[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.von den Dichtungen. dancken, d. i. einen feinen Geschmack: Ein Satz,der nicht durch eine gezwungene und unnatürliche Erfindung und Vorstellung, sondern durch würck- liche Proben seine Glaubwürdigkeit erhält! Da nun diese mangeln, so wird die blosse großspreche- rische Wiederholung desselben unter einer unna- türlichen Allegorie von schlechter Kraft seyn; zu geschweigen daß darinnen der gröste Theil von dem Zusammenhange der historischen Umstände gantz müssig ist, und keinen mystischen Sinn er- tragen kan. Damit ich nur einen einzigen berüh- re, so kan ich nicht errathen, was diese Worte für eine geheime Bedeutung haben: Jch habe mir von eben der Art und Grösse ein Gehäuse und Glas machen lassen, man kan es sehr ge- mächlich in der Tasche tragen, und in einem dazu verfertigten schildkrötenen Futteral mit sich führen. Jch weiß nicht, was das figürliche schildkrötene Futteral des guten Geschmacks, noch auch was die figürliche Tasche sey, darinnen man denselben gemächlich tragen kan. Mithin hat mich die folgende Anmerckung merckwürdig bedünckt: Wie alle grosse Erfindungen von un- gefehr ihren Ursprung haben; so habe ich auch hierdurch bloß von ungefehr eine Maschine zu Stande gebracht, die mit Recht ein Probier- stein der gesunden Vernunft ist, welche man zu diesen Zeiten mehrentheils nur vergebens suchet. Jch meines Orts könnte ihm desfalls keinen Glau- ben zustellen, wenn er es gleich mit einem Eyde erhärten wollte, daß er diese Erfindung von un- gefehr gemachet, weil mir der Ort bekannt ist, wo F 4
von den Dichtungen. dancken, d. i. einen feinen Geſchmack: Ein Satz,der nicht durch eine gezwungene und unnatuͤrliche Erfindung und Vorſtellung, ſondern durch wuͤrck- liche Proben ſeine Glaubwuͤrdigkeit erhaͤlt! Da nun dieſe mangeln, ſo wird die bloſſe großſpreche- riſche Wiederholung deſſelben unter einer unna- tuͤrlichen Allegorie von ſchlechter Kraft ſeyn; zu geſchweigen daß darinnen der groͤſte Theil von dem Zuſammenhange der hiſtoriſchen Umſtaͤnde gantz muͤſſig iſt, und keinen myſtiſchen Sinn er- tragen kan. Damit ich nur einen einzigen beruͤh- re, ſo kan ich nicht errathen, was dieſe Worte fuͤr eine geheime Bedeutung haben: Jch habe mir von eben der Art und Groͤſſe ein Gehaͤuſe und Glas machen laſſen, man kan es ſehr ge- maͤchlich in der Taſche tragen, und in einem dazu verfertigten ſchildkroͤtenen Futteral mit ſich fuͤhren. Jch weiß nicht, was das figuͤrliche ſchildkroͤtene Futteral des guten Geſchmacks, noch auch was die figuͤrliche Taſche ſey, darinnen man denſelben gemaͤchlich tragen kan. Mithin hat mich die folgende Anmerckung merckwuͤrdig beduͤnckt: Wie alle groſſe Erfindungen von un- gefehr ihren Urſprung haben; ſo habe ich auch hierdurch bloß von ungefehr eine Maſchine zu Stande gebracht, die mit Recht ein Probier- ſtein der geſunden Vernunft iſt, welche man zu dieſen Zeiten mehrentheils nur vergebens ſuchet. Jch meines Orts koͤñte ihm desfalls keinen Glau- ben zuſtellen, wenn er es gleich mit einem Eyde erhaͤrten wollte, daß er dieſe Erfindung von un- gefehr gemachet, weil mir der Ort bekannt iſt, wo F 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Dichtungen.</hi></fw><lb/> dancken, d. i. einen feinen Geſchmack: Ein Satz,<lb/> der nicht durch eine gezwungene und unnatuͤrliche<lb/> Erfindung und Vorſtellung, ſondern durch wuͤrck-<lb/> liche Proben ſeine Glaubwuͤrdigkeit erhaͤlt! Da<lb/> nun dieſe mangeln, ſo wird die bloſſe großſpreche-<lb/> riſche Wiederholung deſſelben unter einer unna-<lb/> tuͤrlichen Allegorie von ſchlechter Kraft ſeyn; zu<lb/> geſchweigen daß darinnen der groͤſte Theil von<lb/> dem Zuſammenhange der hiſtoriſchen Umſtaͤnde<lb/> gantz muͤſſig iſt, und keinen myſtiſchen Sinn er-<lb/> tragen kan. Damit ich nur einen einzigen beruͤh-<lb/> re, ſo kan ich nicht errathen, was dieſe Worte<lb/> fuͤr eine geheime Bedeutung haben: <hi rendition="#fr">Jch habe<lb/> mir von eben der Art und Groͤſſe ein Gehaͤuſe<lb/> und Glas machen laſſen, man kan es ſehr ge-<lb/> maͤchlich in der Taſche tragen, und in einem<lb/> dazu verfertigten ſchildkroͤtenen Futteral mit<lb/> ſich fuͤhren.</hi> Jch weiß nicht, was das figuͤrliche<lb/> ſchildkroͤtene Futteral des guten Geſchmacks,<lb/> noch auch was die figuͤrliche Taſche ſey, darinnen<lb/> man denſelben gemaͤchlich tragen kan. Mithin<lb/> hat mich die folgende Anmerckung merckwuͤrdig<lb/> beduͤnckt: Wie <hi rendition="#fr">alle groſſe Erfindungen von un-<lb/> gefehr ihren Urſprung haben; ſo habe ich auch<lb/> hierdurch bloß von ungefehr eine Maſchine zu<lb/> Stande gebracht, die mit Recht ein Probier-<lb/> ſtein der geſunden Vernunft iſt, welche man zu<lb/> dieſen Zeiten mehrentheils nur vergebens ſuchet.</hi><lb/> Jch meines Orts koͤñte ihm desfalls keinen Glau-<lb/> ben zuſtellen, wenn er es gleich mit einem Eyde<lb/> erhaͤrten wollte, daß er dieſe Erfindung von un-<lb/> gefehr gemachet, weil mir der Ort bekannt iſt,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">wo</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0087]
von den Dichtungen.
dancken, d. i. einen feinen Geſchmack: Ein Satz,
der nicht durch eine gezwungene und unnatuͤrliche
Erfindung und Vorſtellung, ſondern durch wuͤrck-
liche Proben ſeine Glaubwuͤrdigkeit erhaͤlt! Da
nun dieſe mangeln, ſo wird die bloſſe großſpreche-
riſche Wiederholung deſſelben unter einer unna-
tuͤrlichen Allegorie von ſchlechter Kraft ſeyn; zu
geſchweigen daß darinnen der groͤſte Theil von
dem Zuſammenhange der hiſtoriſchen Umſtaͤnde
gantz muͤſſig iſt, und keinen myſtiſchen Sinn er-
tragen kan. Damit ich nur einen einzigen beruͤh-
re, ſo kan ich nicht errathen, was dieſe Worte
fuͤr eine geheime Bedeutung haben: Jch habe
mir von eben der Art und Groͤſſe ein Gehaͤuſe
und Glas machen laſſen, man kan es ſehr ge-
maͤchlich in der Taſche tragen, und in einem
dazu verfertigten ſchildkroͤtenen Futteral mit
ſich fuͤhren. Jch weiß nicht, was das figuͤrliche
ſchildkroͤtene Futteral des guten Geſchmacks,
noch auch was die figuͤrliche Taſche ſey, darinnen
man denſelben gemaͤchlich tragen kan. Mithin
hat mich die folgende Anmerckung merckwuͤrdig
beduͤnckt: Wie alle groſſe Erfindungen von un-
gefehr ihren Urſprung haben; ſo habe ich auch
hierdurch bloß von ungefehr eine Maſchine zu
Stande gebracht, die mit Recht ein Probier-
ſtein der geſunden Vernunft iſt, welche man zu
dieſen Zeiten mehrentheils nur vergebens ſuchet.
Jch meines Orts koͤñte ihm desfalls keinen Glau-
ben zuſtellen, wenn er es gleich mit einem Eyde
erhaͤrten wollte, daß er dieſe Erfindung von un-
gefehr gemachet, weil mir der Ort bekannt iſt,
wo
F 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |