Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
von David.
Must du des weichen Betts noch offte müßig gehn.
Wohlan, versetzte die, wer weiß was kan geschehn;
Allein, was fängt man an? Wir wollen uns hinsetzen,
Sagt bald die dritte Stimm, und mit einander schwätzen.
Ach! Schwester, sing ein Lied, wandt drauf die erste ein,
Zu Gott soll unser Hertz anitzt gerichtet seyn.460.
Hört wie der Höchste zörnt, wohlan, thu mein Begehren,
Du, führ die Stimm, und wir, wir wollen es anhören
Hierauf gab David acht, der keine noch nicht kennt,
Was kommen wird, und hört, daß sie dieß Lied ernennt.
Jch heb die Augen auf aus allen Trübsalsgründen
Hin zu dem hohen Berg, von wannen Hülff zu finden,
Mein Hülffe kommt von Gott, vom Herren kommt Genad,
Der Himmel und die Erd so schön gemachet hat.
Der Herr wird deinen Fuß niemahlen gleiten lassen,
Kein Schlaff den trifft, der dich behütet, allermassen470.
Der Hüter Jsrael ja schläft noch schlummert nicht.
Dein Schatten ist der Herr, daß dir nicht was gebricht:
Daß dich bey Tag die Hitz der Sonnen nicht kan stechen,
Noch bey der Nacht der Mond, kein Schrecken muß dich schwä-
Dann deine Seel der Herr für allem Leyd befreyt,(chen,
Den Ein- und Ausgang er behüt in Ewigkeit.
Der David war bestürzt, dieß Lied mit anzuhören,
So seine Arbeit war, und ware sein Begehreu
Noch grösser als fürhin, zu kennen seine Gäst,
Von denen eine sich also vernehmen läst:480.
Wo hast du dieses Lied, o Schwester, herbekommen?
Jch hab es, sagte sie, dem Jonathan genommen.
Wie? fragt die erste bald, kommt es von meinem Mann?
Weist du dann nicht von wem er dieses haben kan?
Des Jsai sein Sohn (sprach sie) wie er berichtet,
Der schöne David hat dieß Kunstgebänd gedichtet,
Der unserm Vater dient in seiner Traurigkeit,
Und den jedweder liebt, um seiner Lieblichkeit.
Du seufzest tief, sprach die, so da bisher geschwiegen,
Entdeck uns deine Lieb, gelt dieser kan besiegen490.
Dein vorhin stoltzes Hertz, was Phalti nicht gekunt,
Kan Jsai sein Sohn. Mein Seuftzen geht itzund,
Die
C 2
von David.
Muſt du des weichen Betts noch offte muͤßig gehn.
Wohlan, verſetzte die, wer weiß was kan geſchehn;
Allein, was faͤngt man an? Wir wollen uns hinſetzen,
Sagt bald die dritte Stimm, und mit einander ſchwaͤtzen.
Ach! Schweſter, ſing ein Lied, wandt drauf die erſte ein,
Zu Gott ſoll unſer Hertz anitzt gerichtet ſeyn.460.
Hoͤrt wie der Hoͤchſte zoͤrnt, wohlan, thu mein Begehren,
Du, fuͤhr die Stimm, und wir, wir wollen es anhoͤren
Hierauf gab David acht, der keine noch nicht kennt,
Was kommen wird, und hoͤrt, daß ſie dieß Lied ernennt.
Jch heb die Augen auf aus allen Truͤbſalsgruͤnden
Hin zu dem hohen Berg, von wannen Huͤlff zu finden,
Mein Huͤlffe kommt von Gott, vom Herren kommt Genad,
Der Himmel und die Erd ſo ſchoͤn gemachet hat.
Der Herr wird deinen Fuß niemahlen gleiten laſſen,
Kein Schlaff den trifft, der dich behuͤtet, allermaſſen470.
Der Huͤter Jſrael ja ſchlaͤft noch ſchlummert nicht.
Dein Schatten iſt der Herr, daß dir nicht was gebricht:
Daß dich bey Tag die Hitz der Sonnen nicht kan ſtechen,
Noch bey der Nacht der Mond, kein Schrecken muß dich ſchwaͤ-
Dann deine Seel der Herr fuͤr allem Leyd befreyt,(chen,
Den Ein- und Ausgang er behuͤt in Ewigkeit.
Der David war beſtuͤrzt, dieß Lied mit anzuhoͤren,
So ſeine Arbeit war, und ware ſein Begehreu
Noch groͤſſer als fuͤrhin, zu kennen ſeine Gaͤſt,
Von denen eine ſich alſo vernehmen laͤſt:480.
Wo haſt du dieſes Lied, o Schweſter, herbekommen?
Jch hab es, ſagte ſie, dem Jonathan genommen.
Wie? fragt die erſte bald, kommt es von meinem Mann?
Weiſt du dann nicht von wem er dieſes haben kan?
Des Jſai ſein Sohn (ſprach ſie) wie er berichtet,
Der ſchoͤne David hat dieß Kunſtgebaͤnd gedichtet,
Der unſerm Vater dient in ſeiner Traurigkeit,
Und den jedweder liebt, um ſeiner Lieblichkeit.
Du ſeufzeſt tief, ſprach die, ſo da bisher geſchwiegen,
Entdeck uns deine Lieb, gelt dieſer kan beſiegen490.
Dein vorhin ſtoltzes Hertz, was Phalti nicht gekunt,
Kan Jſai ſein Sohn. Mein Seuftzen geht itzund,
Die
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0035" n="35"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">von David.</hi> </hi> </fw><lb/>
          <l>Mu&#x017F;t du des weichen Betts noch offte mu&#x0364;ßig gehn.</l><lb/>
          <l>Wohlan, ver&#x017F;etzte die, wer weiß was kan ge&#x017F;chehn;</l><lb/>
          <l>Allein, was fa&#x0364;ngt man an? Wir wollen uns hin&#x017F;etzen,</l><lb/>
          <l>Sagt bald die dritte Stimm, und mit einander &#x017F;chwa&#x0364;tzen.</l><lb/>
          <l>Ach! Schwe&#x017F;ter, &#x017F;ing ein Lied, wandt drauf die er&#x017F;te ein,</l><lb/>
          <l>Zu Gott &#x017F;oll un&#x017F;er Hertz anitzt gerichtet &#x017F;eyn.<note place="right">460.</note></l><lb/>
          <l>Ho&#x0364;rt wie der Ho&#x0364;ch&#x017F;te zo&#x0364;rnt, wohlan, thu mein Begehren,</l><lb/>
          <l>Du, fu&#x0364;hr die Stimm, und wir, wir wollen es anho&#x0364;ren</l><lb/>
          <l>Hierauf gab David acht, der keine noch nicht kennt,</l><lb/>
          <l>Was kommen wird, und ho&#x0364;rt, daß &#x017F;ie dieß Lied ernennt.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Jch heb die Augen auf aus allen Tru&#x0364;b&#x017F;alsgru&#x0364;nden</l><lb/>
          <l>Hin zu dem hohen Berg, von wannen Hu&#x0364;lff zu finden,</l><lb/>
          <l>Mein Hu&#x0364;lffe kommt von Gott, vom Herren kommt Genad,</l><lb/>
          <l>Der Himmel und die Erd &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n gemachet hat.</l><lb/>
          <l>Der Herr wird deinen Fuß niemahlen gleiten la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Kein Schlaff den trifft, der dich behu&#x0364;tet, allerma&#x017F;&#x017F;en<note place="right">470.</note></l><lb/>
          <l>Der Hu&#x0364;ter J&#x017F;rael ja &#x017F;chla&#x0364;ft noch &#x017F;chlummert nicht.</l><lb/>
          <l>Dein Schatten i&#x017F;t der Herr, daß dir nicht was gebricht:</l><lb/>
          <l>Daß dich bey Tag die Hitz der Sonnen nicht kan &#x017F;techen,</l><lb/>
          <l xml:id="v01" next="#v02">Noch bey der Nacht der Mond, kein Schrecken muß dich &#x017F;chwa&#x0364;-</l><lb/>
          <l>Dann deine Seel der Herr fu&#x0364;r allem Leyd befreyt,</l>
          <l xml:id="v02" prev="#v01"> <hi rendition="#et">(chen,</hi> </l><lb/>
          <l>Den Ein- und Ausgang er behu&#x0364;t in Ewigkeit.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Der David war be&#x017F;tu&#x0364;rzt, dieß Lied mit anzuho&#x0364;ren,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;eine Arbeit war, und ware &#x017F;ein Begehreu</l><lb/>
          <l>Noch gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als fu&#x0364;rhin, zu kennen &#x017F;eine Ga&#x0364;&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Von denen eine &#x017F;ich al&#x017F;o vernehmen la&#x0364;&#x017F;t:<note place="right">480.</note></l><lb/>
          <l>Wo ha&#x017F;t du die&#x017F;es Lied, o Schwe&#x017F;ter, herbekommen?</l><lb/>
          <l>Jch hab es, &#x017F;agte &#x017F;ie, dem Jonathan genommen.</l><lb/>
          <l>Wie? fragt die er&#x017F;te bald, kommt es von meinem Mann?</l><lb/>
          <l>Wei&#x017F;t du dann nicht von wem er die&#x017F;es haben kan?</l><lb/>
          <l>Des J&#x017F;ai &#x017F;ein Sohn (&#x017F;prach &#x017F;ie) wie er berichtet,</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;cho&#x0364;ne David hat dieß Kun&#x017F;tgeba&#x0364;nd gedichtet,</l><lb/>
          <l>Der un&#x017F;erm Vater dient in &#x017F;einer Traurigkeit,</l><lb/>
          <l>Und den jedweder liebt, um &#x017F;einer Lieblichkeit.</l><lb/>
          <l>Du &#x017F;eufze&#x017F;t tief, &#x017F;prach die, &#x017F;o da bisher ge&#x017F;chwiegen,</l><lb/>
          <l>Entdeck uns deine Lieb, gelt die&#x017F;er kan be&#x017F;iegen<note place="right">490.</note></l><lb/>
          <l>Dein vorhin &#x017F;toltzes Hertz, was Phalti nicht gekunt,</l><lb/>
          <l>Kan J&#x017F;ai &#x017F;ein Sohn. Mein Seuftzen geht itzund,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0035] von David. Muſt du des weichen Betts noch offte muͤßig gehn. Wohlan, verſetzte die, wer weiß was kan geſchehn; Allein, was faͤngt man an? Wir wollen uns hinſetzen, Sagt bald die dritte Stimm, und mit einander ſchwaͤtzen. Ach! Schweſter, ſing ein Lied, wandt drauf die erſte ein, Zu Gott ſoll unſer Hertz anitzt gerichtet ſeyn. Hoͤrt wie der Hoͤchſte zoͤrnt, wohlan, thu mein Begehren, Du, fuͤhr die Stimm, und wir, wir wollen es anhoͤren Hierauf gab David acht, der keine noch nicht kennt, Was kommen wird, und hoͤrt, daß ſie dieß Lied ernennt. Jch heb die Augen auf aus allen Truͤbſalsgruͤnden Hin zu dem hohen Berg, von wannen Huͤlff zu finden, Mein Huͤlffe kommt von Gott, vom Herren kommt Genad, Der Himmel und die Erd ſo ſchoͤn gemachet hat. Der Herr wird deinen Fuß niemahlen gleiten laſſen, Kein Schlaff den trifft, der dich behuͤtet, allermaſſen Der Huͤter Jſrael ja ſchlaͤft noch ſchlummert nicht. Dein Schatten iſt der Herr, daß dir nicht was gebricht: Daß dich bey Tag die Hitz der Sonnen nicht kan ſtechen, Noch bey der Nacht der Mond, kein Schrecken muß dich ſchwaͤ- Dann deine Seel der Herr fuͤr allem Leyd befreyt, (chen, Den Ein- und Ausgang er behuͤt in Ewigkeit. Der David war beſtuͤrzt, dieß Lied mit anzuhoͤren, So ſeine Arbeit war, und ware ſein Begehreu Noch groͤſſer als fuͤrhin, zu kennen ſeine Gaͤſt, Von denen eine ſich alſo vernehmen laͤſt: Wo haſt du dieſes Lied, o Schweſter, herbekommen? Jch hab es, ſagte ſie, dem Jonathan genommen. Wie? fragt die erſte bald, kommt es von meinem Mann? Weiſt du dann nicht von wem er dieſes haben kan? Des Jſai ſein Sohn (ſprach ſie) wie er berichtet, Der ſchoͤne David hat dieß Kunſtgebaͤnd gedichtet, Der unſerm Vater dient in ſeiner Traurigkeit, Und den jedweder liebt, um ſeiner Lieblichkeit. Du ſeufzeſt tief, ſprach die, ſo da bisher geſchwiegen, Entdeck uns deine Lieb, gelt dieſer kan beſiegen Dein vorhin ſtoltzes Hertz, was Phalti nicht gekunt, Kan Jſai ſein Sohn. Mein Seuftzen geht itzund, Die C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/35
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/35>, abgerufen am 22.11.2024.