Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
An Michal merckt er nicht, daß sie nach Adriel
Hinkehre ihre Blick. Ob Merob Phalti wehl
Zu quälen weiß er nicht, er laurt wie Phalti stehe,
Und wo der Adriel mit seinen Augen gehe;
Doch nirgends findet er gewiß was er begehrt,
Weil aller ihr Gebährd den Zweifel ihm vermehrt.440.
Er hatte raume Zeit dieß so zu überlegen,
Weil Saul und sein Gemahl annoch zusammen pflegen
Ein heimliches Gespräch, das wie es war vollendt,
Und Saul hinwieder sich von ihr zurück gewendt,
Grüst er die Töchter auch und seine beiden Schnüre
Und daß er David nun zum Frauenzimmer führe,
Zwang er den Eifersinn und fast ihn bey der Hand:
Hie ist er der uns setzt in diesen F[ri]edensstand;
Sprach er sie samtlich an, und sich gleich abwärts kehrte,
Daß er die Eiferröth so viel ihm möglich wehrte.450.
Worauf Ahinoam den David wohl empfieng.
Sie sprach: der Höchste sey gelobt der allerding
Durch deinen tapfern Muth der Feinde Stoltz verdorben,
Daß wir durch deinen Sieg so grosses Gut erworben.
Dir dancket alles Land für diese Wiederkehr;
Jch bin dir mein Gemahl und meine Königs-Ehr
Selbst schuldig, drum mein Sinn sich wird dahin bemühen,
Aus dieser grossen Schuld sich danckbarlich zu ziehen;
Was dir versprochen ist, gelob ich mit o Held'
Des Königs Will und Schluß mir überwohl gefällt.460.
Dieß letzte Wort erweckt bey vielen ein Erröthen,
Die Merob sahe sich in ungemeinen Nöthen,
Die Michal wuste nicht wie dieß war zu verstehn,
Der Adriel will schier für Zweifelmuth vergehn.
Der David sich befindt für diese Wort verbunden
Zu sprechen diese Wort: Jch sehe mich umwunden
Von so viel Gnad und Huld, o grosse Königin!
Daß ich des so bestürtzt als gar unwürdig bin.
Was Gott durch mich gethan ist nicht an mir zu preisen,
Dem höchsten Wundergott muß man dieß Lob erweisen;470.
Das Werckzeug bin ich nur, ich bin es nimmer werth,
Daß solche hohe Gaab hiefür mir wird beschehrt.
Als
Verſuch eines Gedichtes
An Michal merckt er nicht, daß ſie nach Adriel
Hinkehre ihre Blick. Ob Merob Phalti wehl
Zu quaͤlen weiß er nicht, er laurt wie Phalti ſtehe,
Und wo der Adriel mit ſeinen Augen gehe;
Doch nirgends findet er gewiß was er begehrt,
Weil aller ihr Gebaͤhrd den Zweifel ihm vermehrt.440.
Er hatte raume Zeit dieß ſo zu uͤberlegen,
Weil Saul und ſein Gemahl annoch zuſammen pflegen
Ein heimliches Geſpraͤch, das wie es war vollendt,
Und Saul hinwieder ſich von ihr zuruͤck gewendt,
Gruͤſt er die Toͤchter auch und ſeine beiden Schnuͤre
Und daß er David nun zum Frauenzimmer fuͤhre,
Zwang er den Eiferſinn und faſt ihn bey der Hand:
Hie iſt er der uns ſetzt in dieſen F[ri]edensſtand;
Sprach er ſie ſamtlich an, und ſich gleich abwaͤrts kehrte,
Daß er die Eiferroͤth ſo viel ihm moͤglich wehrte.450.
Worauf Ahinoam den David wohl empfieng.
Sie ſprach: der Hoͤchſte ſey gelobt der allerding
Durch deinen tapfern Muth der Feinde Stoltz verdorben,
Daß wir durch deinen Sieg ſo groſſes Gut erworben.
Dir dancket alles Land fuͤr dieſe Wiederkehr;
Jch bin dir mein Gemahl und meine Koͤnigs-Ehr
Selbſt ſchuldig, drum mein Sinn ſich wird dahin bemuͤhen,
Aus dieſer groſſen Schuld ſich danckbarlich zu ziehen;
Was dir verſprochen iſt, gelob ich mit o Held’
Des Koͤnigs Will und Schluß mir uͤberwohl gefaͤllt.460.
Dieß letzte Wort erweckt bey vielen ein Erroͤthen,
Die Merob ſahe ſich in ungemeinen Noͤthen,
Die Michal wuſte nicht wie dieß war zu verſtehn,
Der Adriel will ſchier fuͤr Zweifelmuth vergehn.
Der David ſich befindt fuͤr dieſe Wort verbunden
Zu ſprechen dieſe Wort: Jch ſehe mich umwunden
Von ſo viel Gnad und Huld, o groſſe Koͤnigin!
Daß ich des ſo beſtuͤrtzt als gar unwuͤrdig bin.
Was Gott durch mich gethan iſt nicht an mir zu preiſen,
Dem hoͤchſten Wundergott muß man dieß Lob erweiſen;470.
Das Werckzeug bin ich nur, ich bin es nimmer werth,
Daß ſolche hohe Gaab hiefuͤr mir wird beſchehrt.
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0078" n="78"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
            <l>An Michal merckt er nicht, daß &#x017F;ie nach Adriel</l><lb/>
            <l>Hinkehre ihre Blick. Ob Merob Phalti wehl</l><lb/>
            <l>Zu qua&#x0364;len weiß er nicht, er laurt wie Phalti &#x017F;tehe,</l><lb/>
            <l>Und wo der Adriel mit &#x017F;einen Augen gehe;</l><lb/>
            <l>Doch nirgends findet er gewiß was er begehrt,</l><lb/>
            <l>Weil aller ihr Geba&#x0364;hrd den Zweifel ihm vermehrt.<note place="right">440.</note></l><lb/>
            <l>Er hatte raume Zeit dieß &#x017F;o zu u&#x0364;berlegen,</l><lb/>
            <l>Weil Saul und &#x017F;ein Gemahl annoch zu&#x017F;ammen pflegen</l><lb/>
            <l>Ein heimliches Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, das wie es war vollendt,</l><lb/>
            <l>Und Saul hinwieder &#x017F;ich von ihr zuru&#x0364;ck gewendt,</l><lb/>
            <l>Gru&#x0364;&#x017F;t er die To&#x0364;chter auch und &#x017F;eine beiden Schnu&#x0364;re</l><lb/>
            <l>Und daß er David nun zum Frauenzimmer fu&#x0364;hre,</l><lb/>
            <l>Zwang er den Eifer&#x017F;inn und fa&#x017F;t ihn bey der Hand:</l><lb/>
            <l>Hie i&#x017F;t er der uns &#x017F;etzt in die&#x017F;en F<supplied>ri</supplied>edens&#x017F;tand;</l><lb/>
            <l>Sprach er &#x017F;ie &#x017F;amtlich an, und &#x017F;ich gleich abwa&#x0364;rts kehrte,</l><lb/>
            <l>Daß er die Eiferro&#x0364;th &#x017F;o viel ihm mo&#x0364;glich wehrte.<note place="right">450.</note></l><lb/>
            <l>Worauf Ahinoam den David wohl empfieng.</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;prach: der Ho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;ey gelobt der allerding</l><lb/>
            <l>Durch deinen tapfern Muth der Feinde Stoltz verdorben,</l><lb/>
            <l>Daß wir durch deinen Sieg &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;es Gut erworben.</l><lb/>
            <l>Dir dancket alles Land fu&#x0364;r die&#x017F;e Wiederkehr;</l><lb/>
            <l>Jch bin dir mein Gemahl und meine Ko&#x0364;nigs-Ehr</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t &#x017F;chuldig, drum mein Sinn &#x017F;ich wird dahin bemu&#x0364;hen,</l><lb/>
            <l>Aus die&#x017F;er gro&#x017F;&#x017F;en Schuld &#x017F;ich danckbarlich zu ziehen;</l><lb/>
            <l>Was dir ver&#x017F;prochen i&#x017F;t, gelob ich mit o Held&#x2019;</l><lb/>
            <l>Des Ko&#x0364;nigs Will und Schluß mir u&#x0364;berwohl gefa&#x0364;llt.<note place="right">460.</note></l><lb/>
            <l>Dieß letzte Wort erweckt bey vielen ein Erro&#x0364;then,</l><lb/>
            <l>Die Merob &#x017F;ahe &#x017F;ich in ungemeinen No&#x0364;then,</l><lb/>
            <l>Die Michal wu&#x017F;te nicht wie dieß war zu ver&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Der Adriel will &#x017F;chier fu&#x0364;r Zweifelmuth vergehn.</l><lb/>
            <l>Der David &#x017F;ich befindt fu&#x0364;r die&#x017F;e Wort verbunden</l><lb/>
            <l>Zu &#x017F;prechen die&#x017F;e Wort: Jch &#x017F;ehe mich umwunden</l><lb/>
            <l>Von &#x017F;o viel Gnad und Huld, o gro&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;nigin!</l><lb/>
            <l>Daß ich des &#x017F;o be&#x017F;tu&#x0364;rtzt als gar unwu&#x0364;rdig bin.</l><lb/>
            <l>Was Gott durch mich gethan i&#x017F;t nicht an mir zu prei&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wundergott muß man dieß Lob erwei&#x017F;en;<note place="right">470.</note></l><lb/>
            <l>Das Werckzeug bin ich nur, ich bin es nimmer werth,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;olche hohe Gaab hiefu&#x0364;r mir wird be&#x017F;chehrt.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0078] Verſuch eines Gedichtes An Michal merckt er nicht, daß ſie nach Adriel Hinkehre ihre Blick. Ob Merob Phalti wehl Zu quaͤlen weiß er nicht, er laurt wie Phalti ſtehe, Und wo der Adriel mit ſeinen Augen gehe; Doch nirgends findet er gewiß was er begehrt, Weil aller ihr Gebaͤhrd den Zweifel ihm vermehrt. Er hatte raume Zeit dieß ſo zu uͤberlegen, Weil Saul und ſein Gemahl annoch zuſammen pflegen Ein heimliches Geſpraͤch, das wie es war vollendt, Und Saul hinwieder ſich von ihr zuruͤck gewendt, Gruͤſt er die Toͤchter auch und ſeine beiden Schnuͤre Und daß er David nun zum Frauenzimmer fuͤhre, Zwang er den Eiferſinn und faſt ihn bey der Hand: Hie iſt er der uns ſetzt in dieſen Friedensſtand; Sprach er ſie ſamtlich an, und ſich gleich abwaͤrts kehrte, Daß er die Eiferroͤth ſo viel ihm moͤglich wehrte. Worauf Ahinoam den David wohl empfieng. Sie ſprach: der Hoͤchſte ſey gelobt der allerding Durch deinen tapfern Muth der Feinde Stoltz verdorben, Daß wir durch deinen Sieg ſo groſſes Gut erworben. Dir dancket alles Land fuͤr dieſe Wiederkehr; Jch bin dir mein Gemahl und meine Koͤnigs-Ehr Selbſt ſchuldig, drum mein Sinn ſich wird dahin bemuͤhen, Aus dieſer groſſen Schuld ſich danckbarlich zu ziehen; Was dir verſprochen iſt, gelob ich mit o Held’ Des Koͤnigs Will und Schluß mir uͤberwohl gefaͤllt. Dieß letzte Wort erweckt bey vielen ein Erroͤthen, Die Merob ſahe ſich in ungemeinen Noͤthen, Die Michal wuſte nicht wie dieß war zu verſtehn, Der Adriel will ſchier fuͤr Zweifelmuth vergehn. Der David ſich befindt fuͤr dieſe Wort verbunden Zu ſprechen dieſe Wort: Jch ſehe mich umwunden Von ſo viel Gnad und Huld, o groſſe Koͤnigin! Daß ich des ſo beſtuͤrtzt als gar unwuͤrdig bin. Was Gott durch mich gethan iſt nicht an mir zu preiſen, Dem hoͤchſten Wundergott muß man dieß Lob erweiſen; Das Werckzeug bin ich nur, ich bin es nimmer werth, Daß ſolche hohe Gaab hiefuͤr mir wird beſchehrt. Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/78
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/78>, abgerufen am 24.11.2024.