤuſeln ſich im Lauf, und ſtrecken ſich dann wieder,
Und werden raſch, und geil, und ſchnellen, ſpringen, jauchzen;
da
F 3
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[83/0085] eine poetiſche Erzehlung. dem Lande, und ließ hinter ſich einen langen Strich in der See; indem es ſtets die klaren Au- genwirbel nach der Seite trieb, und um ſeine theu- re Buͤrde bekuͤmmert war. Arion ſchmiegte ſich feſt an deſſen ſchluͤpfrigen Ruͤcken, das Finſtere, welches ſein Geſicht ver- unzieret hatte, verzog ſich, ſeine Haare rollten ſich nach der Naͤſſe wieder in Circkel, er wurde neu belebet, und fuhr munter auf dem hohen Delphin daher; von welchem er rund um ſich her die glaͤſerne See beſah, die ſich als einen Spiegel flaͤchte, und das blaue Himmelsgewoͤl- be, den gehoͤrnten Mond, die thauenden Abend- wolcken mit wiederſchlagendem Lichte ſpielend darlegte. Die murmlenden Saiten ſchienen mißvergnuͤgt, daß er ſo lange verzog ſeine Er- loͤſung zu beſingen. Er gehorſamete ihrem Ver- mahnen, und legete ſich mit Ernſt auf ſeine Har- fe, und beſang nochmahlen mit gedaͤmpften Toͤ- nen das ſchaͤndliche Vornehmen ſeiner Verraͤ- ther. Die ſchwirrenden Saiten bezeugeten ei- nen Abſcheu, und die Toͤne, die ſich klagend in die Hoͤhe zwangen, blieben ſchwebend liegen, da er ſeine lezten Wuͤnſche wiederholete. Bald faͤhrt er mit leichtem Weben uͤber die Saiten, wie Winde welche uͤber das wallende Gras hin- ſchluͤpfen; bald eilen beyde Haͤnde beſchaͤftiget hin und her, und ſchlagen oben und unten an die geſpanneten Daͤrme, geſchwinder als ihnen das Auge nachfolgen konnte: Die Toͤne laufen auf, und fallen ploͤtzlich nieder, Und kraͤuſeln ſich im Lauf, und ſtrecken ſich dann wieder, Und werden raſch, und geil, und ſchnellen, ſpringen, jauchzen; da F 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/85>, abgerufen am 25.11.2024.