Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Uebersetzung aus einer Handschr.
II.
Die Fliege und der kahle
Mann.
MAn sagt, daß eine Flieg in Ungestüme flog,
Und einen kahlen Mann vielmahls betrog.
Jndem sie ihm oft an die Stirne faß;
Wenn er dann seiner nicht vergaß,
Und mit der Hand oft nach ihr schlug,
Da floh sie bald und schnell genug.
Sie trieb hernach noch ihr Gespötte,
Daß er sich selbst geschlagen hätte.
Bald aber flog sie wieder dar.
Der kahle Mann nimmt ihrer wahr
Und spricht: O Fliege hör was ich dir sage.
Ob ich dir deinen Spott vertrage,
Und ob ich mich gleich zehnmahl schlage:
So werd ich doch davon nicht wund,
Jch bleib hernach wie vor gesund.
Dein Stachel tödet auch nicht mich;
Träff' aber ich nur einmahl dich,
So lägest du im Staube todt.
Begiebt sich jemand selbst in Noth
Durch kleinen Schaden, den er thut,
Der hat wohl einen tummen Muth.
Der
Ueberſetzung aus einer Handſchr.
II.
Die Fliege und der kahle
Mann.
MAn ſagt, daß eine Flieg in Ungeſtuͤme flog,
Und einen kahlen Mann vielmahls betrog.
Jndem ſie ihm oft an die Stirne faß;
Wenn er dann ſeiner nicht vergaß,
Und mit der Hand oft nach ihr ſchlug,
Da floh ſie bald und ſchnell genug.
Sie trieb hernach noch ihr Geſpoͤtte,
Daß er ſich ſelbſt geſchlagen haͤtte.
Bald aber flog ſie wieder dar.
Der kahle Mann nimmt ihrer wahr
Und ſpricht: O Fliege hoͤr was ich dir ſage.
Ob ich dir deinen Spott vertrage,
Und ob ich mich gleich zehnmahl ſchlage:
So werd ich doch davon nicht wund,
Jch bleib hernach wie vor geſund.
Dein Stachel toͤdet auch nicht mich;
Traͤff’ aber ich nur einmahl dich,
So laͤgeſt du im Staube todt.
Begiebt ſich jemand ſelbſt in Noth
Durch kleinen Schaden, den er thut,
Der hat wohl einen tummen Muth.
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0056" n="56"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ueber&#x017F;etzung aus einer Hand&#x017F;chr.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">II.</hi> </hi> </hi> </head><lb/>
            <head> <hi rendition="#b">Die Fliege und der kahle<lb/>
Mann.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">M</hi>An &#x017F;agt, daß eine Flieg in Unge&#x017F;tu&#x0364;me flog,</l><lb/>
              <l>Und einen kahlen Mann vielmahls betrog.</l><lb/>
              <l>Jndem &#x017F;ie ihm oft an die Stirne faß;</l><lb/>
              <l>Wenn er dann &#x017F;einer nicht vergaß,</l><lb/>
              <l>Und mit der Hand oft nach ihr &#x017F;chlug,</l><lb/>
              <l>Da floh &#x017F;ie bald und &#x017F;chnell genug.</l><lb/>
              <l>Sie trieb hernach noch ihr Ge&#x017F;po&#x0364;tte,</l><lb/>
              <l>Daß er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chlagen ha&#x0364;tte.</l><lb/>
              <l>Bald aber flog &#x017F;ie wieder dar.</l><lb/>
              <l>Der kahle Mann nimmt ihrer wahr</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;pricht: O Fliege ho&#x0364;r was ich dir &#x017F;age.</l><lb/>
              <l>Ob ich dir deinen Spott vertrage,</l><lb/>
              <l>Und ob ich mich gleich zehnmahl &#x017F;chlage:</l><lb/>
              <l>So werd ich doch davon nicht wund,</l><lb/>
              <l>Jch bleib hernach wie vor ge&#x017F;und.</l><lb/>
              <l>Dein Stachel to&#x0364;det auch nicht mich;</l><lb/>
              <l>Tra&#x0364;ff&#x2019; aber ich nur einmahl dich,</l><lb/>
              <l>So la&#x0364;ge&#x017F;t du im Staube todt.</l><lb/>
              <l>Begiebt &#x017F;ich jemand &#x017F;elb&#x017F;t in Noth</l><lb/>
              <l>Durch kleinen Schaden, den er thut,</l><lb/>
              <l>Der hat wohl einen tummen Muth.</l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Der</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0056] Ueberſetzung aus einer Handſchr. II. Die Fliege und der kahle Mann. MAn ſagt, daß eine Flieg in Ungeſtuͤme flog, Und einen kahlen Mann vielmahls betrog. Jndem ſie ihm oft an die Stirne faß; Wenn er dann ſeiner nicht vergaß, Und mit der Hand oft nach ihr ſchlug, Da floh ſie bald und ſchnell genug. Sie trieb hernach noch ihr Geſpoͤtte, Daß er ſich ſelbſt geſchlagen haͤtte. Bald aber flog ſie wieder dar. Der kahle Mann nimmt ihrer wahr Und ſpricht: O Fliege hoͤr was ich dir ſage. Ob ich dir deinen Spott vertrage, Und ob ich mich gleich zehnmahl ſchlage: So werd ich doch davon nicht wund, Jch bleib hernach wie vor geſund. Dein Stachel toͤdet auch nicht mich; Traͤff’ aber ich nur einmahl dich, So laͤgeſt du im Staube todt. Begiebt ſich jemand ſelbſt in Noth Durch kleinen Schaden, den er thut, Der hat wohl einen tummen Muth. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/56
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/56>, abgerufen am 23.11.2024.