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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhundert.

Von ihrer Unerschrokenheit konnte man uns
keinen höhern Begriff erwecken, als mit der kur-
zen Rede bey Jßstein:

"Aber bey Jßstein, ei-
"nem Schloß, welches zerstört, öde, und bloß
"stehet, wollte sich auch ein Strudel streuben,
"und begunte grosse Wellen aufzutreiben. Jedoch
"die Gesellschaft verachtete ihn, und sprach: Er
"hätte gleich so viele Macht, als dieses Schloß,
"bey dem er herstrudelte; welches zur Wehre
"gar verhudelt wäre. Konnten wir Strudelberg
"durchdringen, so wollen wir auch Hügel über-
"springen. Kan uns keine Hitze den Muth zer-
"spalten, so wird den auch kein Eisstein er-
"kalten."

Noch mehr Reden finden wir unter dem Titel
der Maschinen, welche wir noch zu betrachten
übrig haben. Diese Reden sind zwar andern Per-
sonen, als den Schiffenden in den Mund gele-
get, denn der Poet hat nach der Manier der
Alten ein gewisses Ministerium Deorum in sei-
nem Gedichte eingeführet, wodurch er der Klei-
nigkeit desselben trefflich geholffen, und ihm ein
grosses Ansehen mitgetheilet hat. Eine Kunst, wel-
che sonst auch unser Frauenzimmer mit ihren klei-
nen Wahren und Gunstbezeugungen wohl ver-
steht, welche sie, wie Opitz sagt, mit Worten
zu bessern
wissen. Diese Personen sind die Lim-
mat, der Rhein, und die Sonne; welche Fisch-
art an dem Geschicke und Fortgang des Glückes-
schiffes gewissermassen Antheil nehmen läßt. Von
der Limmat erzehlt er uns zwar allein, was sie
vor Gedancken gehabt habe, sie selber läßt er

nicht
des ſechszehnten Jahrhundert.

Von ihrer Unerſchrokenheit konnte man uns
keinen hoͤhern Begriff erwecken, als mit der kur-
zen Rede bey Jßſtein:

„Aber bey Jßſtein, ei-
„nem Schloß, welches zerſtoͤrt, oͤde, und bloß
„ſtehet, wollte ſich auch ein Strudel ſtreuben,
„und begunte groſſe Wellen aufzutreiben. Jedoch
„die Geſellſchaft verachtete ihn, und ſprach: Er
„haͤtte gleich ſo viele Macht, als dieſes Schloß,
„bey dem er herſtrudelte; welches zur Wehre
„gar verhudelt waͤre. Konnten wir Strudelberg
„durchdringen, ſo wollen wir auch Huͤgel uͤber-
„ſpringen. Kan uns keine Hitze den Muth zer-
„ſpalten, ſo wird den auch kein Eisſtein er-
„kalten.„

Noch mehr Reden finden wir unter dem Titel
der Maſchinen, welche wir noch zu betrachten
uͤbrig haben. Dieſe Reden ſind zwar andern Per-
ſonen, als den Schiffenden in den Mund gele-
get, denn der Poet hat nach der Manier der
Alten ein gewiſſes Miniſterium Deorum in ſei-
nem Gedichte eingefuͤhret, wodurch er der Klei-
nigkeit deſſelben trefflich geholffen, und ihm ein
groſſes Anſehen mitgetheilet hat. Eine Kunſt, wel-
che ſonſt auch unſer Frauenzimmer mit ihren klei-
nen Wahren und Gunſtbezeugungen wohl ver-
ſteht, welche ſie, wie Opitz ſagt, mit Worten
zu beſſern
wiſſen. Dieſe Perſonen ſind die Lim-
mat, der Rhein, und die Sonne; welche Fiſch-
art an dem Geſchicke und Fortgang des Gluͤckes-
ſchiffes gewiſſermaſſen Antheil nehmen laͤßt. Von
der Limmat erzehlt er uns zwar allein, was ſie
vor Gedancken gehabt habe, ſie ſelber laͤßt er

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[63/0063] des ſechszehnten Jahrhundert. Von ihrer Unerſchrokenheit konnte man uns keinen hoͤhern Begriff erwecken, als mit der kur- zen Rede bey Jßſtein: „Aber bey Jßſtein, ei- „nem Schloß, welches zerſtoͤrt, oͤde, und bloß „ſtehet, wollte ſich auch ein Strudel ſtreuben, „und begunte groſſe Wellen aufzutreiben. Jedoch „die Geſellſchaft verachtete ihn, und ſprach: Er „haͤtte gleich ſo viele Macht, als dieſes Schloß, „bey dem er herſtrudelte; welches zur Wehre „gar verhudelt waͤre. Konnten wir Strudelberg „durchdringen, ſo wollen wir auch Huͤgel uͤber- „ſpringen. Kan uns keine Hitze den Muth zer- „ſpalten, ſo wird den auch kein Eisſtein er- „kalten.„ Noch mehr Reden finden wir unter dem Titel der Maſchinen, welche wir noch zu betrachten uͤbrig haben. Dieſe Reden ſind zwar andern Per- ſonen, als den Schiffenden in den Mund gele- get, denn der Poet hat nach der Manier der Alten ein gewiſſes Miniſterium Deorum in ſei- nem Gedichte eingefuͤhret, wodurch er der Klei- nigkeit deſſelben trefflich geholffen, und ihm ein groſſes Anſehen mitgetheilet hat. Eine Kunſt, wel- che ſonſt auch unſer Frauenzimmer mit ihren klei- nen Wahren und Gunſtbezeugungen wohl ver- ſteht, welche ſie, wie Opitz ſagt, mit Worten zu beſſern wiſſen. Dieſe Perſonen ſind die Lim- mat, der Rhein, und die Sonne; welche Fiſch- art an dem Geſchicke und Fortgang des Gluͤckes- ſchiffes gewiſſermaſſen Antheil nehmen laͤßt. Von der Limmat erzehlt er uns zwar allein, was ſie vor Gedancken gehabt habe, ſie ſelber laͤßt er nicht

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/63>, abgerufen am 24.11.2024.