[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.unter dem schwäbisch. Stamme. Ausdruckes. Sie haben es ihm nicht nur ver-ziehen, sondern sie haben diese Marotische Schreib- art mit unter ihre begünstigten Moden auf- und an- genommen. Sie ward dem zierlichen Schertz und der geistreichen Kurtzweil gewidmet, in welchen Marot ein so grosser Meister gewesen war, und kündiget uns diese zuvor an, wie den Harlekin der Schnitt und die Farbe seines Kleides. Wenn meine Landesleute in die Gemüthsverfassung kä- men, für den artigen Schertz gleichermassen eine besondere Sprache einzuführen, so könnten sie in diesen alten Fabeln schon eine ziemliche Anzahl geschickter Wörter und Ausdrücke zu diesem En- de antreffen. Jch verstehe keinesweges solche Flick- wörter und Flickzeilen, welche zu der Sache und der Absicht gar nichts thun, und nur um des Reimes willen da sind, womit Hans Sach- sens Arbeit zusammengeschmiert ist. Diese sind vielmehr lächerlich als lustig, und ergetzen nur mittelmässige Geister durch ihre abgeschmackt- unvernünftige Zusammensetzung. Jch will in diese Sprache auch die han, lan, gie, lie, vie, kan, statt, haben, lassen, gieng, ließ, fieng, kam, nicht aufnehmen, weil sie in Hans Sachsens Schriften verächtlich und pöbelhaft geworden, ungeachtet solche in der poetischen Sprache des schwäbischen Weltalters mit allen Ehren ihren Platz behaupteten. Dantes und die Poeten Jta- liens von seiner Zeit haben in ihren Schriften eine Menge solcher verschnittenen Wörter gebraucht, welche sich bey der einmahl empfangenen Ehre und Würde bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Von D 3
unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. Ausdruckes. Sie haben es ihm nicht nur ver-ziehen, ſondern ſie haben dieſe Marotiſche Schreib- art mit unter ihre beguͤnſtigten Moden auf- und an- genommen. Sie ward dem zierlichen Schertz und der geiſtreichen Kurtzweil gewidmet, in welchen Marot ein ſo groſſer Meiſter geweſen war, und kuͤndiget uns dieſe zuvor an, wie den Harlekin der Schnitt und die Farbe ſeines Kleides. Wenn meine Landesleute in die Gemuͤthsverfaſſung kaͤ- men, fuͤr den artigen Schertz gleichermaſſen eine beſondere Sprache einzufuͤhren, ſo koͤnnten ſie in dieſen alten Fabeln ſchon eine ziemliche Anzahl geſchickter Woͤrter und Ausdruͤcke zu dieſem En- de antreffen. Jch verſtehe keinesweges ſolche Flick- woͤrter und Flickzeilen, welche zu der Sache und der Abſicht gar nichts thun, und nur um des Reimes willen da ſind, womit Hans Sach- ſens Arbeit zuſammengeſchmiert iſt. Dieſe ſind vielmehr laͤcherlich als luſtig, und ergetzen nur mittelmaͤſſige Geiſter durch ihre abgeſchmackt- unvernuͤnftige Zuſammenſetzung. Jch will in dieſe Sprache auch die han, lan, gie, lie, vie, kan, ſtatt, haben, laſſen, gieng, ließ, fieng, kam, nicht aufnehmen, weil ſie in Hans Sachſens Schriften veraͤchtlich und poͤbelhaft geworden, ungeachtet ſolche in der poetiſchen Sprache des ſchwaͤbiſchen Weltalters mit allen Ehren ihren Platz behaupteten. Dantes und die Poeten Jta- liens von ſeiner Zeit haben in ihren Schriften eine Menge ſolcher verſchnittenen Woͤrter gebraucht, welche ſich bey der einmahl empfangenen Ehre und Wuͤrde bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Von D 3
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unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
Ausdruckes. Sie haben es ihm nicht nur ver-
ziehen, ſondern ſie haben dieſe Marotiſche Schreib-
art mit unter ihre beguͤnſtigten Moden auf- und an-
genommen. Sie ward dem zierlichen Schertz und
der geiſtreichen Kurtzweil gewidmet, in welchen
Marot ein ſo groſſer Meiſter geweſen war, und
kuͤndiget uns dieſe zuvor an, wie den Harlekin
der Schnitt und die Farbe ſeines Kleides. Wenn
meine Landesleute in die Gemuͤthsverfaſſung kaͤ-
men, fuͤr den artigen Schertz gleichermaſſen eine
beſondere Sprache einzufuͤhren, ſo koͤnnten ſie in
dieſen alten Fabeln ſchon eine ziemliche Anzahl
geſchickter Woͤrter und Ausdruͤcke zu dieſem En-
de antreffen. Jch verſtehe keinesweges ſolche Flick-
woͤrter und Flickzeilen, welche zu der Sache
und der Abſicht gar nichts thun, und nur um
des Reimes willen da ſind, womit Hans Sach-
ſens Arbeit zuſammengeſchmiert iſt. Dieſe ſind
vielmehr laͤcherlich als luſtig, und ergetzen nur
mittelmaͤſſige Geiſter durch ihre abgeſchmackt-
unvernuͤnftige Zuſammenſetzung. Jch will in dieſe
Sprache auch die han, lan, gie, lie, vie, kan,
ſtatt, haben, laſſen, gieng, ließ, fieng, kam,
nicht aufnehmen, weil ſie in Hans Sachſens
Schriften veraͤchtlich und poͤbelhaft geworden,
ungeachtet ſolche in der poetiſchen Sprache des
ſchwaͤbiſchen Weltalters mit allen Ehren ihren
Platz behaupteten. Dantes und die Poeten Jta-
liens von ſeiner Zeit haben in ihren Schriften eine
Menge ſolcher verſchnittenen Woͤrter gebraucht,
welche ſich bey der einmahl empfangenen Ehre
und Wuͤrde bis auf den heutigen Tag erhalten
haben.
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