Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

an die d. Ges. von Greifswalde.
Freundschaft gegen mir auf eine so wanckelmüthi-
ge Art ausdrücket. Jch überlasse euch selbst die
bösen Folgen zu betrachten, die daher für euch ent-
stehen mögen, wenn ihr mir nicht sicherere Proben
von eurer Gefälligkeit gebet. Sinnet nach, ob
dieses mit eurem Vorhaben meine Freundschaft zu
verdienen übereinkomme. Das Unglück ist, daß
man solchen Leuten zu viel Gehöre giebt, welche
nichts als Unruh und Streit suchen. Man ma-
chet sich von meinem Ansehen einen gantz falschen
Begriff, und schreibet mir dann die Absicht zu,
daß ich desselben gegen heimsche und fremde miß-
brauchen würde. Jch wollte dennoch nicht gerne
genöthiget werden, alle die Vortheile meiner
Macht gegen meine Mißgünstigen oder gegen mei-
ne mißlichen Freunde anzuwenden. Jhr könnet die-
ses denjenigen unter euch zu verstehen geben, wel-
che auf die Seite des Gegentheils zu hinken schei-
nen; bildet euch aber nicht ein, daß Furcht und
Blödigkeit an diesen Erinnerungen einigen Antheil
haben. Nichts anders leget mir dieselben in die
Feder als der Verdruß, den ich haben würde, wenn
ich euch nicht mehr unter meine Freunde zehlen
dürffte. Die Erfahrung hat es gezeiget, daß
meine Freundschaft so vortheilhaft ist, als meine
Feindschaft nachtheilig seyn kan; ich will nicht sa-
gen, bey was vor Anlässen dieses geschehen ist,
die mögen es sagen, die es empfunden haben. Den-
noch bin ich niemahls zu dem äussersten Mittel fort-
geschritten, als wenn die Vermahnungen keinen
Eingang mehr gefunden haben. Jch fürchte dieses

nicht
B 4

an die d. Geſ. von Greifswalde.
Freundſchaft gegen mir auf eine ſo wanckelmuͤthi-
ge Art ausdruͤcket. Jch uͤberlaſſe euch ſelbſt die
boͤſen Folgen zu betrachten, die daher fuͤr euch ent-
ſtehen moͤgen, wenn ihr mir nicht ſicherere Proben
von eurer Gefaͤlligkeit gebet. Sinnet nach, ob
dieſes mit eurem Vorhaben meine Freundſchaft zu
verdienen uͤbereinkomme. Das Ungluͤck iſt, daß
man ſolchen Leuten zu viel Gehoͤre giebt, welche
nichts als Unruh und Streit ſuchen. Man ma-
chet ſich von meinem Anſehen einen gantz falſchen
Begriff, und ſchreibet mir dann die Abſicht zu,
daß ich deſſelben gegen heimſche und fremde miß-
brauchen wuͤrde. Jch wollte dennoch nicht gerne
genoͤthiget werden, alle die Vortheile meiner
Macht gegen meine Mißguͤnſtigen oder gegen mei-
ne mißlichen Freunde anzuwenden. Jhr koͤnnet die-
ſes denjenigen unter euch zu verſtehen geben, wel-
che auf die Seite des Gegentheils zu hinken ſchei-
nen; bildet euch aber nicht ein, daß Furcht und
Bloͤdigkeit an dieſen Erinnerungen einigen Antheil
haben. Nichts anders leget mir dieſelben in die
Feder als der Verdruß, den ich haben wuͤrde, wenn
ich euch nicht mehr unter meine Freunde zehlen
duͤrffte. Die Erfahrung hat es gezeiget, daß
meine Freundſchaft ſo vortheilhaft iſt, als meine
Feindſchaft nachtheilig ſeyn kan; ich will nicht ſa-
gen, bey was vor Anlaͤſſen dieſes geſchehen iſt,
die moͤgen es ſagen, die es empfunden haben. Den-
noch bin ich niemahls zu dem aͤuſſerſten Mittel fort-
geſchritten, als wenn die Vermahnungen keinen
Eingang mehr gefunden haben. Jch fuͤrchte dieſes

nicht
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an die d. Ge&#x017F;. von Greifswalde.</hi></fw><lb/>
Freund&#x017F;chaft gegen mir auf eine &#x017F;o wanckelmu&#x0364;thi-<lb/>
ge Art ausdru&#x0364;cket. Jch u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e euch &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Folgen zu betrachten, die daher fu&#x0364;r euch ent-<lb/>
&#x017F;tehen mo&#x0364;gen, wenn ihr mir nicht &#x017F;icherere Proben<lb/>
von eurer Gefa&#x0364;lligkeit gebet. Sinnet nach, ob<lb/>
die&#x017F;es mit eurem Vorhaben meine Freund&#x017F;chaft zu<lb/>
verdienen u&#x0364;bereinkomme. Das Unglu&#x0364;ck i&#x017F;t, daß<lb/>
man &#x017F;olchen Leuten zu viel Geho&#x0364;re giebt, welche<lb/>
nichts als Unruh und Streit &#x017F;uchen. Man ma-<lb/>
chet &#x017F;ich von meinem An&#x017F;ehen einen gantz fal&#x017F;chen<lb/>
Begriff, und &#x017F;chreibet mir dann die Ab&#x017F;icht zu,<lb/>
daß ich de&#x017F;&#x017F;elben gegen heim&#x017F;che und fremde miß-<lb/>
brauchen wu&#x0364;rde. Jch wollte dennoch nicht gerne<lb/>
geno&#x0364;thiget werden, alle die Vortheile meiner<lb/>
Macht gegen meine Mißgu&#x0364;n&#x017F;tigen oder gegen mei-<lb/>
ne mißlichen Freunde anzuwenden. Jhr ko&#x0364;nnet die-<lb/>
&#x017F;es denjenigen unter euch zu ver&#x017F;tehen geben, wel-<lb/>
che auf die Seite des Gegentheils zu hinken &#x017F;chei-<lb/>
nen; bildet euch aber nicht ein, daß Furcht und<lb/>
Blo&#x0364;digkeit an die&#x017F;en Erinnerungen einigen Antheil<lb/>
haben. Nichts anders leget mir die&#x017F;elben in die<lb/>
Feder als der Verdruß, den ich haben wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
ich euch nicht mehr unter meine Freunde zehlen<lb/>
du&#x0364;rffte. Die Erfahrung hat es gezeiget, daß<lb/>
meine Freund&#x017F;chaft &#x017F;o vortheilhaft i&#x017F;t, als meine<lb/>
Feind&#x017F;chaft nachtheilig &#x017F;eyn kan; ich will nicht &#x017F;a-<lb/>
gen, bey was vor Anla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;es ge&#x017F;chehen i&#x017F;t,<lb/>
die mo&#x0364;gen es &#x017F;agen, die es empfunden haben. Den-<lb/>
noch bin ich niemahls zu dem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Mittel fort-<lb/>
ge&#x017F;chritten, als wenn die Vermahnungen keinen<lb/>
Eingang mehr gefunden haben. Jch fu&#x0364;rchte die&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0025] an die d. Geſ. von Greifswalde. Freundſchaft gegen mir auf eine ſo wanckelmuͤthi- ge Art ausdruͤcket. Jch uͤberlaſſe euch ſelbſt die boͤſen Folgen zu betrachten, die daher fuͤr euch ent- ſtehen moͤgen, wenn ihr mir nicht ſicherere Proben von eurer Gefaͤlligkeit gebet. Sinnet nach, ob dieſes mit eurem Vorhaben meine Freundſchaft zu verdienen uͤbereinkomme. Das Ungluͤck iſt, daß man ſolchen Leuten zu viel Gehoͤre giebt, welche nichts als Unruh und Streit ſuchen. Man ma- chet ſich von meinem Anſehen einen gantz falſchen Begriff, und ſchreibet mir dann die Abſicht zu, daß ich deſſelben gegen heimſche und fremde miß- brauchen wuͤrde. Jch wollte dennoch nicht gerne genoͤthiget werden, alle die Vortheile meiner Macht gegen meine Mißguͤnſtigen oder gegen mei- ne mißlichen Freunde anzuwenden. Jhr koͤnnet die- ſes denjenigen unter euch zu verſtehen geben, wel- che auf die Seite des Gegentheils zu hinken ſchei- nen; bildet euch aber nicht ein, daß Furcht und Bloͤdigkeit an dieſen Erinnerungen einigen Antheil haben. Nichts anders leget mir dieſelben in die Feder als der Verdruß, den ich haben wuͤrde, wenn ich euch nicht mehr unter meine Freunde zehlen duͤrffte. Die Erfahrung hat es gezeiget, daß meine Freundſchaft ſo vortheilhaft iſt, als meine Feindſchaft nachtheilig ſeyn kan; ich will nicht ſa- gen, bey was vor Anlaͤſſen dieſes geſchehen iſt, die moͤgen es ſagen, die es empfunden haben. Den- noch bin ich niemahls zu dem aͤuſſerſten Mittel fort- geſchritten, als wenn die Vermahnungen keinen Eingang mehr gefunden haben. Jch fuͤrchte dieſes nicht B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/25
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/25>, abgerufen am 21.11.2024.