Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
des sechszehnten Jahrhunderts.
Wie soll des Lasters werden Rath
Dem all sein Ehr zu Laster gat.
Vil mancher hat der Ehre Namen,
Und will sich doch der Ehre schamen.

Von dem Lobe:

Wer wohl thut, lobt sich selber wohl.

Von Gewalt:

Es ward kein Kayser nie so reich
Ich mag ihm seyn an denken gleich.
Die Fürsten zwingen mit Gewalt
Das Feld, Stein, Wasser, Berg und Wald.
Dazu all Thier, beid wild und zam,
Sie thetens auch der Luft allsam
Wo sie vermoechten mit Gewalt
Aber Gott hat solches abgestalt.
Sie müssen die gemein lan seyn.
Moechten sie uns der Sonnen Schein
Verbergen, den Tauw, Wind und Regen,
Sie liessen es nicht unterwegen.

Man wird in diesen Exempeln den natürli-
chen Nachdruck der alten Sprache durchge-
hends wahrnehmen. Die Wörter sind nicht
so zerfetzet und zerbissen, wie bey Branden;
von dem Sylbenmasse können wir nicht wohl
urtheilen, weil es uns nicht völlig bekannt ist,
und man über das aus gewissen Merckzeichen
gewahr wird, daß hin und wieder einige Syl-
ben von dem Abschreiber bald weggeworffen,
bald hinzugesetzet worden. Es kömmt mir
auch vor, als ob einige alte Wörter aus-

gemer-
B 2
des ſechszehnten Jahrhunderts.
Wie ſoll des Laſters werden Rath
Dem all ſein Ehr zu Laſter gat.
Vil mancher hat der Ehre Namen,
Und will ſich doch der Ehre ſchamen.

Von dem Lobe:

Wer wohl thut, lobt ſich ſelber wohl.

Von Gewalt:

Es ward kein Kayſer nie ſo reich
Ich mag ihm ſeyn an denken gleich.
Die Fürſten zwingen mit Gewalt
Das Feld, Stein, Waſſer, Berg und Wald.
Dazu all Thier, beid wild und zam,
Sie thetens auch der Luft allſam
Wo ſie vermœchten mit Gewalt
Aber Gott hat ſolches abgeſtalt.
Sie müſſen die gemein lan ſeyn.
Mœchten ſie uns der Sonnen Schein
Verbergen, den Tauw, Wind und Regen,
Sie lieſſen es nicht unterwegen.

Man wird in dieſen Exempeln den natuͤrli-
chen Nachdruck der alten Sprache durchge-
hends wahrnehmen. Die Woͤrter ſind nicht
ſo zerfetzet und zerbiſſen, wie bey Branden;
von dem Sylbenmaſſe koͤnnen wir nicht wohl
urtheilen, weil es uns nicht voͤllig bekannt iſt,
und man uͤber das aus gewiſſen Merckzeichen
gewahr wird, daß hin und wieder einige Syl-
ben von dem Abſchreiber bald weggeworffen,
bald hinzugeſetzet worden. Es koͤmmt mir
auch vor, als ob einige alte Woͤrter aus-

gemer-
B 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0019" n="19"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">des &#x017F;echszehnten Jahrhunderts.</hi> </fw><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Wie &#x017F;oll des La&#x017F;ters werden Rath</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Dem all &#x017F;ein Ehr zu La&#x017F;ter gat.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Vil mancher hat der Ehre Namen,</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Und will &#x017F;ich doch der Ehre &#x017F;chamen.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p>Von dem Lobe:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">Wer wohl thut, lobt &#x017F;ich &#x017F;elber wohl.</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Von Gewalt:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#aq">Es ward kein Kay&#x017F;er nie &#x017F;o reich</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Ich mag ihm &#x017F;eyn an denken gleich.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Die Für&#x017F;ten zwingen mit Gewalt</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Das Feld, Stein, Wa&#x017F;&#x017F;er, Berg und Wald.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Dazu all Thier, beid wild und zam,</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Sie thetens auch der Luft all&#x017F;am</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Wo &#x017F;ie verm&#x0153;chten mit Gewalt</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Aber Gott hat &#x017F;olches abge&#x017F;talt.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Sie mü&#x017F;&#x017F;en die gemein lan &#x017F;eyn.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">M&#x0153;chten &#x017F;ie uns der Sonnen Schein</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Verbergen, den Tauw, Wind und Regen,</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">Sie lie&#x017F;&#x017F;en es nicht unterwegen.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p>Man wird in die&#x017F;en Exempeln den natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Nachdruck der alten Sprache durchge-<lb/>
hends wahrnehmen. Die Wo&#x0364;rter &#x017F;ind nicht<lb/>
&#x017F;o zerfetzet und zerbi&#x017F;&#x017F;en, wie bey Branden;<lb/>
von dem Sylbenma&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;nnen wir nicht wohl<lb/>
urtheilen, weil es uns nicht vo&#x0364;llig bekannt i&#x017F;t,<lb/>
und man u&#x0364;ber das aus gewi&#x017F;&#x017F;en Merckzeichen<lb/>
gewahr wird, daß hin und wieder einige Syl-<lb/>
ben von dem Ab&#x017F;chreiber bald weggeworffen,<lb/>
bald hinzuge&#x017F;etzet worden. Es ko&#x0364;mmt mir<lb/>
auch vor, als ob einige alte Wo&#x0364;rter aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gemer-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[19/0019] des ſechszehnten Jahrhunderts. Wie ſoll des Laſters werden Rath Dem all ſein Ehr zu Laſter gat. Vil mancher hat der Ehre Namen, Und will ſich doch der Ehre ſchamen. Von dem Lobe: Wer wohl thut, lobt ſich ſelber wohl. Von Gewalt: Es ward kein Kayſer nie ſo reich Ich mag ihm ſeyn an denken gleich. Die Fürſten zwingen mit Gewalt Das Feld, Stein, Waſſer, Berg und Wald. Dazu all Thier, beid wild und zam, Sie thetens auch der Luft allſam Wo ſie vermœchten mit Gewalt Aber Gott hat ſolches abgeſtalt. Sie müſſen die gemein lan ſeyn. Mœchten ſie uns der Sonnen Schein Verbergen, den Tauw, Wind und Regen, Sie lieſſen es nicht unterwegen. Man wird in dieſen Exempeln den natuͤrli- chen Nachdruck der alten Sprache durchge- hends wahrnehmen. Die Woͤrter ſind nicht ſo zerfetzet und zerbiſſen, wie bey Branden; von dem Sylbenmaſſe koͤnnen wir nicht wohl urtheilen, weil es uns nicht voͤllig bekannt iſt, und man uͤber das aus gewiſſen Merckzeichen gewahr wird, daß hin und wieder einige Syl- ben von dem Abſchreiber bald weggeworffen, bald hinzugeſetzet worden. Es koͤmmt mir auch vor, als ob einige alte Woͤrter aus- gemer- B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/19
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/19>, abgerufen am 24.11.2024.