[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.von Horazens Dichtkunst. Und jedes Haar des Haupts sehr künstlich ausgedrückt; 45.Die Bildung überhaupt ist plump und ungeschickt, Weil Ordnung und Gestalt und Stellung gar nichts taugen. Viel lieber wünsch ich mir, bey schwarzem Haar und Augen, Ein scheußlich Angesicht und krummes Nasenbein, Als V. 45. Und jedes Haar des Haupts sehr künstlich aus- gedrückt) Hr. Gottsched hat hier seine Uebersetzung so einrichten müs- sen, damit er Anlaß hätte die lustige Anmerckung, die an dem Rande steht, beyzufügen: Denn was Horazen belan- get, so tadelt er die künstliche Ausdrückung der Nägel und der Haare nicht als nichtswürdige Kleinigkeiten; sondern er will nur so viel sagen, daß die Kunst eines solchen Gies- sers noch sehr unvollkommen sey. So ist auch der lateini- sche Ausdruck & molles imitabitur aere capillos gantz poetisch, und für den Giesser sehr rühmlich: Da insbeson- dere das Beywort Molles von grosser Deutlichkeit ist, und anzeiget, daß der Giesser die Haare so künstlich in hartem Erzt auszudrücken wisse, daß man sich fast verreden sollte, die Haare wären natürlich und weich. V. 46. 47. Die Bildung überhaupt ist plump und ungeschickt. etc.) Jn der neuesten Auflage heißt es: Die ganze Bildung nur etc. Von welcher Aenderung man zweifelsfrey den Grund in den verwehnten Ohren des Uebersetzers suchen muß: Gestalt Summa operis noch eher die Bildung, den rohen Plan, und die Form des Wercks überhaupt bezeichnet, als das gantze wircklich ausgearbeitete Werck: nam pone- re totum opus nesciet. Gottsched, wann er diese Worte also übersetzet: Weil Ordnung und Gestalt und Stellung gar nichts taugen, erkühnet sich demnach von einem Wercke zu urtheilen, das nie- mahls zur Welt gekommen ist. [Crit. Samml. IX. St.] G
von Horazens Dichtkunſt. Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich ausgedruͤckt; 45.Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und ungeſchickt, Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts taugen. Viel lieber wuͤnſch ich mir, bey ſchwarzem Haar und Augen, Ein ſcheußlich Angeſicht und krummes Naſenbein, Als V. 45. Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich aus- gedruͤckt) Hr. Gottſched hat hier ſeine Ueberſetzung ſo einrichten muͤſ- ſen, damit er Anlaß haͤtte die luſtige Anmerckung, die an dem Rande ſteht, beyzufuͤgen: Denn was Horazen belan- get, ſo tadelt er die kuͤnſtliche Ausdruͤckung der Naͤgel und der Haare nicht als nichtswuͤrdige Kleinigkeiten; ſondern er will nur ſo viel ſagen, daß die Kunſt eines ſolchen Gieſ- ſers noch ſehr unvollkommen ſey. So iſt auch der lateini- ſche Ausdruck & molles imitabitur ære capillos gantz poetiſch, und fuͤr den Gieſſer ſehr ruͤhmlich: Da insbeſon- dere das Beywort Molles von groſſer Deutlichkeit iſt, und anzeiget, daß der Gieſſer die Haare ſo kuͤnſtlich in hartem Erzt auszudruͤcken wiſſe, daß man ſich faſt verreden ſollte, die Haare waͤren natuͤrlich und weich. V. 46. 47. Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und ungeſchickt. ꝛc.) Jn der neueſten Auflage heißt es: Die ganze Bildung nur ꝛc. Von welcher Aenderung man zweifelsfrey den Grund in den verwehnten Ohren des Ueberſetzers ſuchen muß: Geſtalt Summa operis noch eher die Bildung, den rohen Plan, und die Form des Wercks uͤberhaupt bezeichnet, als das gantze wircklich ausgearbeitete Werck: nam pone- re totum opus neſciet. Gottſched, wann er dieſe Worte alſo uͤberſetzet: Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts taugen, erkuͤhnet ſich demnach von einem Wercke zu urtheilen, das nie- mahls zur Welt gekommen iſt. [Crit. Sam̃l. IX. St.] G
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von Horazens Dichtkunſt.
Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich ausgedruͤckt;
Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und ungeſchickt,
Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts taugen.
Viel lieber wuͤnſch ich mir, bey ſchwarzem Haar und Augen,
Ein ſcheußlich Angeſicht und krummes Naſenbein,
Als
V. 45. Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich aus-
gedruͤckt)
Hr. Gottſched hat hier ſeine Ueberſetzung ſo einrichten muͤſ-
ſen, damit er Anlaß haͤtte die luſtige Anmerckung, die an
dem Rande ſteht, beyzufuͤgen: Denn was Horazen belan-
get, ſo tadelt er die kuͤnſtliche Ausdruͤckung der Naͤgel und
der Haare nicht als nichtswuͤrdige Kleinigkeiten; ſondern
er will nur ſo viel ſagen, daß die Kunſt eines ſolchen Gieſ-
ſers noch ſehr unvollkommen ſey. So iſt auch der lateini-
ſche Ausdruck & molles imitabitur ære capillos gantz
poetiſch, und fuͤr den Gieſſer ſehr ruͤhmlich: Da insbeſon-
dere das Beywort Molles von groſſer Deutlichkeit iſt, und
anzeiget, daß der Gieſſer die Haare ſo kuͤnſtlich in hartem
Erzt auszudruͤcken wiſſe, daß man ſich faſt verreden ſollte,
die Haare waͤren natuͤrlich und weich.
V. 46. 47. Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und
ungeſchickt. ꝛc.)
Jn der neueſten Auflage heißt es: Die ganze Bildung
nur ꝛc. Von welcher Aenderung man zweifelsfrey den Grund
in den verwehnten Ohren des Ueberſetzers ſuchen muß:
Geſtalt Summa operis noch eher die Bildung, den rohen
Plan, und die Form des Wercks uͤberhaupt bezeichnet,
als das gantze wircklich ausgearbeitete Werck: nam pone-
re totum opus neſciet. Gottſched, wann er dieſe Worte
alſo uͤberſetzet:
Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts
taugen,
erkuͤhnet ſich demnach von einem Wercke zu urtheilen, das nie-
mahls zur Welt gekommen iſt.
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