Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

eine poetische Erzehlung.
werde ich dein Licht nicht mehr geniessen. Künf-
tig giebst du nicht mir die Freude, die du den Men-
schen in ihr Hertz senckest. Mich wird bald eine
ewige Dunckelheit begraben: Und du sey ein Zeu-
ge, O Mond, der du im fehrnen Westen blaß
stehest. Euer Wagen fahre niemahls diesen Ort
vorbey, O Göttliche Gestirne, daß sich nicht das
Andencken meines Unterganges bey euch erneuere.
Meine Mörder sehen euch niemahls an, daß sie
nicht ein Schauer ankomme, und sie nicht ihres
verborgenen Lasters wegen gepeinigt werden. Und
du, O Meer, dessen Wogen mich bald in den
Abgrund verschlingen werden; Und ihr Thiere der
See, denen ich als ein unschuldiges Opfer vorge-
worffen werde, höret niemahls auf, sie mit gehei-
men Bissen zu quälen, so oft sie sich euch nähern
werden. Erzehlet ihr den Menschen einen Greuel
der sonst auf immer wird verschwiegen bleiben.
Gehabe dich wohl, elender Vatter, der mich in
einer unglückseligen Stunde gebohren hat! Du
wirst deinen Sohn nicht mehr sehen, deinen Trost,
der sich aus deinen zitternden Armen mit Gewalt
weggerissen. Wie wird dein graues Haupt sich
ängstigen, wenn du hören must, daß er ein Op-
fer schwartzer Verrätherey, ein Raub gräulicher
Thiere geworden! Wurdest du darum grau, O
Unglückseliger, damit dein Elend recht groß wür-
de? O träfe ich dich jetzo schon in den finstern Gän-
gen an, die ich bald betreten werde, damit ein
schreckender Trauerbothe dich nicht mit Grämen und
Verzweifeln ins Grab drückete! Lebe wohl, Gros-
ser Gönner, die Götter lassen deinen Namen

in

eine poetiſche Erzehlung.
werde ich dein Licht nicht mehr genieſſen. Kuͤnf-
tig giebſt du nicht mir die Freude, die du den Men-
ſchen in ihr Hertz ſenckeſt. Mich wird bald eine
ewige Dunckelheit begraben: Und du ſey ein Zeu-
ge, O Mond, der du im fehrnen Weſten blaß
ſteheſt. Euer Wagen fahre niemahls dieſen Ort
vorbey, O Goͤttliche Geſtirne, daß ſich nicht das
Andencken meines Unterganges bey euch erneuere.
Meine Moͤrder ſehen euch niemahls an, daß ſie
nicht ein Schauer ankomme, und ſie nicht ihres
verborgenen Laſters wegen gepeinigt werden. Und
du, O Meer, deſſen Wogen mich bald in den
Abgrund verſchlingen werden; Und ihr Thiere der
See, denen ich als ein unſchuldiges Opfer vorge-
worffen werde, hoͤret niemahls auf, ſie mit gehei-
men Biſſen zu quaͤlen, ſo oft ſie ſich euch naͤhern
werden. Erzehlet ihr den Menſchen einen Greuel
der ſonſt auf immer wird verſchwiegen bleiben.
Gehabe dich wohl, elender Vatter, der mich in
einer ungluͤckſeligen Stunde gebohren hat! Du
wirſt deinen Sohn nicht mehr ſehen, deinen Troſt,
der ſich aus deinen zitternden Armen mit Gewalt
weggeriſſen. Wie wird dein graues Haupt ſich
aͤngſtigen, wenn du hoͤren muſt, daß er ein Op-
fer ſchwartzer Verraͤtherey, ein Raub graͤulicher
Thiere geworden! Wurdeſt du darum grau, O
Ungluͤckſeliger, damit dein Elend recht groß wuͤr-
de? O traͤfe ich dich jetzo ſchon in den finſtern Gaͤn-
gen an, die ich bald betreten werde, damit ein
ſchreckender Trauerbothe dich nicht mit Graͤmen und
Verzweifeln ins Grab druͤckete! Lebe wohl, Groſ-
ſer Goͤnner, die Goͤtter laſſen deinen Namen

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eine poeti&#x017F;che Erzehlung.</hi></fw><lb/>
werde ich dein Licht nicht mehr genie&#x017F;&#x017F;en. Ku&#x0364;nf-<lb/>
tig gieb&#x017F;t du nicht mir die Freude, die du den Men-<lb/>
&#x017F;chen in ihr Hertz &#x017F;encke&#x017F;t. Mich wird bald eine<lb/>
ewige Dunckelheit begraben: Und du &#x017F;ey ein Zeu-<lb/>
ge, O Mond, der du im fehrnen We&#x017F;ten blaß<lb/>
&#x017F;tehe&#x017F;t. Euer Wagen fahre niemahls die&#x017F;en Ort<lb/>
vorbey, O Go&#x0364;ttliche Ge&#x017F;tirne, daß &#x017F;ich nicht das<lb/>
Andencken meines Unterganges bey euch erneuere.<lb/>
Meine Mo&#x0364;rder &#x017F;ehen euch niemahls an, daß &#x017F;ie<lb/>
nicht ein Schauer ankomme, und &#x017F;ie nicht ihres<lb/>
verborgenen La&#x017F;ters wegen gepeinigt werden. Und<lb/>
du, O Meer, de&#x017F;&#x017F;en Wogen mich bald in den<lb/>
Abgrund ver&#x017F;chlingen werden; Und ihr Thiere der<lb/>
See, denen ich als ein un&#x017F;chuldiges Opfer vorge-<lb/>
worffen werde, ho&#x0364;ret niemahls auf, &#x017F;ie mit gehei-<lb/>
men Bi&#x017F;&#x017F;en zu qua&#x0364;len, &#x017F;o oft &#x017F;ie &#x017F;ich euch na&#x0364;hern<lb/>
werden. Erzehlet ihr den Men&#x017F;chen einen Greuel<lb/>
der &#x017F;on&#x017F;t auf immer wird ver&#x017F;chwiegen bleiben.<lb/>
Gehabe dich wohl, elender Vatter, der mich in<lb/>
einer unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen Stunde gebohren hat! Du<lb/>
wir&#x017F;t deinen Sohn nicht mehr &#x017F;ehen, deinen Tro&#x017F;t,<lb/>
der &#x017F;ich aus deinen zitternden Armen mit Gewalt<lb/>
weggeri&#x017F;&#x017F;en. Wie wird dein graues Haupt &#x017F;ich<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tigen, wenn du ho&#x0364;ren mu&#x017F;t, daß er ein Op-<lb/>
fer &#x017F;chwartzer Verra&#x0364;therey, ein Raub gra&#x0364;ulicher<lb/>
Thiere geworden! Wurde&#x017F;t du darum grau, O<lb/>
Unglu&#x0364;ck&#x017F;eliger, damit dein Elend recht groß wu&#x0364;r-<lb/>
de? O tra&#x0364;fe ich dich jetzo &#x017F;chon in den fin&#x017F;tern Ga&#x0364;n-<lb/>
gen an, die ich bald betreten werde, damit ein<lb/>
&#x017F;chreckender Trauerbothe dich nicht mit Gra&#x0364;men und<lb/>
Verzweifeln ins Grab dru&#x0364;ckete! Lebe wohl, Gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Go&#x0364;nner, die Go&#x0364;tter la&#x017F;&#x017F;en deinen Namen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0081] eine poetiſche Erzehlung. werde ich dein Licht nicht mehr genieſſen. Kuͤnf- tig giebſt du nicht mir die Freude, die du den Men- ſchen in ihr Hertz ſenckeſt. Mich wird bald eine ewige Dunckelheit begraben: Und du ſey ein Zeu- ge, O Mond, der du im fehrnen Weſten blaß ſteheſt. Euer Wagen fahre niemahls dieſen Ort vorbey, O Goͤttliche Geſtirne, daß ſich nicht das Andencken meines Unterganges bey euch erneuere. Meine Moͤrder ſehen euch niemahls an, daß ſie nicht ein Schauer ankomme, und ſie nicht ihres verborgenen Laſters wegen gepeinigt werden. Und du, O Meer, deſſen Wogen mich bald in den Abgrund verſchlingen werden; Und ihr Thiere der See, denen ich als ein unſchuldiges Opfer vorge- worffen werde, hoͤret niemahls auf, ſie mit gehei- men Biſſen zu quaͤlen, ſo oft ſie ſich euch naͤhern werden. Erzehlet ihr den Menſchen einen Greuel der ſonſt auf immer wird verſchwiegen bleiben. Gehabe dich wohl, elender Vatter, der mich in einer ungluͤckſeligen Stunde gebohren hat! Du wirſt deinen Sohn nicht mehr ſehen, deinen Troſt, der ſich aus deinen zitternden Armen mit Gewalt weggeriſſen. Wie wird dein graues Haupt ſich aͤngſtigen, wenn du hoͤren muſt, daß er ein Op- fer ſchwartzer Verraͤtherey, ein Raub graͤulicher Thiere geworden! Wurdeſt du darum grau, O Ungluͤckſeliger, damit dein Elend recht groß wuͤr- de? O traͤfe ich dich jetzo ſchon in den finſtern Gaͤn- gen an, die ich bald betreten werde, damit ein ſchreckender Trauerbothe dich nicht mit Graͤmen und Verzweifeln ins Grab druͤckete! Lebe wohl, Groſ- ſer Goͤnner, die Goͤtter laſſen deinen Namen in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/81
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/81>, abgerufen am 28.11.2024.