Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Die andere gab für, hin nach dem Trauerwesen,
Das unser Vater treibt. Der, der bringt sein Genesen,
Die erste sprach, der ist ein wenig Ursach mit,
Daß deine Seuftzer gehn. Wann ich dich fleißig bitt,
Wirst du mir bergen nicht, was wir bereits verspühret,
Du liebest nichts, was dir zu lieben nicht gebühret;
Der David zeiget schon, was aus ihm werden wird,
Bald wird er seyn ein Held, ist er gleich schon ein Hirt.500.
Der König will ihm wohl, mein Jonathan ihn liebet,
Kein Ritter ist am Hof, der ihm nicht Zeugniß giebet,
Daß er so kühn als schön, so tapfer und so weiß,
Daß er von Jahren jung, von Witz vor Alter greiß.
Wer weiß, was er jetzund im Feld vor Thaten übet,
Wie der Philister Heer sich vor ihm flüchtig giebet,
Wie sein die Siegeskron mit Ehren schon verlangt,
Wie er gleich als ein Held in schönen Waffen prangt.
Ach! sprach die andre drauf, Thalmais ich müst liegen,
Wann ich dir läugnen wolt was ich bisher verschwiegen.510.
Ach es ist nur zu wahr, daß David mir gefällt,
Kein Mann in Jsrael, ja keinen in der Welt
Kan ich in meinem Sinn dem edeln David gleichen,
Er ist allein das Feur, das mein Hertz kan erweichen.
Mein Uebermuth ist hin, bin ich des Königs Kind,
So ist ein Hirtenknab, bey dem mein Hertze findt
Den Thron, die Ehr, die Kron. Wie gerne wolltich weiden
Mit ihm die Schaf, und mich als eine Hirtin kleiden,
Jn meinen bunten Rock, ja meine Königszier
Wollt ich ohn alles Leid gleich legen weg von mir.520.
Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hören
Steht nicht zu bilden für, er wust sich nicht zu kehren
Für Schrecken aus der Stell. Der Donner hatte nicht
Jhn so bestürtzt gemacht, als dieß so hie geschicht:
Er
V. 521. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hören)
[Spaltenumbruch] Die Stellung, in welche Da-
vid gesetzt worden, die Reden die-
ser Frauenspersonen, an wel-
chen er so grossen Antheil hat, ih-
nen unwissend mit anzuhören,
[Spaltenumbruch] ist romanhaft, und zu artig für
die Hoheit des heroischen Gedich-
tes. Eine lange Liebesverwirrung,
die in dem Verfolge kommen
soll, wird dadurch vorbereitet.
Verſuch eines Gedichtes
Die andere gab fuͤr, hin nach dem Trauerweſen,
Das unſer Vater treibt. Der, der bringt ſein Geneſen,
Die erſte ſprach, der iſt ein wenig Urſach mit,
Daß deine Seuftzer gehn. Wann ich dich fleißig bitt,
Wirſt du mir bergen nicht, was wir bereits verſpuͤhret,
Du liebeſt nichts, was dir zu lieben nicht gebuͤhret;
Der David zeiget ſchon, was aus ihm werden wird,
Bald wird er ſeyn ein Held, iſt er gleich ſchon ein Hirt.500.
Der Koͤnig will ihm wohl, mein Jonathan ihn liebet,
Kein Ritter iſt am Hof, der ihm nicht Zeugniß giebet,
Daß er ſo kuͤhn als ſchoͤn, ſo tapfer und ſo weiß,
Daß er von Jahren jung, von Witz vor Alter greiß.
Wer weiß, was er jetzund im Feld vor Thaten uͤbet,
Wie der Philiſter Heer ſich vor ihm fluͤchtig giebet,
Wie ſein die Siegeskron mit Ehren ſchon verlangt,
Wie er gleich als ein Held in ſchoͤnen Waffen prangt.
Ach! ſprach die andre drauf, Thalmais ich muͤſt liegen,
Wann ich dir laͤugnen wolt was ich bisher verſchwiegen.510.
Ach es iſt nur zu wahr, daß David mir gefaͤllt,
Kein Mann in Jſrael, ja keinen in der Welt
Kan ich in meinem Sinn dem edeln David gleichen,
Er iſt allein das Feur, das mein Hertz kan erweichen.
Mein Uebermuth iſt hin, bin ich des Koͤnigs Kind,
So iſt ein Hirtenknab, bey dem mein Hertze findt
Den Thron, die Ehr, die Kron. Wie gerne wolltich weiden
Mit ihm die Schaf, und mich als eine Hirtin kleiden,
Jn meinen bunten Rock, ja meine Koͤnigszier
Wollt ich ohn alles Leid gleich legen weg von mir.520.
Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren
Steht nicht zu bilden fuͤr, er wuſt ſich nicht zu kehren
Fuͤr Schrecken aus der Stell. Der Donner hatte nicht
Jhn ſo beſtuͤrtzt gemacht, als dieß ſo hie geſchicht:
Er
V. 521. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren)
[Spaltenumbruch] Die Stellung, in welche Da-
vid geſetzt worden, die Reden die-
ſer Frauensperſonen, an wel-
chen er ſo groſſen Antheil hat, ih-
nen unwiſſend mit anzuhoͤren,
[Spaltenumbruch] iſt romanhaft, und zu artig fuͤr
die Hoheit des heroiſchen Gedich-
tes. Eine lange Liebesverwirrung,
die in dem Verfolge kommen
ſoll, wird dadurch vorbereitet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0036" n="36"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
          <l>Die andere gab fu&#x0364;r, hin nach dem Trauerwe&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Das un&#x017F;er Vater treibt. Der, der bringt &#x017F;ein Gene&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die er&#x017F;te &#x017F;prach, der i&#x017F;t ein wenig Ur&#x017F;ach mit,</l><lb/>
          <l>Daß deine Seuftzer gehn. Wann ich dich fleißig bitt,</l><lb/>
          <l>Wir&#x017F;t du mir bergen nicht, was wir bereits ver&#x017F;pu&#x0364;hret,</l><lb/>
          <l>Du liebe&#x017F;t nichts, was dir zu lieben nicht gebu&#x0364;hret;</l><lb/>
          <l>Der David zeiget &#x017F;chon, was aus ihm werden wird,</l><lb/>
          <l>Bald wird er &#x017F;eyn ein Held, i&#x017F;t er gleich &#x017F;chon ein Hirt.<note place="right">500.</note></l><lb/>
          <l>Der Ko&#x0364;nig will ihm wohl, mein Jonathan ihn liebet,</l><lb/>
          <l>Kein Ritter i&#x017F;t am Hof, der ihm nicht Zeugniß giebet,</l><lb/>
          <l>Daß er &#x017F;o ku&#x0364;hn als &#x017F;cho&#x0364;n, &#x017F;o tapfer und &#x017F;o weiß,</l><lb/>
          <l>Daß er von Jahren jung, von Witz vor Alter greiß.</l><lb/>
          <l>Wer weiß, was er jetzund im Feld vor Thaten u&#x0364;bet,</l><lb/>
          <l>Wie der Phili&#x017F;ter Heer &#x017F;ich vor ihm flu&#x0364;chtig giebet,</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ein die Siegeskron mit Ehren &#x017F;chon verlangt,</l><lb/>
          <l>Wie er gleich als ein Held in &#x017F;cho&#x0364;nen Waffen prangt.</l><lb/>
          <l>Ach! &#x017F;prach die andre drauf, Thalmais ich mu&#x0364;&#x017F;t liegen,</l><lb/>
          <l>Wann ich dir la&#x0364;ugnen wolt was ich bisher ver&#x017F;chwiegen.<note place="right">510.</note></l><lb/>
          <l>Ach es i&#x017F;t nur zu wahr, daß David mir gefa&#x0364;llt,</l><lb/>
          <l>Kein Mann in J&#x017F;rael, ja keinen in der Welt</l><lb/>
          <l>Kan ich in meinem Sinn dem edeln David gleichen,</l><lb/>
          <l>Er i&#x017F;t allein das Feur, das mein Hertz kan erweichen.</l><lb/>
          <l>Mein Uebermuth i&#x017F;t hin, bin ich des Ko&#x0364;nigs Kind,</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t ein Hirtenknab, bey dem mein Hertze findt</l><lb/>
          <l>Den Thron, die Ehr, die Kron. Wie gerne wolltich weiden</l><lb/>
          <l>Mit ihm die Schaf, und mich als eine Hirtin kleiden,</l><lb/>
          <l>Jn meinen bunten Rock, ja meine Ko&#x0364;nigszier</l><lb/>
          <l>Wollt ich ohn alles Leid gleich legen weg von mir.<note place="right">520.</note></l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Wie unvermuthlich dieß dem David war zu ho&#x0364;ren<note place="foot">V. 521. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu ho&#x0364;ren)<lb/><cb/>
Die Stellung, in welche Da-<lb/>
vid ge&#x017F;etzt worden, die Reden die-<lb/>
&#x017F;er Frauensper&#x017F;onen, an wel-<lb/>
chen er &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Antheil hat, ih-<lb/>
nen unwi&#x017F;&#x017F;end mit anzuho&#x0364;ren,<lb/><cb/>
i&#x017F;t romanhaft, und zu artig fu&#x0364;r<lb/>
die Hoheit des heroi&#x017F;chen Gedich-<lb/>
tes. Eine lange Liebesverwirrung,<lb/>
die in dem Verfolge kommen<lb/>
&#x017F;oll, wird dadurch vorbereitet.</note></l><lb/>
          <l>Steht nicht zu bilden fu&#x0364;r, er wu&#x017F;t &#x017F;ich nicht zu kehren</l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;r Schrecken aus der Stell. Der Donner hatte nicht</l><lb/>
          <l>Jhn &#x017F;o be&#x017F;tu&#x0364;rtzt gemacht, als dieß &#x017F;o hie ge&#x017F;chicht:</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0036] Verſuch eines Gedichtes Die andere gab fuͤr, hin nach dem Trauerweſen, Das unſer Vater treibt. Der, der bringt ſein Geneſen, Die erſte ſprach, der iſt ein wenig Urſach mit, Daß deine Seuftzer gehn. Wann ich dich fleißig bitt, Wirſt du mir bergen nicht, was wir bereits verſpuͤhret, Du liebeſt nichts, was dir zu lieben nicht gebuͤhret; Der David zeiget ſchon, was aus ihm werden wird, Bald wird er ſeyn ein Held, iſt er gleich ſchon ein Hirt. Der Koͤnig will ihm wohl, mein Jonathan ihn liebet, Kein Ritter iſt am Hof, der ihm nicht Zeugniß giebet, Daß er ſo kuͤhn als ſchoͤn, ſo tapfer und ſo weiß, Daß er von Jahren jung, von Witz vor Alter greiß. Wer weiß, was er jetzund im Feld vor Thaten uͤbet, Wie der Philiſter Heer ſich vor ihm fluͤchtig giebet, Wie ſein die Siegeskron mit Ehren ſchon verlangt, Wie er gleich als ein Held in ſchoͤnen Waffen prangt. Ach! ſprach die andre drauf, Thalmais ich muͤſt liegen, Wann ich dir laͤugnen wolt was ich bisher verſchwiegen. Ach es iſt nur zu wahr, daß David mir gefaͤllt, Kein Mann in Jſrael, ja keinen in der Welt Kan ich in meinem Sinn dem edeln David gleichen, Er iſt allein das Feur, das mein Hertz kan erweichen. Mein Uebermuth iſt hin, bin ich des Koͤnigs Kind, So iſt ein Hirtenknab, bey dem mein Hertze findt Den Thron, die Ehr, die Kron. Wie gerne wolltich weiden Mit ihm die Schaf, und mich als eine Hirtin kleiden, Jn meinen bunten Rock, ja meine Koͤnigszier Wollt ich ohn alles Leid gleich legen weg von mir. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren Steht nicht zu bilden fuͤr, er wuſt ſich nicht zu kehren Fuͤr Schrecken aus der Stell. Der Donner hatte nicht Jhn ſo beſtuͤrtzt gemacht, als dieß ſo hie geſchicht: Er V. 521. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren) Die Stellung, in welche Da- vid geſetzt worden, die Reden die- ſer Frauensperſonen, an wel- chen er ſo groſſen Antheil hat, ih- nen unwiſſend mit anzuhoͤren, iſt romanhaft, und zu artig fuͤr die Hoheit des heroiſchen Gedich- tes. Eine lange Liebesverwirrung, die in dem Verfolge kommen ſoll, wird dadurch vorbereitet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/36
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/36>, abgerufen am 25.11.2024.