[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief Wenn ihr nicht ein guter Freund, sondern Aber wozu dienet es, daß ich mich hierüber willig
Mauvillons Brief Wenn ihr nicht ein guter Freund, ſondern Aber wozu dienet es, daß ich mich hieruͤber willig
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Mauvillons Brief
Wenn ihr nicht ein guter Freund, ſondern
ein Widerſacher waͤret, ſo wuͤrde ich euch mit
aller Aufrichtigkeit ſagen, daß die deutſche Na-
tion, wofern ſie keinen beſſern Verfechter hat,
als euch, zum wenigſten was die Feder anlangt,
in groſſer Gefahr ſteht, den Proceß zu verlieh-
ren. Jſt es moͤglich, daß ihr nicht begriffen
habet, daß den Geſchmack der Alten wieder zu
eineuern, und ſie einigemahl nachzuahmen, gantz
was anders iſt, als ſie zu uͤberſetzen? Wenn
ihr den Telemach anfuͤhret, als eine Ueberſetzung
der Odyſſee, und damit den Neukirch retten
wollet, ſo muß ich mit eurer Verguͤnſtigung
zweifeln, daß ihr jemahls den Homer geleſen
habet. Dieſer griechiſche Poet hat dem Hr.
von Fenelon nichts weiter geliehen, als den
Stof zu ſeinem Wercke. Etliche Linien, die
im Homer hier und da zerſtreut ſind, waren die
Grundfeſte, worauf dieſer gelehrte Prelat ſeinen
ſchoͤnen Roman gebauet hat, welchen man alle-
zeit bewundern wird, es mag Voltairen noch
ſo ſehr verdrieſſen. Die Proſa in demſelben
gleicht ſchier der Pracht und Majeſtaͤt der Poeſie.
Jch ſage es noch einmahl, Homer hat dem Ertz-
biſchof von Cambrai nur die Nahmen und Cha-
racter derjenigen geliehen, welche er in ſeinem
Werck aufgefuͤhrt; denn er hat uͤbrigens in den
meiſten Handlungen, die er von ihnen erzehlt,
nichts mit dem griechiſchen Poeten gemein.
Aber wozu dienet es, daß ich mich hieruͤber
aufhalte? Jſt dieſes jemanden verborgen? Und
kan man es leugnen, wofern man nicht frey-
willig
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