[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.Versuch eines Gedichtes Gelobet sey die Güt des Schöpfers dieser Welt,Der unsre Feinde stürtzt und unser Land erhält. Willkommen grosser Saul! was soll man von dir sagen: Du hast dem frechen Feind selbst tausend Mann erschlagen. Dieß Lob gefiele Saul, er nahm es gütig auf, Thalmais grüste er und der Matronen Hauf Ward freundlich angesehn von ihrem frohen König. Jndeme Michal nun verzogen noch ein wenig,290. Hebt an ihr Saitenspiel, Saul siehet nach ihr hin, Begierig daß er auch von ihr ein Lob gewinn. Sie aber fähet an. Seynd tausend Mann geblieben Durch unsers Königs Hand, so hat noch mehr vertrieben Der Held von Bethlehem; du Sieger sey gegrüst, Dich hat Jsraels Gott zu unserm Heil erkiest. Willkommen kühner Held, was solln wir von dir sagen, Du edler David hast zehn tausend Mann erschlagen. Wie ein verschloßner Wind, wann er gewinnet Luft, Bricht loß mit Ungestüm aus der verschloßnen Kluft;300. So gieng es auch allhie. Des Königs Trauerwesen, Das da in dieser Zeit war wie versperrt gewesen, Jn eingebildter Ruh, in fürgemalter Ehr, Brach plötzlich wieder aus und tobete daher. Ja wie ein trüb Gewülck den Himmel schnell beziehet, So daß die helle Sonn im Augenblick entfliehet, So trieben diese Wort auf einmahl hin die Lust. Ein trüber dunckler Schein erwiese, wie entrust Des Königs Hertze war; das hube an zu springen, Ein Eiferfeur erhitzt die Augen daß sie dringen310. Mit Grimm auf Michal zu: die nimmt es nicht in Acht, Sie ist in Unschuld nur auf Davids Lob bedacht. Das Lied wird wiederholt, es geht in beyden Choren Zwar lieblich, aber doch in Sauls gespitzten Ohren Schallt es erschrecklich hin; der schaut mit Unmuth an Die Ehr die David wird erzeigt von jedermann. Jedoch daß keiner nicht mög diese Schwachheit mercken, Erholet er sich bald; sein Fürsatz kan ihn stärcken, Wie er sich rächen woll; drauf grüst er alle Schaar So Haufenweiß am Thor der Stadt versammelt war.320. Der
Verſuch eines Gedichtes Gelobet ſey die Guͤt des Schoͤpfers dieſer Welt,Der unſre Feinde ſtuͤrtzt und unſer Land erhaͤlt. Willkommen groſſer Saul! was ſoll man von dir ſagen: Du haſt dem frechen Feind ſelbſt tauſend Mann erſchlagen. Dieß Lob gefiele Saul, er nahm es guͤtig auf, Thalmais gruͤſte er und der Matronen Hauf Ward freundlich angeſehn von ihrem frohen Koͤnig. Jndeme Michal nun verzogen noch ein wenig,290. Hebt an ihr Saitenſpiel, Saul ſiehet nach ihr hin, Begierig daß er auch von ihr ein Lob gewinn. Sie aber faͤhet an. Seynd tauſend Mann geblieben Durch unſers Koͤnigs Hand, ſo hat noch mehr vertrieben Der Held von Bethlehem; du Sieger ſey gegruͤſt, Dich hat Jſraels Gott zu unſerm Heil erkieſt. Willkommen kuͤhner Held, was ſolln wir von dir ſagen, Du edler David haſt zehn tauſend Mann erſchlagen. Wie ein verſchloßner Wind, wann er gewinnet Luft, Bricht loß mit Ungeſtuͤm aus der verſchloßnen Kluft;300. So gieng es auch allhie. Des Koͤnigs Trauerweſen, Das da in dieſer Zeit war wie verſperrt geweſen, Jn eingebildter Ruh, in fuͤrgemalter Ehr, Brach ploͤtzlich wieder aus und tobete daher. Ja wie ein truͤb Gewuͤlck den Himmel ſchnell beziehet, So daß die helle Sonn im Augenblick entfliehet, So trieben dieſe Wort auf einmahl hin die Luſt. Ein truͤber dunckler Schein erwieſe, wie entruſt Des Koͤnigs Hertze war; das hube an zu ſpringen, Ein Eiferfeur erhitzt die Augen daß ſie dringen310. Mit Grimm auf Michal zu: die nimmt es nicht in Acht, Sie iſt in Unſchuld nur auf Davids Lob bedacht. Das Lied wird wiederholt, es geht in beyden Choren Zwar lieblich, aber doch in Sauls geſpitzten Ohren Schallt es erſchrecklich hin; der ſchaut mit Unmuth an Die Ehr die David wird erzeigt von jedermann. Jedoch daß keiner nicht moͤg dieſe Schwachheit mercken, Erholet er ſich bald; ſein Fuͤrſatz kan ihn ſtaͤrcken, Wie er ſich raͤchen woll; drauf gruͤſt er alle Schaar So Haufenweiß am Thor der Stadt verſammelt war.320. Der
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Verſuch eines Gedichtes
Gelobet ſey die Guͤt des Schoͤpfers dieſer Welt,
Der unſre Feinde ſtuͤrtzt und unſer Land erhaͤlt.
Willkommen groſſer Saul! was ſoll man von dir ſagen:
Du haſt dem frechen Feind ſelbſt tauſend Mann erſchlagen.
Dieß Lob gefiele Saul, er nahm es guͤtig auf,
Thalmais gruͤſte er und der Matronen Hauf
Ward freundlich angeſehn von ihrem frohen Koͤnig.
Jndeme Michal nun verzogen noch ein wenig,
Hebt an ihr Saitenſpiel, Saul ſiehet nach ihr hin,
Begierig daß er auch von ihr ein Lob gewinn.
Sie aber faͤhet an. Seynd tauſend Mann geblieben
Durch unſers Koͤnigs Hand, ſo hat noch mehr vertrieben
Der Held von Bethlehem; du Sieger ſey gegruͤſt,
Dich hat Jſraels Gott zu unſerm Heil erkieſt.
Willkommen kuͤhner Held, was ſolln wir von dir ſagen,
Du edler David haſt zehn tauſend Mann erſchlagen.
Wie ein verſchloßner Wind, wann er gewinnet Luft,
Bricht loß mit Ungeſtuͤm aus der verſchloßnen Kluft;
So gieng es auch allhie. Des Koͤnigs Trauerweſen,
Das da in dieſer Zeit war wie verſperrt geweſen,
Jn eingebildter Ruh, in fuͤrgemalter Ehr,
Brach ploͤtzlich wieder aus und tobete daher.
Ja wie ein truͤb Gewuͤlck den Himmel ſchnell beziehet,
So daß die helle Sonn im Augenblick entfliehet,
So trieben dieſe Wort auf einmahl hin die Luſt.
Ein truͤber dunckler Schein erwieſe, wie entruſt
Des Koͤnigs Hertze war; das hube an zu ſpringen,
Ein Eiferfeur erhitzt die Augen daß ſie dringen
Mit Grimm auf Michal zu: die nimmt es nicht in Acht,
Sie iſt in Unſchuld nur auf Davids Lob bedacht.
Das Lied wird wiederholt, es geht in beyden Choren
Zwar lieblich, aber doch in Sauls geſpitzten Ohren
Schallt es erſchrecklich hin; der ſchaut mit Unmuth an
Die Ehr die David wird erzeigt von jedermann.
Jedoch daß keiner nicht moͤg dieſe Schwachheit mercken,
Erholet er ſich bald; ſein Fuͤrſatz kan ihn ſtaͤrcken,
Wie er ſich raͤchen woll; drauf gruͤſt er alle Schaar
So Haufenweiß am Thor der Stadt verſammelt war.
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