Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Und weil sonst keine Cur den König heilen kunnt,
So solt es David thun, der die Musik verstuhnd,
Und Stimm und Harffenklang so künstlich wußt zu führen,
Daß ihre Lieblichkeit konnt auch die Geister rühren.
Der böse Geist entweicht, wann Davids Harff erklingt,
Weil dessen Reinlichkeit ihm einen Schrecken bringt.100.
Er meidet David drum, weil da aus dessen Lenden
Der Heyland aller Welt wird seine Macht umwenden,
Das er wohl merckte an, drum war er ihm so gram,
Daß er von Saul entwich, wenn David zu ihm kam,
Der da ein Jüngling war, von überschöner Jugend,
Mit der sich hat gepaart die vollenkommne Tugend,
Daß jedem die Gestalt, und sein Gemüth gefiel,
Wer einmahl ihn geseh'n, stets um ihn leben will.
Er war von Antlitz schön, und bräunlich wohlgezieret
Stuhnd ihm sein lockicht Haar. Die Augen, die er führet110.
Mit Zucht und keuscher Scham, die zeigen einen Muth,
Der seinen Feinden scharff, und seinen Freunden gut.
Die Wangen Milch und Blut mit solcher Gleichheit tragen,
Daß sie dem Frauenvolck die Eiferröth' abjagen.
Der Mund steht stets bereit von Gottes Ruhm und Ehr
Zu singen ohne End. Was soll man sagen mehr?
Der schöne David war mit keinem zu vergleichen,
Für seinen schönen Leib und Geist muß alles weichen,
Des Königs gantzer Hof liebt diesen jungen Held,
Ja allem Frauenvolck er mehr als wol gefällt.120.
Weil aber es also nun mit dem König stuhnde,
Ahinoam, die nicht für rathsamlich befunde,
Daß das ihr Ehgemahl, wie es in Juda war,
Sogleich erfahren müßt, wolt bergen die Gefahr;
Weil sie gar wohl bedacht, es würde weiter kommen
Des Königs Traurigkeit, wann er diß hätt vernommen,
Und wo Betrübniß ist, folgt eine Furcht hernach,
Daß uns offt allzuschwer scheint eine leichte Sach.
Drum
V. 119. Des Königs gantzer Hof liebt diesen jungen Held)
[Spaltenumbruch] Diese beyden Zeilen geben so
viel von Davids Schönheit zu ge-
dencken, daß man ohne Abbruch
[Spaltenumbruch] des Begriffes etliche von den vor-
hergehenden Zeilen hätte weglas-
sen können.
Verſuch eines Gedichtes
Und weil ſonſt keine Cur den Koͤnig heilen kunnt,
So ſolt es David thun, der die Muſik verſtuhnd,
Und Stimm und Harffenklang ſo kuͤnſtlich wußt zu fuͤhren,
Daß ihre Lieblichkeit konnt auch die Geiſter ruͤhren.
Der boͤſe Geiſt entweicht, wann Davids Harff erklingt,
Weil deſſen Reinlichkeit ihm einen Schrecken bringt.100.
Er meidet David drum, weil da aus deſſen Lenden
Der Heyland aller Welt wird ſeine Macht umwenden,
Das er wohl merckte an, drum war er ihm ſo gram,
Daß er von Saul entwich, wenn David zu ihm kam,
Der da ein Juͤngling war, von uͤberſchoͤner Jugend,
Mit der ſich hat gepaart die vollenkommne Tugend,
Daß jedem die Geſtalt, und ſein Gemuͤth gefiel,
Wer einmahl ihn geſeh’n, ſtets um ihn leben will.
Er war von Antlitz ſchoͤn, und braͤunlich wohlgezieret
Stuhnd ihm ſein lockicht Haar. Die Augen, die er fuͤhret110.
Mit Zucht und keuſcher Scham, die zeigen einen Muth,
Der ſeinen Feinden ſcharff, und ſeinen Freunden gut.
Die Wangen Milch und Blut mit ſolcher Gleichheit tragen,
Daß ſie dem Frauenvolck die Eiferroͤth’ abjagen.
Der Mund ſteht ſtets bereit von Gottes Ruhm und Ehr
Zu ſingen ohne End. Was ſoll man ſagen mehr?
Der ſchoͤne David war mit keinem zu vergleichen,
Fuͤr ſeinen ſchoͤnen Leib und Geiſt muß alles weichen,
Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held,
Ja allem Frauenvolck er mehr als wol gefaͤllt.120.
Weil aber es alſo nun mit dem Koͤnig ſtuhnde,
Ahinoam, die nicht fuͤr rathſamlich befunde,
Daß das ihr Ehgemahl, wie es in Juda war,
Sogleich erfahren muͤßt, wolt bergen die Gefahr;
Weil ſie gar wohl bedacht, es wuͤrde weiter kommen
Des Koͤnigs Traurigkeit, wann er diß haͤtt vernommen,
Und wo Betruͤbniß iſt, folgt eine Furcht hernach,
Daß uns offt allzuſchwer ſcheint eine leichte Sach.
Drum
V. 119. Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held)
[Spaltenumbruch] Dieſe beyden Zeilen geben ſo
viel von Davids Schoͤnheit zu ge-
dencken, daß man ohne Abbruch
[Spaltenumbruch] des Begriffes etliche von den vor-
hergehenden Zeilen haͤtte weglaſ-
ſen koͤnnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0024" n="24"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
          <l>Und weil &#x017F;on&#x017F;t keine Cur den Ko&#x0364;nig heilen kunnt,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;olt es David thun, der die Mu&#x017F;ik ver&#x017F;tuhnd,</l><lb/>
          <l>Und Stimm und Harffenklang &#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich wußt zu fu&#x0364;hren,</l><lb/>
          <l>Daß ihre Lieblichkeit konnt auch die Gei&#x017F;ter ru&#x0364;hren.</l><lb/>
          <l>Der bo&#x0364;&#x017F;e Gei&#x017F;t entweicht, wann Davids Harff erklingt,</l><lb/>
          <l>Weil de&#x017F;&#x017F;en Reinlichkeit ihm einen Schrecken bringt.<note place="right">100.</note></l><lb/>
          <l>Er meidet David drum, weil da aus de&#x017F;&#x017F;en Lenden</l><lb/>
          <l>Der Heyland aller Welt wird &#x017F;eine Macht umwenden,</l><lb/>
          <l>Das er wohl merckte an, drum war er ihm &#x017F;o gram,</l><lb/>
          <l>Daß er von Saul entwich, wenn David zu ihm kam,</l><lb/>
          <l>Der da ein Ju&#x0364;ngling war, von u&#x0364;ber&#x017F;cho&#x0364;ner Jugend,</l><lb/>
          <l>Mit der &#x017F;ich hat gepaart die vollenkommne Tugend,</l><lb/>
          <l>Daß jedem die Ge&#x017F;talt, und &#x017F;ein Gemu&#x0364;th gefiel,</l><lb/>
          <l>Wer einmahl ihn ge&#x017F;eh&#x2019;n, &#x017F;tets um ihn leben will.</l><lb/>
          <l>Er war von Antlitz &#x017F;cho&#x0364;n, und bra&#x0364;unlich wohlgezieret</l><lb/>
          <l>Stuhnd ihm &#x017F;ein lockicht Haar. Die Augen, die er fu&#x0364;hret<note place="right">110.</note></l><lb/>
          <l>Mit Zucht und keu&#x017F;cher Scham, die zeigen einen Muth,</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;einen Feinden &#x017F;charff, und &#x017F;einen Freunden gut.</l><lb/>
          <l>Die Wangen Milch und Blut mit &#x017F;olcher Gleichheit tragen,</l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ie dem Frauenvolck die Eiferro&#x0364;th&#x2019; abjagen.</l><lb/>
          <l>Der Mund &#x017F;teht &#x017F;tets bereit von Gottes Ruhm und Ehr</l><lb/>
          <l>Zu &#x017F;ingen ohne End. Was &#x017F;oll man &#x017F;agen mehr?</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;cho&#x0364;ne David war mit keinem zu vergleichen,</l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;r &#x017F;einen &#x017F;cho&#x0364;nen Leib und Gei&#x017F;t muß alles weichen,</l><lb/>
          <l>Des Ko&#x0364;nigs gantzer Hof liebt die&#x017F;en jungen Held,<note place="foot">V. 119. Des Ko&#x0364;nigs gantzer Hof liebt die&#x017F;en jungen Held)<lb/><cb/>
Die&#x017F;e beyden Zeilen geben &#x017F;o<lb/>
viel von Davids Scho&#x0364;nheit zu ge-<lb/>
dencken, daß man ohne Abbruch<lb/><cb/>
des Begriffes etliche von den vor-<lb/>
hergehenden Zeilen ha&#x0364;tte wegla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ko&#x0364;nnen.</note></l><lb/>
          <l>Ja allem Frauenvolck er mehr als wol gefa&#x0364;llt.<note place="right">120.</note></l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Weil aber es al&#x017F;o nun mit dem Ko&#x0364;nig &#x017F;tuhnde,</l><lb/>
          <l>Ahinoam, die nicht fu&#x0364;r rath&#x017F;amlich befunde,</l><lb/>
          <l>Daß das ihr Ehgemahl, wie es in Juda war,</l><lb/>
          <l>Sogleich erfahren mu&#x0364;ßt, wolt bergen die Gefahr;</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie gar wohl bedacht, es wu&#x0364;rde weiter kommen</l><lb/>
          <l>Des Ko&#x0364;nigs Traurigkeit, wann er diß ha&#x0364;tt vernommen,</l><lb/>
          <l>Und wo Betru&#x0364;bniß i&#x017F;t, folgt eine Furcht hernach,</l><lb/>
          <l>Daß uns offt allzu&#x017F;chwer &#x017F;cheint eine leichte Sach.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Drum</fw><lb/><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0024] Verſuch eines Gedichtes Und weil ſonſt keine Cur den Koͤnig heilen kunnt, So ſolt es David thun, der die Muſik verſtuhnd, Und Stimm und Harffenklang ſo kuͤnſtlich wußt zu fuͤhren, Daß ihre Lieblichkeit konnt auch die Geiſter ruͤhren. Der boͤſe Geiſt entweicht, wann Davids Harff erklingt, Weil deſſen Reinlichkeit ihm einen Schrecken bringt. Er meidet David drum, weil da aus deſſen Lenden Der Heyland aller Welt wird ſeine Macht umwenden, Das er wohl merckte an, drum war er ihm ſo gram, Daß er von Saul entwich, wenn David zu ihm kam, Der da ein Juͤngling war, von uͤberſchoͤner Jugend, Mit der ſich hat gepaart die vollenkommne Tugend, Daß jedem die Geſtalt, und ſein Gemuͤth gefiel, Wer einmahl ihn geſeh’n, ſtets um ihn leben will. Er war von Antlitz ſchoͤn, und braͤunlich wohlgezieret Stuhnd ihm ſein lockicht Haar. Die Augen, die er fuͤhret Mit Zucht und keuſcher Scham, die zeigen einen Muth, Der ſeinen Feinden ſcharff, und ſeinen Freunden gut. Die Wangen Milch und Blut mit ſolcher Gleichheit tragen, Daß ſie dem Frauenvolck die Eiferroͤth’ abjagen. Der Mund ſteht ſtets bereit von Gottes Ruhm und Ehr Zu ſingen ohne End. Was ſoll man ſagen mehr? Der ſchoͤne David war mit keinem zu vergleichen, Fuͤr ſeinen ſchoͤnen Leib und Geiſt muß alles weichen, Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held, Ja allem Frauenvolck er mehr als wol gefaͤllt. Weil aber es alſo nun mit dem Koͤnig ſtuhnde, Ahinoam, die nicht fuͤr rathſamlich befunde, Daß das ihr Ehgemahl, wie es in Juda war, Sogleich erfahren muͤßt, wolt bergen die Gefahr; Weil ſie gar wohl bedacht, es wuͤrde weiter kommen Des Koͤnigs Traurigkeit, wann er diß haͤtt vernommen, Und wo Betruͤbniß iſt, folgt eine Furcht hernach, Daß uns offt allzuſchwer ſcheint eine leichte Sach. Drum V. 119. Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held) Dieſe beyden Zeilen geben ſo viel von Davids Schoͤnheit zu ge- dencken, daß man ohne Abbruch des Begriffes etliche von den vor- hergehenden Zeilen haͤtte weglaſ- ſen koͤnnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/24
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/24>, abgerufen am 22.11.2024.