Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Ey! sprache Abner drauf, das ist ja nur ein Wahn.
Ach! sagte Saul, wer es also empfinden kan
Als ich, der wird gewiß mit mir nur dahin zielen,
Was Höllenangst es sey, nicht Gottes Gnad zu fühlen.
Hiemit erblaßte Saul, er ächzt und seufzte tief,
Ein starcker Thränen-Bach ihm aus den Augen lief.
Sein gantzer Leib erstarrt, sein Hertz hub an zu springen,
Die Lippen rührten sich ohn etwas fürzubringen.170.
Dem Abner wurde bang, er rieffe oft und viel,
Daß doch der Knab bald käm mit seinem Saitenspiel.
Der schöne David kam und rührte seine Saiten,
Damit die Lieblichkeit sich mehrt, stuhnd er von weiten,
Und als der Harffenklang zum König drang hinein,
Entwich der Trauer-Geist und liesse Saul allein.
Er richtet sich empor, und seine matte Glieder
Bekamen ihre Ruh und neue Stärcke wieder,
Er lachte David an, den er gantz innig liebt,
Weil dessen Saitenspiel, ihm süssen Labsaal giebt.180.
Wo warst du doch mein Sohn, sprach er zu diesem Knaben,
Ohn dich kan ja mein Hertz nie wahre Ruhe haben;
Herr König, sprach der Knab aus fürgenommnen Rath,
Jch hörte an wie man zum Streit Beliebung hat,
Wie Jonathan der Printz, und deiner Helden Schaaren,
Nach Socho hin verlangt, da Ecron soll erfahren,
Was Jacobs Gott vermag. Ja! trat hie Abner zu,
Und sprach, all deine Leut die haben keine Ruh,
Sie wollen für den Feind und mit dir König siegen,
Wann Saul nur bey uns ist, so muß der Feind erliegen.190.
Hiezu kam Jonathan und stuhnde Abner bey,
Auch selbst Ahinoam sagt, daß es nöthig sey.
Der König der für sie wolt keine Zagheit weisen,
Die er gar nicht besaß, hub nunmehr an zu preisen,
Der andern ihren Muth und gienge alles ein,
Er wolte für dem Heer auch selbst der Erste seyn.
Ahinoam erfreut, so muthig ihn zu sehen,
Sah niemahls ihn so gern in eine Feldschlacht gehen.
Thalmais, Jonathans vertrautes Ehgemahl,
Hört diesen Feldzug an gleich einen Donnerknall.200.
Sie
Verſuch eines Gedichtes
Ey! ſprache Abner drauf, das iſt ja nur ein Wahn.
Ach! ſagte Saul, wer es alſo empfinden kan
Als ich, der wird gewiß mit mir nur dahin zielen,
Was Hoͤllenangſt es ſey, nicht Gottes Gnad zu fuͤhlen.
Hiemit erblaßte Saul, er aͤchzt und ſeufzte tief,
Ein ſtarcker Thraͤnen-Bach ihm aus den Augen lief.
Sein gantzer Leib erſtarrt, ſein Hertz hub an zu ſpringen,
Die Lippen ruͤhrten ſich ohn etwas fuͤrzubringen.170.
Dem Abner wurde bang, er rieffe oft und viel,
Daß doch der Knab bald kaͤm mit ſeinem Saitenſpiel.
Der ſchoͤne David kam und ruͤhrte ſeine Saiten,
Damit die Lieblichkeit ſich mehrt, ſtuhnd er von weiten,
Und als der Harffenklang zum Koͤnig drang hinein,
Entwich der Trauer-Geiſt und lieſſe Saul allein.
Er richtet ſich empor, und ſeine matte Glieder
Bekamen ihre Ruh und neue Staͤrcke wieder,
Er lachte David an, den er gantz innig liebt,
Weil deſſen Saitenſpiel, ihm ſuͤſſen Labſaal giebt.180.
Wo warſt du doch mein Sohn, ſprach er zu dieſem Knaben,
Ohn dich kan ja mein Hertz nie wahre Ruhe haben;
Herꝛ Koͤnig, ſprach der Knab aus fuͤrgenommnen Rath,
Jch hoͤrte an wie man zum Streit Beliebung hat,
Wie Jonathan der Printz, und deiner Helden Schaaren,
Nach Socho hin verlangt, da Ecron ſoll erfahren,
Was Jacobs Gott vermag. Ja! trat hie Abner zu,
Und ſprach, all deine Leut die haben keine Ruh,
Sie wollen fuͤr den Feind und mit dir Koͤnig ſiegen,
Wann Saul nur bey uns iſt, ſo muß der Feind erliegen.190.
Hiezu kam Jonathan und ſtuhnde Abner bey,
Auch ſelbſt Ahinoam ſagt, daß es noͤthig ſey.
Der Koͤnig der fuͤr ſie wolt keine Zagheit weiſen,
Die er gar nicht beſaß, hub nunmehr an zu preiſen,
Der andern ihren Muth und gienge alles ein,
Er wolte fuͤr dem Heer auch ſelbſt der Erſte ſeyn.
Ahinoam erfreut, ſo muthig ihn zu ſehen,
Sah niemahls ihn ſo gern in eine Feldſchlacht gehen.
Thalmais, Jonathans vertrautes Ehgemahl,
Hoͤrt dieſen Feldzug an gleich einen Donnerknall.200.
Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0026" n="26"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
          <l>Ey! &#x017F;prache Abner drauf, das i&#x017F;t ja nur ein Wahn.</l><lb/>
          <l>Ach! &#x017F;agte Saul, wer es al&#x017F;o empfinden kan</l><lb/>
          <l>Als ich, der wird gewiß mit mir nur dahin zielen,</l><lb/>
          <l>Was Ho&#x0364;llenang&#x017F;t es &#x017F;ey, nicht Gottes Gnad zu fu&#x0364;hlen.</l><lb/>
          <l>Hiemit erblaßte Saul, er a&#x0364;chzt und &#x017F;eufzte tief,</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;tarcker Thra&#x0364;nen-Bach ihm aus den Augen lief.</l><lb/>
          <l>Sein gantzer Leib er&#x017F;tarrt, &#x017F;ein Hertz hub an zu &#x017F;pringen,</l><lb/>
          <l>Die Lippen ru&#x0364;hrten &#x017F;ich ohn etwas fu&#x0364;rzubringen.<note place="right">170.</note></l><lb/>
          <l>Dem Abner wurde bang, er rieffe oft und viel,</l><lb/>
          <l>Daß doch der Knab bald ka&#x0364;m mit &#x017F;einem Saiten&#x017F;piel.</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;cho&#x0364;ne David kam und ru&#x0364;hrte &#x017F;eine Saiten,</l><lb/>
          <l>Damit die Lieblichkeit &#x017F;ich mehrt, &#x017F;tuhnd er von weiten,</l><lb/>
          <l>Und als der Harffenklang zum Ko&#x0364;nig drang hinein,</l><lb/>
          <l>Entwich der Trauer-Gei&#x017F;t und lie&#x017F;&#x017F;e Saul allein.</l><lb/>
          <l>Er richtet &#x017F;ich empor, und &#x017F;eine matte Glieder</l><lb/>
          <l>Bekamen ihre Ruh und neue Sta&#x0364;rcke wieder,</l><lb/>
          <l>Er lachte David an, den er gantz innig liebt,</l><lb/>
          <l>Weil de&#x017F;&#x017F;en Saiten&#x017F;piel, ihm &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Lab&#x017F;aal giebt.<note place="right">180.</note></l><lb/>
          <l>Wo war&#x017F;t du doch mein Sohn, &#x017F;prach er zu die&#x017F;em Knaben,</l><lb/>
          <l>Ohn dich kan ja mein Hertz nie wahre Ruhe haben;</l><lb/>
          <l>Her&#xA75B; Ko&#x0364;nig, &#x017F;prach der Knab aus fu&#x0364;rgenommnen Rath,</l><lb/>
          <l>Jch ho&#x0364;rte an wie man zum Streit Beliebung hat,</l><lb/>
          <l>Wie Jonathan der Printz, und deiner Helden Schaaren,</l><lb/>
          <l>Nach Socho hin verlangt, da Ecron &#x017F;oll erfahren,</l><lb/>
          <l>Was Jacobs Gott vermag. Ja! trat hie Abner zu,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;prach, all deine Leut die haben keine Ruh,</l><lb/>
          <l>Sie wollen fu&#x0364;r den Feind und mit dir Ko&#x0364;nig &#x017F;iegen,</l><lb/>
          <l>Wann Saul nur bey uns i&#x017F;t, &#x017F;o muß der Feind erliegen.<note place="right">190.</note></l><lb/>
          <l>Hiezu kam Jonathan und &#x017F;tuhnde Abner bey,</l><lb/>
          <l>Auch &#x017F;elb&#x017F;t Ahinoam &#x017F;agt, daß es no&#x0364;thig &#x017F;ey.</l><lb/>
          <l>Der Ko&#x0364;nig der fu&#x0364;r &#x017F;ie wolt keine Zagheit wei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die er gar nicht be&#x017F;aß, hub nunmehr an zu prei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Der andern ihren Muth und gienge alles ein,</l><lb/>
          <l>Er wolte fu&#x0364;r dem Heer auch &#x017F;elb&#x017F;t der Er&#x017F;te &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Ahinoam erfreut, &#x017F;o muthig ihn zu &#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Sah niemahls ihn &#x017F;o gern in eine Feld&#x017F;chlacht gehen.</l><lb/>
          <l>Thalmais, Jonathans vertrautes Ehgemahl,</l><lb/>
          <l>Ho&#x0364;rt die&#x017F;en Feldzug an gleich einen Donnerknall.<note place="right">200.</note></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0026] Verſuch eines Gedichtes Ey! ſprache Abner drauf, das iſt ja nur ein Wahn. Ach! ſagte Saul, wer es alſo empfinden kan Als ich, der wird gewiß mit mir nur dahin zielen, Was Hoͤllenangſt es ſey, nicht Gottes Gnad zu fuͤhlen. Hiemit erblaßte Saul, er aͤchzt und ſeufzte tief, Ein ſtarcker Thraͤnen-Bach ihm aus den Augen lief. Sein gantzer Leib erſtarrt, ſein Hertz hub an zu ſpringen, Die Lippen ruͤhrten ſich ohn etwas fuͤrzubringen. Dem Abner wurde bang, er rieffe oft und viel, Daß doch der Knab bald kaͤm mit ſeinem Saitenſpiel. Der ſchoͤne David kam und ruͤhrte ſeine Saiten, Damit die Lieblichkeit ſich mehrt, ſtuhnd er von weiten, Und als der Harffenklang zum Koͤnig drang hinein, Entwich der Trauer-Geiſt und lieſſe Saul allein. Er richtet ſich empor, und ſeine matte Glieder Bekamen ihre Ruh und neue Staͤrcke wieder, Er lachte David an, den er gantz innig liebt, Weil deſſen Saitenſpiel, ihm ſuͤſſen Labſaal giebt. Wo warſt du doch mein Sohn, ſprach er zu dieſem Knaben, Ohn dich kan ja mein Hertz nie wahre Ruhe haben; Herꝛ Koͤnig, ſprach der Knab aus fuͤrgenommnen Rath, Jch hoͤrte an wie man zum Streit Beliebung hat, Wie Jonathan der Printz, und deiner Helden Schaaren, Nach Socho hin verlangt, da Ecron ſoll erfahren, Was Jacobs Gott vermag. Ja! trat hie Abner zu, Und ſprach, all deine Leut die haben keine Ruh, Sie wollen fuͤr den Feind und mit dir Koͤnig ſiegen, Wann Saul nur bey uns iſt, ſo muß der Feind erliegen. Hiezu kam Jonathan und ſtuhnde Abner bey, Auch ſelbſt Ahinoam ſagt, daß es noͤthig ſey. Der Koͤnig der fuͤr ſie wolt keine Zagheit weiſen, Die er gar nicht beſaß, hub nunmehr an zu preiſen, Der andern ihren Muth und gienge alles ein, Er wolte fuͤr dem Heer auch ſelbſt der Erſte ſeyn. Ahinoam erfreut, ſo muthig ihn zu ſehen, Sah niemahls ihn ſo gern in eine Feldſchlacht gehen. Thalmais, Jonathans vertrautes Ehgemahl, Hoͤrt dieſen Feldzug an gleich einen Donnerknall. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/26
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/26>, abgerufen am 22.11.2024.