[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.Neue Vorrede erfüllet, und sein Vorhaben zulänglich ausge-führet hätte: so würde er sich gewiß nicht zum andernmale daran gemachet haben. Eine Jlias nach dem Homer zu schreiben, das heißt also nach der Meinung dieser Richter, eben so viel, als diesen Dichter mit seiner Arbeit ver- werffen, und ihm auf eine verdeckte Art in die Augen sagen, daß sein Werck nichts tauge, und noch einmahl ausgearbeitet werden müsse. Allein so wahrscheinlich auch immermehr diese befreyen R So kan ich mich doch denselben nicht ergeben) Po- pulus me sibilat; At ego mihi plaudo ipse domi. S Ohne Ruhm zu melden, bin ich der erste gewesen)
Versteht sichs, der seinem Buche, wider alles Verdienen, den Titel einer Critischen Dichtkunst zuzulegen das Hertz oder die Verwegenheit gehabt; obgleich in dem gantzen Buche nichts critisches zu finden ist: Daß also das Joch der Beurtheilungskraft, welches Hr. Gottsched der Poe- sie aufgeleget hat, nur in einer blossen Prahlerey bestehet. Neue Vorrede erfuͤllet, und ſein Vorhaben zulaͤnglich ausge-fuͤhret haͤtte: ſo wuͤrde er ſich gewiß nicht zum andernmale daran gemachet haben. Eine Jlias nach dem Homer zu ſchreiben, das heißt alſo nach der Meinung dieſer Richter, eben ſo viel, als dieſen Dichter mit ſeiner Arbeit ver- werffen, und ihm auf eine verdeckte Art in die Augen ſagen, daß ſein Werck nichts tauge, und noch einmahl ausgearbeitet werden muͤſſe. Allein ſo wahrſcheinlich auch immermehr dieſe befreyen R So kan ich mich doch denſelben nicht ergeben) Po- pulus me ſibilat; At ego mihi plaudo ipſe domi. S Ohne Ruhm zu melden, bin ich der erſte geweſen)
Verſteht ſichs, der ſeinem Buche, wider alles Verdienen, den Titel einer Critiſchen Dichtkunſt zuzulegen das Hertz oder die Verwegenheit gehabt; obgleich in dem gantzen Buche nichts critiſches zu finden iſt: Daß alſo das Joch der Beurtheilungskraft, welches Hr. Gottſched der Poe- ſie aufgeleget hat, nur in einer bloſſen Prahlerey beſtehet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0104" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neue Vorrede</hi></fw><lb/> erfuͤllet, und ſein Vorhaben zulaͤnglich ausge-<lb/> fuͤhret haͤtte: ſo wuͤrde er ſich gewiß nicht zum<lb/> andernmale daran gemachet haben. Eine<lb/> Jlias nach dem Homer zu ſchreiben, das heißt<lb/> alſo nach der Meinung dieſer Richter, eben ſo<lb/> viel, als dieſen Dichter mit ſeiner Arbeit ver-<lb/> werffen, und ihm auf eine verdeckte Art in die<lb/> Augen ſagen, daß ſein Werck nichts tauge,<lb/> und noch einmahl ausgearbeitet werden muͤſſe.</p><lb/> <p>Allein ſo wahrſcheinlich auch immermehr dieſe<lb/> Schluͤſſe zu ſeyn ſcheinen moͤgen: ſo kan ich mich<lb/> doch denenſelben nicht ergeben. <note place="foot" n="R"><hi rendition="#fr">So kan ich mich doch denſelben nicht ergeben)</hi><hi rendition="#aq">Po-<lb/> pulus me ſibilat; At ego mihi plaudo ipſe domi.</hi></note> Jch ſehe es<lb/> gar zu deutlich ein, daß man mir durch ſolche<lb/> Einſtreuungen die Freude verſaltzen will, die ich<lb/> uͤber einen critiſchen Nachfolger von ſolcher<lb/> Wichtigkeit billig empfunden habe. Ohne<lb/> Ruhm zu melden, bin ich der erſte geweſen <note place="foot" n="S"><hi rendition="#fr">Ohne Ruhm zu melden, bin ich der erſte geweſen)</hi><lb/> Verſteht ſichs, der ſeinem Buche, wider alles Verdienen,<lb/> den Titel einer <hi rendition="#fr">Critiſchen Dichtkunſt</hi> zuzulegen das Hertz<lb/> oder die Verwegenheit gehabt; obgleich in dem gantzen<lb/> Buche nichts critiſches zu finden iſt: Daß alſo das <hi rendition="#fr">Joch<lb/> der Beurtheilungskraft,</hi> welches Hr. Gottſched der Poe-<lb/> ſie aufgeleget hat, nur in einer bloſſen Prahlerey beſtehet.</note>, der<lb/> unſerer Nation eine Critiſche Dichtkunſt zu lie-<lb/> fern das Hertz, oder die Verwegenheit gehabt.<lb/> Haͤtte ich nun darinn, nach dem Urtheile der<lb/> Kenner, eine unnoͤthige Muͤhe uͤbernommen;<lb/> und waͤren andre aufgeſtanden, welche die Poe-<lb/> ſie von dem Joche der Beurtheilungskunſt zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">befreyen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0104]
Neue Vorrede
erfuͤllet, und ſein Vorhaben zulaͤnglich ausge-
fuͤhret haͤtte: ſo wuͤrde er ſich gewiß nicht zum
andernmale daran gemachet haben. Eine
Jlias nach dem Homer zu ſchreiben, das heißt
alſo nach der Meinung dieſer Richter, eben ſo
viel, als dieſen Dichter mit ſeiner Arbeit ver-
werffen, und ihm auf eine verdeckte Art in die
Augen ſagen, daß ſein Werck nichts tauge,
und noch einmahl ausgearbeitet werden muͤſſe.
Allein ſo wahrſcheinlich auch immermehr dieſe
Schluͤſſe zu ſeyn ſcheinen moͤgen: ſo kan ich mich
doch denenſelben nicht ergeben. R Jch ſehe es
gar zu deutlich ein, daß man mir durch ſolche
Einſtreuungen die Freude verſaltzen will, die ich
uͤber einen critiſchen Nachfolger von ſolcher
Wichtigkeit billig empfunden habe. Ohne
Ruhm zu melden, bin ich der erſte geweſen S, der
unſerer Nation eine Critiſche Dichtkunſt zu lie-
fern das Hertz, oder die Verwegenheit gehabt.
Haͤtte ich nun darinn, nach dem Urtheile der
Kenner, eine unnoͤthige Muͤhe uͤbernommen;
und waͤren andre aufgeſtanden, welche die Poe-
ſie von dem Joche der Beurtheilungskunſt zu
befreyen
R So kan ich mich doch denſelben nicht ergeben) Po-
pulus me ſibilat; At ego mihi plaudo ipſe domi.
S Ohne Ruhm zu melden, bin ich der erſte geweſen)
Verſteht ſichs, der ſeinem Buche, wider alles Verdienen,
den Titel einer Critiſchen Dichtkunſt zuzulegen das Hertz
oder die Verwegenheit gehabt; obgleich in dem gantzen
Buche nichts critiſches zu finden iſt: Daß alſo das Joch
der Beurtheilungskraft, welches Hr. Gottſched der Poe-
ſie aufgeleget hat, nur in einer bloſſen Prahlerey beſtehet.
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