[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.unter dem schwäbisch. Stamme. nur mit der damahligen Sprache getreulichgeschildert, was er gesehen, und empfunden, so muß sein Werk anmuthig und nachdrüklich seyn. Seine Vorstellung einfältiger und na- türlicher Sitten, wird uns einnehmen, sie wird uns das Bedürffniß und die Empfindun- gen der Menschen zeigen, sie wird uns die Be- wegungen eines unverstellten Gemüthes vor- weisen, wir werden darinnen sehen, was in unsern Hertzen vorgeht, und was vor Wege wir brauchen, wenn wir unsern Neigungen nachgeben. Es ergetzet uns dergleichen zu le- sen, weil wir gerne mit Leuten umgehen, de- nen wir ins Hertze sehen, die nichts vor uns verborgenes haben. Jn dergleichen Zeiten, da Jtalien so wohl Dieselben Zeiten hatten für einen Poeten chern.
unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. nur mit der damahligen Sprache getreulichgeſchildert, was er geſehen, und empfunden, ſo muß ſein Werk anmuthig und nachdruͤklich ſeyn. Seine Vorſtellung einfaͤltiger und na- tuͤrlicher Sitten, wird uns einnehmen, ſie wird uns das Beduͤrffniß und die Empfindun- gen der Menſchen zeigen, ſie wird uns die Be- wegungen eines unverſtellten Gemuͤthes vor- weiſen, wir werden darinnen ſehen, was in unſern Hertzen vorgeht, und was vor Wege wir brauchen, wenn wir unſern Neigungen nachgeben. Es ergetzet uns dergleichen zu le- ſen, weil wir gerne mit Leuten umgehen, de- nen wir ins Hertze ſehen, die nichts vor uns verborgenes haben. Jn dergleichen Zeiten, da Jtalien ſo wohl Dieſelben Zeiten hatten fuͤr einen Poeten chern.
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unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
nur mit der damahligen Sprache getreulich
geſchildert, was er geſehen, und empfunden,
ſo muß ſein Werk anmuthig und nachdruͤklich
ſeyn. Seine Vorſtellung einfaͤltiger und na-
tuͤrlicher Sitten, wird uns einnehmen, ſie
wird uns das Beduͤrffniß und die Empfindun-
gen der Menſchen zeigen, ſie wird uns die Be-
wegungen eines unverſtellten Gemuͤthes vor-
weiſen, wir werden darinnen ſehen, was in
unſern Hertzen vorgeht, und was vor Wege
wir brauchen, wenn wir unſern Neigungen
nachgeben. Es ergetzet uns dergleichen zu le-
ſen, weil wir gerne mit Leuten umgehen, de-
nen wir ins Hertze ſehen, die nichts vor uns
verborgenes haben.
Jn dergleichen Zeiten, da Jtalien ſo wohl
als Deutſchland in Parteyen zertheilet war, da
die kleinen Staaten gegen einander ligiert wa-
ren, mitten in dem hitzigſten Streiten und Blut-
vergieſſen der Guelfen und Gibellinen, ſchrieb
Dantes den nachdruͤklichſten Entwurff und Ab-
riß von den Menſchen und ihren Neigungen
und Leidenſchaften.
Dieſelben Zeiten hatten fuͤr einen Poeten
auch das Gluͤck, daß einer viele Reiſen thun,
und viele perſoͤnliche Anmerkungen machen kon-
te. Die Kreutzzuͤge in die Orientaliſchen Laͤn-
der gaben ihm dazu haͤufige Gelegenheiten,
und er konnte auf denſelben ſeine Phantaſie
mit einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von
Sitten, Manieren, Religionen, ꝛc. welche
mit ſeinen eigenen ſo ſtarck abſtachen, berei-
chern.
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