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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

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Von Langnau Schreiben
"den Sprachen, wenn sie mit dem eingeführ-
"ten Gebrauch der Wörter nicht streiten,

"noch wider die Analogie, noch gegen die Natur
"und Regeln einer guten Metapher verstossen,
"sondern neben der Wahrscheinlichkeit noch eine
"Nothwendigkeit zum Grund haben, darum nicht
"verwerffen könne, weil sie bisher ganz unge-
"wohnt gewesen. etc."

Jm übrigen, wenn die
Deutschen das Wort spazieren durch einen Natio-
nal-Schluß seines deutschen Bürgerrechts entsezen
und in die Acht erklären wollen, so mögen sie es
meinethalben thun: wenn sie nur die Gnade haben,
das durch dieses Wort bezeichnete Ergetzen nicht
zu verbieten. So liegt mir auch wenig daran, ob
sie mehr Ergetzen bey dem gehen, als bey dem spa-
zieren
finden: Aber das muß ich sie doch erinnern,
daß wenn sie das Wort spazieren in die Acht er-
klären, und künftig das gehen darfür gebrauchen
wollen, sie damit das Ergetzen verlieren, welches
man bisdahin durch spazieren fahren, spazieren
reiten
ausgedrücket hat; oder wo sie es dennoch
beybehalten wollen, so werden sie es in Zukunft
durch gehen reiten, gehen fahren bezeichnen müs-
sen. Was endlich das vorgeschlagene tanzen und
springen der Augen angehet, so verweise ich euch
auf das III. Stück der Critischen Sammlungen
Bl. 28. und auf die Fortsetzung der Critischen
Dichkunst Bl. 347. wo dieser ausschweiffende
Vorschlag seine Abfertigung finden wird.

K. So wenig, als ihr auf der 441. Seite
des VI.ten Artickels, will ich die spitzige Frage an
diesem Orte erörtern: Ob Schoch in der Verfer-

tigung
Von Langnau Schreiben
„den Sprachen, wenn ſie mit dem eingefuͤhr-
„ten Gebrauch der Woͤrter nicht ſtreiten,

„noch wider die Analogie, noch gegen die Natur
„und Regeln einer guten Metapher verſtoſſen,
„ſondern neben der Wahrſcheinlichkeit noch eine
„Nothwendigkeit zum Grund haben, darum nicht
„verwerffen koͤnne, weil ſie bisher ganz unge-
„wohnt geweſen. ꝛc.„

Jm uͤbrigen, wenn die
Deutſchen das Wort ſpazieren durch einen Natio-
nal-Schluß ſeines deutſchen Buͤrgerrechts entſezen
und in die Acht erklaͤren wollen, ſo moͤgen ſie es
meinethalben thun: wenn ſie nur die Gnade haben,
das durch dieſes Wort bezeichnete Ergetzen nicht
zu verbieten. So liegt mir auch wenig daran, ob
ſie mehr Ergetzen bey dem gehen, als bey dem ſpa-
zieren
finden: Aber das muß ich ſie doch erinnern,
daß wenn ſie das Wort ſpazieren in die Acht er-
klaͤren, und kuͤnftig das gehen darfuͤr gebrauchen
wollen, ſie damit das Ergetzen verlieren, welches
man bisdahin durch ſpazieren fahren, ſpazieren
reiten
ausgedruͤcket hat; oder wo ſie es dennoch
beybehalten wollen, ſo werden ſie es in Zukunft
durch gehen reiten, gehen fahren bezeichnen muͤſ-
ſen. Was endlich das vorgeſchlagene tanzen und
ſpringen der Augen angehet, ſo verweiſe ich euch
auf das III. Stuͤck der Critiſchen Sammlungen
Bl. 28. und auf die Fortſetzung der Critiſchen
Dichkunſt Bl. 347. wo dieſer ausſchweiffende
Vorſchlag ſeine Abfertigung finden wird.

K. So wenig, als ihr auf der 441. Seite
des VI.ten Artickels, will ich die ſpitzige Frage an
dieſem Orte eroͤrtern: Ob Schoch in der Verfer-

tigung
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[58/0060] Von Langnau Schreiben „den Sprachen, wenn ſie mit dem eingefuͤhr- „ten Gebrauch der Woͤrter nicht ſtreiten, „noch wider die Analogie, noch gegen die Natur „und Regeln einer guten Metapher verſtoſſen, „ſondern neben der Wahrſcheinlichkeit noch eine „Nothwendigkeit zum Grund haben, darum nicht „verwerffen koͤnne, weil ſie bisher ganz unge- „wohnt geweſen. ꝛc.„ Jm uͤbrigen, wenn die Deutſchen das Wort ſpazieren durch einen Natio- nal-Schluß ſeines deutſchen Buͤrgerrechts entſezen und in die Acht erklaͤren wollen, ſo moͤgen ſie es meinethalben thun: wenn ſie nur die Gnade haben, das durch dieſes Wort bezeichnete Ergetzen nicht zu verbieten. So liegt mir auch wenig daran, ob ſie mehr Ergetzen bey dem gehen, als bey dem ſpa- zieren finden: Aber das muß ich ſie doch erinnern, daß wenn ſie das Wort ſpazieren in die Acht er- klaͤren, und kuͤnftig das gehen darfuͤr gebrauchen wollen, ſie damit das Ergetzen verlieren, welches man bisdahin durch ſpazieren fahren, ſpazieren reiten ausgedruͤcket hat; oder wo ſie es dennoch beybehalten wollen, ſo werden ſie es in Zukunft durch gehen reiten, gehen fahren bezeichnen muͤſ- ſen. Was endlich das vorgeſchlagene tanzen und ſpringen der Augen angehet, ſo verweiſe ich euch auf das III. Stuͤck der Critiſchen Sammlungen Bl. 28. und auf die Fortſetzung der Critiſchen Dichkunſt Bl. 347. wo dieſer ausſchweiffende Vorſchlag ſeine Abfertigung finden wird. K. So wenig, als ihr auf der 441. Seite des VI.ten Artickels, will ich die ſpitzige Frage an dieſem Orte eroͤrtern: Ob Schoch in der Verfer- tigung

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/60>, abgerufen am 29.11.2024.