[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.zur III. Gottsch. Dichtk. der eine Ode, noch eine Cantate; weder einSchäfergedichte, noch eine Elegie; weder ein poetisches Schreiben, noch eine Satire; weder ein Sinngedicht, noch ein Lobgedicht; weder ei- ne Epopee, noch ein Trauerspiel; weder eine Comödie noch eine Oper machen lernen. Alles dieses stehet in der zürcher Dichtkunst nicht c: es sey nun, weil etwa in allen diesen Stücken die Critick des Gottschedischen Versuches werden die wichtigsten Fra- gen für einen Poeten erörtert, die man in der Zürchischen Dichtkunst vergeblich suchen wird: als z. E. ob der Mensch gesungen haben würde, wenn er gleich keine Vögel in der Welt gefunden hätte? Cap. I. §. 3. Ob die alte Schwe- dische Sprache eine Tochter der Scythischen und alten Cel- tischen gewesen sey, wie die Deutsche? §. 7. Ob man den Ursprung der Poesie dem ersten Rausche zu dancken habe? §. 18. Ob man mit besserm Recht sage, die Kinder seyn wie Affen; oder die Affen seyn wie Kinder? Cap. II. §. 9. etc. etc. c Alles dieses stehet in der Zürcher Dichtkunst nicht)
Wenn ich nach Gottscheds Logick beweisen sollte, daß seine Critische Dichtkunst des Aristoteles Poetick an Vollständig- keit und Nutzbarkeit weit übertreffe; so würde ich sagen, daß man beym Aristoteles nichts von den Regeln finde, wie eine Cantate, ein Schäfergedichte, eine Elegie, ein poetisches Sendschreiben, ein Sinngedichte, ein Madri- gal, ein Rondeau, eine Oper eingerichtet seyn müssen: Folglich, daß man daraus keins von diesen Gedichten ma- chen lerne; aber wohl aus Hrn. Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst für die Deutschen. "Wer also "Aristoteles Poetick in der Absicht kauffen wollte, diese "Arten der Gedichte daraus abfassen zu lernen, der "würde sich sehr betrügen, und sein Geld hernach zu "spät bereuen." zur III. Gottſch. Dichtk. der eine Ode, noch eine Cantate; weder einSchaͤfergedichte, noch eine Elegie; weder ein poetiſches Schreiben, noch eine Satire; weder ein Sinngedicht, noch ein Lobgedicht; weder ei- ne Epopee, noch ein Trauerſpiel; weder eine Comoͤdie noch eine Oper machen lernen. Alles dieſes ſtehet in der zuͤrcher Dichtkunſt nicht c: es ſey nun, weil etwa in allen dieſen Stuͤcken die Critick des Gottſchediſchen Verſuches werden die wichtigſten Fra- gen fuͤr einen Poeten eroͤrtert, die man in der Zuͤrchiſchen Dichtkunſt vergeblich ſuchen wird: als z. E. ob der Menſch geſungen haben wuͤrde, wenn er gleich keine Voͤgel in der Welt gefunden haͤtte? Cap. I. §. 3. Ob die alte Schwe- diſche Sprache eine Tochter der Scythiſchen und alten Cel- tiſchen geweſen ſey, wie die Deutſche? §. 7. Ob man den Urſprung der Poeſie dem erſten Rauſche zu dancken habe? §. 18. Ob man mit beſſerm Recht ſage, die Kinder ſeyn wie Affen; oder die Affen ſeyn wie Kinder? Cap. II. §. 9. ꝛc. ꝛc. c Alles dieſes ſtehet in der Zuͤrcher Dichtkunſt nicht)
Wenn ich nach Gottſcheds Logick beweiſen ſollte, daß ſeine Critiſche Dichtkunſt des Ariſtoteles Poetick an Vollſtaͤndig- keit und Nutzbarkeit weit uͤbertreffe; ſo wuͤrde ich ſagen, daß man beym Ariſtoteles nichts von den Regeln finde, wie eine Cantate, ein Schaͤfergedichte, eine Elegie, ein poetiſches Sendſchreiben, ein Sinngedichte, ein Madri- gal, ein Rondeau, eine Oper eingerichtet ſeyn muͤſſen: Folglich, daß man daraus keins von dieſen Gedichten ma- chen lerne; aber wohl aus Hrn. Gottſcheds Verſuch einer Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen. „Wer alſo „Ariſtoteles Poetick in der Abſicht kauffen wollte, dieſe „Arten der Gedichte daraus abfaſſen zu lernen, der „wuͤrde ſich ſehr betruͤgen, und ſein Geld hernach zu „ſpaͤt bereuen.„ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0109" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">zur <hi rendition="#aq">III.</hi> Gottſch. Dichtk.</hi></fw><lb/> der eine Ode, noch eine Cantate; weder ein<lb/> Schaͤfergedichte, noch eine Elegie; weder ein<lb/> poetiſches Schreiben, noch eine Satire; weder<lb/> ein Sinngedicht, noch ein Lobgedicht; weder ei-<lb/> ne Epopee, noch ein Trauerſpiel; weder eine<lb/> Comoͤdie noch eine Oper machen lernen. Alles<lb/> dieſes ſtehet in der zuͤrcher Dichtkunſt nicht <note place="foot" n="c"><hi rendition="#fr">Alles dieſes ſtehet in der Zuͤrcher Dichtkunſt nicht)</hi><lb/> Wenn ich nach Gottſcheds Logick beweiſen ſollte, daß ſeine<lb/> Critiſche Dichtkunſt des Ariſtoteles Poetick an Vollſtaͤndig-<lb/> keit und Nutzbarkeit weit uͤbertreffe; ſo wuͤrde ich ſagen,<lb/> daß man beym Ariſtoteles nichts von den Regeln finde,<lb/> wie eine Cantate, ein Schaͤfergedichte, eine Elegie, ein<lb/> poetiſches Sendſchreiben, ein Sinngedichte, ein Madri-<lb/> gal, ein Rondeau, eine Oper eingerichtet ſeyn muͤſſen:<lb/> Folglich, daß man daraus keins von dieſen Gedichten ma-<lb/> chen lerne; aber wohl aus Hrn. Gottſcheds <hi rendition="#fr">Verſuch einer<lb/> Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen.</hi> „Wer alſo<lb/> „Ariſtoteles Poetick in der Abſicht kauffen wollte, dieſe<lb/> „Arten der Gedichte daraus abfaſſen zu lernen, der<lb/> „wuͤrde ſich ſehr betruͤgen, und ſein Geld hernach zu<lb/> „ſpaͤt bereuen.„</note>: es<lb/> ſey nun, weil etwa in allen dieſen Stuͤcken die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Critick</fw><lb/><note xml:id="f40" prev="#f39" place="foot" n="b">des Gottſchediſchen Verſuches werden die wichtigſten Fra-<lb/> gen fuͤr einen Poeten eroͤrtert, die man in der Zuͤrchiſchen<lb/> Dichtkunſt vergeblich ſuchen wird: als z. E. ob der Menſch<lb/> geſungen haben wuͤrde, wenn er gleich keine Voͤgel in der<lb/> Welt gefunden haͤtte? Cap. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 3. Ob die alte Schwe-<lb/> diſche Sprache eine Tochter der Scythiſchen und alten Cel-<lb/> tiſchen geweſen ſey, wie die Deutſche? §. 7. Ob man<lb/> den Urſprung der Poeſie dem erſten Rauſche zu dancken<lb/> habe? §. 18. Ob man mit beſſerm Recht ſage, die<lb/> Kinder ſeyn wie Affen; oder die Affen ſeyn wie Kinder?<lb/> Cap. <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 9. ꝛc. ꝛc.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0109]
zur III. Gottſch. Dichtk.
der eine Ode, noch eine Cantate; weder ein
Schaͤfergedichte, noch eine Elegie; weder ein
poetiſches Schreiben, noch eine Satire; weder
ein Sinngedicht, noch ein Lobgedicht; weder ei-
ne Epopee, noch ein Trauerſpiel; weder eine
Comoͤdie noch eine Oper machen lernen. Alles
dieſes ſtehet in der zuͤrcher Dichtkunſt nicht c: es
ſey nun, weil etwa in allen dieſen Stuͤcken die
Critick
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c Alles dieſes ſtehet in der Zuͤrcher Dichtkunſt nicht)
Wenn ich nach Gottſcheds Logick beweiſen ſollte, daß ſeine
Critiſche Dichtkunſt des Ariſtoteles Poetick an Vollſtaͤndig-
keit und Nutzbarkeit weit uͤbertreffe; ſo wuͤrde ich ſagen,
daß man beym Ariſtoteles nichts von den Regeln finde,
wie eine Cantate, ein Schaͤfergedichte, eine Elegie, ein
poetiſches Sendſchreiben, ein Sinngedichte, ein Madri-
gal, ein Rondeau, eine Oper eingerichtet ſeyn muͤſſen:
Folglich, daß man daraus keins von dieſen Gedichten ma-
chen lerne; aber wohl aus Hrn. Gottſcheds Verſuch einer
Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen. „Wer alſo
„Ariſtoteles Poetick in der Abſicht kauffen wollte, dieſe
„Arten der Gedichte daraus abfaſſen zu lernen, der
„wuͤrde ſich ſehr betruͤgen, und ſein Geld hernach zu
„ſpaͤt bereuen.„
b des Gottſchediſchen Verſuches werden die wichtigſten Fra-
gen fuͤr einen Poeten eroͤrtert, die man in der Zuͤrchiſchen
Dichtkunſt vergeblich ſuchen wird: als z. E. ob der Menſch
geſungen haben wuͤrde, wenn er gleich keine Voͤgel in der
Welt gefunden haͤtte? Cap. I. §. 3. Ob die alte Schwe-
diſche Sprache eine Tochter der Scythiſchen und alten Cel-
tiſchen geweſen ſey, wie die Deutſche? §. 7. Ob man
den Urſprung der Poeſie dem erſten Rauſche zu dancken
habe? §. 18. Ob man mit beſſerm Recht ſage, die
Kinder ſeyn wie Affen; oder die Affen ſeyn wie Kinder?
Cap. II. §. 9. ꝛc. ꝛc.
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