Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

für die epische Poesie.
ken sich in ihrer eigenen ungekünstelten Redens-
art aus. Es ist nicht an das Geplauder, und die
kleinen spitzfündigen Formeln gewöhnt, welche
die Rede eines sogenannten wohlgezogenen Men-
schen aller Kraft berauben; seine Sprache ist mit
Schulwitz, Wort- und Sinnenspielen, und Syl-
bengeklingel nicht durchsetzet; welche in allen Län-
dern sehr späthe eingerissen sind. Und dieses mag
wohl die Ursache seyn, daß alle Nationen sich so
sehr an ihren alten Poeten belustigen. Ehe sie
so höflich, und verzärtelt worden, daß sie in
Schmeicheley und Falschheit verfallen, fühlen wir
den Nachdruk ihrer Worte, und die Wahrheit
ihrer Gedanken.



Jezo sollte ich noch von den Vortheilen reden,
welche einem Poeten die glücklichen Umstände
seiner Person mittheilen; was seine Auferziehung,
seine Lebensart, und sein Glück in derselben vor
eine absonderliche Wirkung bey ihm als einem
Poeten haben müssen. Allein dieser Vortheile sind
so viel, und sie sind so mannigfaltig, wie die Ge-
legenheiten die Menschen überhaupt kennen zu ler-
nen, und absonderliche Gegenstände, so für die
Poesie bequem sind, ins Auge zu bekommen,
nothwendig seyn müssen, so daß eine solche Ab-
handlung mich weiter führen würde, als ich diß-
mahl gesonnen bin zu gehen. Jch gedenke nur
eines Stückes, nach welchem man von der Wich-
tigkeit der übrigen urtheilen kan, nemlich der vie-

len
B 3

fuͤr die epiſche Poeſie.
ken ſich in ihrer eigenen ungekuͤnſtelten Redens-
art aus. Es iſt nicht an das Geplauder, und die
kleinen ſpitzfuͤndigen Formeln gewoͤhnt, welche
die Rede eines ſogenannten wohlgezogenen Men-
ſchen aller Kraft berauben; ſeine Sprache iſt mit
Schulwitz, Wort- und Sinnenſpielen, und Syl-
bengeklingel nicht durchſetzet; welche in allen Laͤn-
dern ſehr ſpaͤthe eingeriſſen ſind. Und dieſes mag
wohl die Urſache ſeyn, daß alle Nationen ſich ſo
ſehr an ihren alten Poeten beluſtigen. Ehe ſie
ſo hoͤflich, und verzaͤrtelt worden, daß ſie in
Schmeicheley und Falſchheit verfallen, fuͤhlen wir
den Nachdruk ihrer Worte, und die Wahrheit
ihrer Gedanken.



Jezo ſollte ich noch von den Vortheilen reden,
welche einem Poeten die gluͤcklichen Umſtaͤnde
ſeiner Perſon mittheilen; was ſeine Auferziehung,
ſeine Lebensart, und ſein Gluͤck in derſelben vor
eine abſonderliche Wirkung bey ihm als einem
Poeten haben muͤſſen. Allein dieſer Vortheile ſind
ſo viel, und ſie ſind ſo mannigfaltig, wie die Ge-
legenheiten die Menſchen uͤberhaupt kennen zu ler-
nen, und abſonderliche Gegenſtaͤnde, ſo fuͤr die
Poeſie bequem ſind, ins Auge zu bekommen,
nothwendig ſeyn muͤſſen, ſo daß eine ſolche Ab-
handlung mich weiter fuͤhren wuͤrde, als ich diß-
mahl geſonnen bin zu gehen. Jch gedenke nur
eines Stuͤckes, nach welchem man von der Wich-
tigkeit der uͤbrigen urtheilen kan, nemlich der vie-

len
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="21"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">fu&#x0364;r die epi&#x017F;che Poe&#x017F;ie.</hi></fw><lb/>
ken &#x017F;ich in ihrer eigenen ungeku&#x0364;n&#x017F;telten Redens-<lb/>
art aus. Es i&#x017F;t nicht an das Geplauder, und die<lb/>
kleinen &#x017F;pitzfu&#x0364;ndigen Formeln gewo&#x0364;hnt, welche<lb/>
die Rede eines &#x017F;ogenannten wohlgezogenen Men-<lb/>
&#x017F;chen aller Kraft berauben; &#x017F;eine Sprache i&#x017F;t mit<lb/>
Schulwitz, Wort- und Sinnen&#x017F;pielen, und Syl-<lb/>
bengeklingel nicht durch&#x017F;etzet; welche in allen La&#x0364;n-<lb/>
dern &#x017F;ehr &#x017F;pa&#x0364;the eingeri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. Und die&#x017F;es mag<lb/>
wohl die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, daß alle Nationen &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr an ihren alten Poeten belu&#x017F;tigen. Ehe &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o ho&#x0364;flich, und verza&#x0364;rtelt worden, daß &#x017F;ie in<lb/>
Schmeicheley und Fal&#x017F;chheit verfallen, fu&#x0364;hlen wir<lb/>
den Nachdruk ihrer Worte, und die Wahrheit<lb/>
ihrer Gedanken.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Jezo &#x017F;ollte ich noch von den Vortheilen reden,<lb/>
welche einem Poeten die glu&#x0364;cklichen Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;einer Per&#x017F;on mittheilen; was &#x017F;eine Auferziehung,<lb/>
&#x017F;eine Lebensart, und &#x017F;ein Glu&#x0364;ck in der&#x017F;elben vor<lb/>
eine ab&#x017F;onderliche Wirkung bey ihm als einem<lb/>
Poeten haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Allein die&#x017F;er Vortheile &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;o viel, und &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;o mannigfaltig, wie die Ge-<lb/>
legenheiten die Men&#x017F;chen u&#x0364;berhaupt kennen zu ler-<lb/>
nen, und ab&#x017F;onderliche Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;o fu&#x0364;r die<lb/>
Poe&#x017F;ie bequem &#x017F;ind, ins Auge zu bekommen,<lb/>
nothwendig &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o daß eine &#x017F;olche Ab-<lb/>
handlung mich weiter fu&#x0364;hren wu&#x0364;rde, als ich diß-<lb/>
mahl ge&#x017F;onnen bin zu gehen. Jch gedenke nur<lb/>
eines Stu&#x0364;ckes, nach welchem man von der Wich-<lb/>
tigkeit der u&#x0364;brigen urtheilen kan, nemlich der vie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">len</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0021] fuͤr die epiſche Poeſie. ken ſich in ihrer eigenen ungekuͤnſtelten Redens- art aus. Es iſt nicht an das Geplauder, und die kleinen ſpitzfuͤndigen Formeln gewoͤhnt, welche die Rede eines ſogenannten wohlgezogenen Men- ſchen aller Kraft berauben; ſeine Sprache iſt mit Schulwitz, Wort- und Sinnenſpielen, und Syl- bengeklingel nicht durchſetzet; welche in allen Laͤn- dern ſehr ſpaͤthe eingeriſſen ſind. Und dieſes mag wohl die Urſache ſeyn, daß alle Nationen ſich ſo ſehr an ihren alten Poeten beluſtigen. Ehe ſie ſo hoͤflich, und verzaͤrtelt worden, daß ſie in Schmeicheley und Falſchheit verfallen, fuͤhlen wir den Nachdruk ihrer Worte, und die Wahrheit ihrer Gedanken. Jezo ſollte ich noch von den Vortheilen reden, welche einem Poeten die gluͤcklichen Umſtaͤnde ſeiner Perſon mittheilen; was ſeine Auferziehung, ſeine Lebensart, und ſein Gluͤck in derſelben vor eine abſonderliche Wirkung bey ihm als einem Poeten haben muͤſſen. Allein dieſer Vortheile ſind ſo viel, und ſie ſind ſo mannigfaltig, wie die Ge- legenheiten die Menſchen uͤberhaupt kennen zu ler- nen, und abſonderliche Gegenſtaͤnde, ſo fuͤr die Poeſie bequem ſind, ins Auge zu bekommen, nothwendig ſeyn muͤſſen, ſo daß eine ſolche Ab- handlung mich weiter fuͤhren wuͤrde, als ich diß- mahl geſonnen bin zu gehen. Jch gedenke nur eines Stuͤckes, nach welchem man von der Wich- tigkeit der uͤbrigen urtheilen kan, nemlich der vie- len B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/21
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/21>, abgerufen am 21.11.2024.