Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Da wird sie hoch erfreut und eilet zu ihr an,
Zeruja ebenfalls sich nicht mehr halten kan,1480.
Als sie die Merob sieht. Gleichwie sich streckt das Eisen
Nach dem Magnetenstein, so will sich hier erweisen
Auch Wechselsweise Lieb. Zeruja und Merob
Die streiten wer da könn einander siegen ob,
Jn Zeigung wahrer Freud; Zeruja war geschicket
Hiezu weil sie es wust, doch Merob gantz verrücket,
Weil dieß ihr widerfuhr ohn daß sie es gedacht,
Drum wurde Wechselsweiß bestürtzte Ruh gebracht.
Thalmais hatt ihr Theil auch mit an diesen Freuden,
Und David dessen Hertz schon vieles must erleiden,1490.
Sah Merob an bestürtzt, die er nebst Thalmais
Aufs höflichste empfäht, er weiß nun nicht gewiß
Wer die sey so ihn liebt. Die Merob sich erweiset
Mit Michal gleicher Güt, er jede bey sich preiset.
Wann er schaut Merob an, so ist ihr Wunderschein
So starck daß der vermag sein Hertz zu nehmen ein.
Erblickt er Michal dann ist ihr liebreiches Wesen
Also für seinen Sinn dermassen auserlesen,
Daß er bey sich gedenckt, ach wann es Michal wär!
Sieht er denn Merob an, wünscht er die ja so sehr.1500.
Er meinet aus dem Ton der Stimmen wollt er hören,
Was sein verliebter Sinn zu wissen that begehren.
Das
V. 1495. Wann er schaut Merob an etc.
[Spaltenumbruch] Diese Ungewißheit Davids macht
ihn in unsern Augen vielmehr
schwach und halb lächerlich als
groß; sie ist gar nicht bequem,
[Spaltenumbruch] unsere Hochachtung für ihn zu
vermehren. Er liebet und weiß
nicht wen; er liebet mit grosser
Treue an zweyen Orten zugleich:
Es sey denn wer es sey, er will sie wieder lieben;
Er liebt sie alle beyd um keine zu betrüben.
[Spaltenumbruch] Jn den Comödien werden die
verliebten Marquise so schnelle
[Spaltenumbruch] V. 570. 571.
und mit solcher Ungewißheit ent-
zücket.
V. 1502. Was sein verliebter Sinn zu wissen that begehren.)
[Spaltenumbruch] Mit diesem Verse wird das er-
ste Buch, eh es vollendet ist, ab-
gebrochen, es sey, daß der Ver-
fasser der Octavia solches mit
Vorsatz an dem Orte abgeschnit-
[Spaltenumbruch] ten, wo die Begierde groß gewe-
sen war, zu vernehmen, wie Da-
vid seine rechte Liebste mögte ge-
funden haben, oder daß wircklich
nicht ein mehrers von diesem er-
Verſuch eines Gedichtes
Da wird ſie hoch erfreut und eilet zu ihr an,
Zeruja ebenfalls ſich nicht mehr halten kan,1480.
Als ſie die Merob ſieht. Gleichwie ſich ſtreckt das Eiſen
Nach dem Magnetenſtein, ſo will ſich hier erweiſen
Auch Wechſelsweiſe Lieb. Zeruja und Merob
Die ſtreiten wer da koͤnn einander ſiegen ob,
Jn Zeigung wahrer Freud; Zeruja war geſchicket
Hiezu weil ſie es wuſt, doch Merob gantz verruͤcket,
Weil dieß ihr widerfuhr ohn daß ſie es gedacht,
Drum wurde Wechſelsweiß beſtuͤrtzte Ruh gebracht.
Thalmais hatt ihr Theil auch mit an dieſen Freuden,
Und David deſſen Hertz ſchon vieles muſt erleiden,1490.
Sah Merob an beſtuͤrtzt, die er nebſt Thalmais
Aufs hoͤflichſte empfaͤht, er weiß nun nicht gewiß
Wer die ſey ſo ihn liebt. Die Merob ſich erweiſet
Mit Michal gleicher Guͤt, er jede bey ſich preiſet.
Wann er ſchaut Merob an, ſo iſt ihr Wunderſchein
So ſtarck daß der vermag ſein Hertz zu nehmen ein.
Erblickt er Michal dann iſt ihr liebreiches Weſen
Alſo fuͤr ſeinen Sinn dermaſſen auserleſen,
Daß er bey ſich gedenckt, ach wann es Michal waͤr!
Sieht er denn Merob an, wuͤnſcht er die ja ſo ſehr.1500.
Er meinet aus dem Ton der Stimmen wollt er hoͤren,
Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren.
Das
V. 1495. Wann er ſchaut Merob an ꝛc.
[Spaltenumbruch] Dieſe Ungewißheit Davids macht
ihn in unſern Augen vielmehr
ſchwach und halb laͤcherlich als
groß; ſie iſt gar nicht bequem,
[Spaltenumbruch] unſere Hochachtung fuͤr ihn zu
vermehren. Er liebet und weiß
nicht wen; er liebet mit groſſer
Treue an zweyen Orten zugleich:
Es ſey denn wer es ſey, er will ſie wieder lieben;
Er liebt ſie alle beyd um keine zu betruͤben.
[Spaltenumbruch] Jn den Comoͤdien werden die
verliebten Marquiſe ſo ſchnelle
[Spaltenumbruch] V. 570. 571.
und mit ſolcher Ungewißheit ent-
zuͤcket.
V. 1502. Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren.)
[Spaltenumbruch] Mit dieſem Verſe wird das er-
ſte Buch, eh es vollendet iſt, ab-
gebrochen, es ſey, daß der Ver-
faſſer der Octavia ſolches mit
Vorſatz an dem Orte abgeſchnit-
[Spaltenumbruch] ten, wo die Begierde groß gewe-
ſen war, zu vernehmen, wie Da-
vid ſeine rechte Liebſte moͤgte ge-
funden haben, oder daß wircklich
nicht ein mehrers von dieſem er-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0064" n="64"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
          <l>Da wird &#x017F;ie hoch erfreut und eilet zu ihr an,</l><lb/>
          <l>Zeruja ebenfalls &#x017F;ich nicht mehr halten kan,<note place="right">1480.</note></l><lb/>
          <l>Als &#x017F;ie die Merob &#x017F;ieht. Gleichwie &#x017F;ich &#x017F;treckt das Ei&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Nach dem Magneten&#x017F;tein, &#x017F;o will &#x017F;ich hier erwei&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Auch Wech&#x017F;elswei&#x017F;e Lieb. Zeruja und Merob</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;treiten wer da ko&#x0364;nn einander &#x017F;iegen ob,</l><lb/>
          <l>Jn Zeigung wahrer Freud; Zeruja war ge&#x017F;chicket</l><lb/>
          <l>Hiezu weil &#x017F;ie es wu&#x017F;t, doch Merob gantz verru&#x0364;cket,</l><lb/>
          <l>Weil dieß ihr widerfuhr ohn daß &#x017F;ie es gedacht,</l><lb/>
          <l>Drum wurde Wech&#x017F;elsweiß be&#x017F;tu&#x0364;rtzte Ruh gebracht.</l><lb/>
          <l>Thalmais hatt ihr Theil auch mit an die&#x017F;en Freuden,</l><lb/>
          <l>Und David de&#x017F;&#x017F;en Hertz &#x017F;chon vieles mu&#x017F;t erleiden,<note place="right">1490.</note></l><lb/>
          <l>Sah Merob an be&#x017F;tu&#x0364;rtzt, die er neb&#x017F;t Thalmais</l><lb/>
          <l>Aufs ho&#x0364;flich&#x017F;te empfa&#x0364;ht, er weiß nun nicht gewiß</l><lb/>
          <l>Wer die &#x017F;ey &#x017F;o ihn liebt. Die Merob &#x017F;ich erwei&#x017F;et</l><lb/>
          <l>Mit Michal gleicher Gu&#x0364;t, er jede bey &#x017F;ich prei&#x017F;et.</l><lb/>
          <l>Wann er &#x017F;chaut Merob an, &#x017F;o i&#x017F;t ihr Wunder&#x017F;chein<note place="foot">V. 1495. Wann er &#x017F;chaut Merob an &#xA75B;c.<lb/><cb/>
Die&#x017F;e Ungewißheit Davids macht<lb/>
ihn in un&#x017F;ern Augen vielmehr<lb/>
&#x017F;chwach und halb la&#x0364;cherlich als<lb/>
groß; &#x017F;ie i&#x017F;t gar nicht bequem,<lb/><cb/>
un&#x017F;ere Hochachtung fu&#x0364;r ihn zu<lb/>
vermehren. Er liebet und weiß<lb/>
nicht wen; er liebet mit gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Treue an zweyen Orten zugleich:<lb/><lg type="poem"><l>Es &#x017F;ey denn wer es &#x017F;ey, er will &#x017F;ie wieder lieben;</l><lb/><l>Er liebt &#x017F;ie alle beyd um keine zu betru&#x0364;ben.</l></lg><lb/><cb/>
Jn den Como&#x0364;dien werden die<lb/>
verliebten Marqui&#x017F;e &#x017F;o &#x017F;chnelle<lb/><cb/>
V. 570. 571.<lb/>
und mit &#x017F;olcher Ungewißheit ent-<lb/>
zu&#x0364;cket.</note></l><lb/>
          <l>So &#x017F;tarck daß der vermag &#x017F;ein Hertz zu nehmen ein.</l><lb/>
          <l>Erblickt er Michal dann i&#x017F;t ihr liebreiches We&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Al&#x017F;o fu&#x0364;r &#x017F;einen Sinn derma&#x017F;&#x017F;en auserle&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Daß er bey &#x017F;ich gedenckt, ach wann es Michal wa&#x0364;r!</l><lb/>
          <l>Sieht er denn Merob an, wu&#x0364;n&#x017F;cht er die ja &#x017F;o &#x017F;ehr.<note place="right">1500.</note></l><lb/>
          <l>Er meinet aus dem Ton der Stimmen wollt er ho&#x0364;ren,</l><lb/>
          <l>Was &#x017F;ein verliebter Sinn zu wi&#x017F;&#x017F;en that begehren.<note xml:id="f05" place="foot" next="#f06">V. 1502. Was &#x017F;ein verliebter Sinn zu wi&#x017F;&#x017F;en that begehren.)<lb/><cb/>
Mit die&#x017F;em Ver&#x017F;e wird das er-<lb/>
&#x017F;te Buch, eh es vollendet i&#x017F;t, ab-<lb/>
gebrochen, es &#x017F;ey, daß der Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er der Octavia &#x017F;olches mit<lb/>
Vor&#x017F;atz an dem Orte abge&#x017F;chnit-<lb/><cb/>
ten, wo die Begierde groß gewe-<lb/>
&#x017F;en war, zu vernehmen, wie Da-<lb/>
vid &#x017F;eine rechte Lieb&#x017F;te mo&#x0364;gte ge-<lb/>
funden haben, oder daß wircklich<lb/>
nicht ein mehrers von die&#x017F;em er-</note></l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/><lb/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0064] Verſuch eines Gedichtes Da wird ſie hoch erfreut und eilet zu ihr an, Zeruja ebenfalls ſich nicht mehr halten kan, Als ſie die Merob ſieht. Gleichwie ſich ſtreckt das Eiſen Nach dem Magnetenſtein, ſo will ſich hier erweiſen Auch Wechſelsweiſe Lieb. Zeruja und Merob Die ſtreiten wer da koͤnn einander ſiegen ob, Jn Zeigung wahrer Freud; Zeruja war geſchicket Hiezu weil ſie es wuſt, doch Merob gantz verruͤcket, Weil dieß ihr widerfuhr ohn daß ſie es gedacht, Drum wurde Wechſelsweiß beſtuͤrtzte Ruh gebracht. Thalmais hatt ihr Theil auch mit an dieſen Freuden, Und David deſſen Hertz ſchon vieles muſt erleiden, Sah Merob an beſtuͤrtzt, die er nebſt Thalmais Aufs hoͤflichſte empfaͤht, er weiß nun nicht gewiß Wer die ſey ſo ihn liebt. Die Merob ſich erweiſet Mit Michal gleicher Guͤt, er jede bey ſich preiſet. Wann er ſchaut Merob an, ſo iſt ihr Wunderſchein So ſtarck daß der vermag ſein Hertz zu nehmen ein. Erblickt er Michal dann iſt ihr liebreiches Weſen Alſo fuͤr ſeinen Sinn dermaſſen auserleſen, Daß er bey ſich gedenckt, ach wann es Michal waͤr! Sieht er denn Merob an, wuͤnſcht er die ja ſo ſehr. Er meinet aus dem Ton der Stimmen wollt er hoͤren, Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren. Das V. 1495. Wann er ſchaut Merob an ꝛc. Dieſe Ungewißheit Davids macht ihn in unſern Augen vielmehr ſchwach und halb laͤcherlich als groß; ſie iſt gar nicht bequem, unſere Hochachtung fuͤr ihn zu vermehren. Er liebet und weiß nicht wen; er liebet mit groſſer Treue an zweyen Orten zugleich: Es ſey denn wer es ſey, er will ſie wieder lieben; Er liebt ſie alle beyd um keine zu betruͤben. Jn den Comoͤdien werden die verliebten Marquiſe ſo ſchnelle V. 570. 571. und mit ſolcher Ungewißheit ent- zuͤcket. V. 1502. Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren.) Mit dieſem Verſe wird das er- ſte Buch, eh es vollendet iſt, ab- gebrochen, es ſey, daß der Ver- faſſer der Octavia ſolches mit Vorſatz an dem Orte abgeſchnit- ten, wo die Begierde groß gewe- ſen war, zu vernehmen, wie Da- vid ſeine rechte Liebſte moͤgte ge- funden haben, oder daß wircklich nicht ein mehrers von dieſem er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/64
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/64>, abgerufen am 22.11.2024.