Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Uebersetzung aus einer Handsch.
VII.
Die Schnecke, der Adler
und die Krähe.
DJe Schnecke hatte sich tief in ihr Haus gezogen;
Da kam ein starcker Aar geflogen.
Der fasset sie mit seinen Klauen an,
Er zweifelt, was es sey: als auf denselben Plan
Gleich eine Krähe kömmt, und zu ihm saget: Höre,
Die Schaal ist guter Speise voll:
Doch folgest du nicht meiner Lehre,
Geniessest du sie nimmer wohl.
Flieg auf, und schwinge dein Gesieder;
Dann wirff mit Macht die Schnecke nieder.
Zerbrich die Schaal und glaube mir
Du hast dann Speise nach Begier.
Die Krähe lehrt den Adler so.
Deß ward die Schnecke gar nicht froh.
Er warf sie und ihr gantzes Haus
An einen Stein, es brach, sie fiel heraus.
Die Krähe nahm der Beute wahr,
Fuhr zu, und aß sie vor dem Aar.
Die
Ueberſetzung aus einer Handſch.
VII.
Die Schnecke, der Adler
und die Kraͤhe.
DJe Schnecke hatte ſich tief in ihr Haus gezogen;
Da kam ein ſtarcker Aar geflogen.
Der faſſet ſie mit ſeinen Klauen an,
Er zweifelt, was es ſey: als auf denſelben Plan
Gleich eine Kraͤhe koͤmmt, und zu ihm ſaget: Hoͤre,
Die Schaal iſt guter Speiſe voll:
Doch folgeſt du nicht meiner Lehre,
Genieſſeſt du ſie nimmer wohl.
Flieg auf, und ſchwinge dein Geſieder;
Dann wirff mit Macht die Schnecke nieder.
Zerbrich die Schaal und glaube mir
Du haſt dann Speiſe nach Begier.
Die Kraͤhe lehrt den Adler ſo.
Deß ward die Schnecke gar nicht froh.
Er warf ſie und ihr gantzes Haus
An einen Stein, es brach, ſie fiel heraus.
Die Kraͤhe nahm der Beute wahr,
Fuhr zu, und aß ſie vor dem Aar.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0062" n="62"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ueber&#x017F;etzung aus einer Hand&#x017F;ch.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">VII.</hi> </hi> </hi> </head><lb/>
            <head> <hi rendition="#b">Die Schnecke, der Adler<lb/>
und die Kra&#x0364;he.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>Je Schnecke hatte &#x017F;ich tief in ihr Haus gezogen;</l><lb/>
              <l>Da kam ein &#x017F;tarcker Aar geflogen.</l><lb/>
              <l>Der fa&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie mit &#x017F;einen Klauen an,</l><lb/>
              <l>Er zweifelt, was es &#x017F;ey: als auf den&#x017F;elben Plan</l><lb/>
              <l>Gleich eine Kra&#x0364;he ko&#x0364;mmt, und zu ihm &#x017F;aget: Ho&#x0364;re,</l><lb/>
              <l>Die Schaal i&#x017F;t guter Spei&#x017F;e voll:</l><lb/>
              <l>Doch folge&#x017F;t du nicht meiner Lehre,</l><lb/>
              <l>Genie&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du &#x017F;ie nimmer wohl.</l><lb/>
              <l>Flieg auf, und &#x017F;chwinge dein Ge&#x017F;ieder;</l><lb/>
              <l>Dann wirff mit Macht die Schnecke nieder.</l><lb/>
              <l>Zerbrich die Schaal und glaube mir</l><lb/>
              <l>Du ha&#x017F;t dann Spei&#x017F;e nach Begier.</l><lb/>
              <l>Die Kra&#x0364;he lehrt den Adler &#x017F;o.</l><lb/>
              <l>Deß ward die Schnecke gar nicht froh.</l><lb/>
              <l>Er warf &#x017F;ie und ihr gantzes Haus</l><lb/>
              <l>An einen Stein, es brach, &#x017F;ie fiel heraus.</l><lb/>
              <l>Die Kra&#x0364;he nahm der Beute wahr,</l><lb/>
              <l>Fuhr zu, und aß &#x017F;ie vor dem Aar.</l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] Ueberſetzung aus einer Handſch. VII. Die Schnecke, der Adler und die Kraͤhe. DJe Schnecke hatte ſich tief in ihr Haus gezogen; Da kam ein ſtarcker Aar geflogen. Der faſſet ſie mit ſeinen Klauen an, Er zweifelt, was es ſey: als auf denſelben Plan Gleich eine Kraͤhe koͤmmt, und zu ihm ſaget: Hoͤre, Die Schaal iſt guter Speiſe voll: Doch folgeſt du nicht meiner Lehre, Genieſſeſt du ſie nimmer wohl. Flieg auf, und ſchwinge dein Geſieder; Dann wirff mit Macht die Schnecke nieder. Zerbrich die Schaal und glaube mir Du haſt dann Speiſe nach Begier. Die Kraͤhe lehrt den Adler ſo. Deß ward die Schnecke gar nicht froh. Er warf ſie und ihr gantzes Haus An einen Stein, es brach, ſie fiel heraus. Die Kraͤhe nahm der Beute wahr, Fuhr zu, und aß ſie vor dem Aar. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/62
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/62>, abgerufen am 05.12.2024.