[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief gen kan. Wie oft höret man diese vornehmenDeutschen über den ungeheuresten Einfall eines elenden Lustigmachers in ein erschreckliches Ge- lächter ausbrechen? Das ist ihr Geschmack, und wer ihr Freund seyn will, muß mitmachen. Deßwegen wundert mich nicht mehr, daß in Stü- (G) Jn was vor Ansehen Günther bey der deutschen
Nation stehe, hat uns Hr. Gottsched oben (D) belehret. Dessen ungeachtet kan ich das Urtheil, welches Hr. Mau- villon von seiner poetischen Niederträchtigkeit gefället hat, mit einheimischen Zeugnissen bekräftigen. Jn dem XIV. St. der Critischen Beyträge, wo Günthers Gedichte be- urtheilet werden, heißt es Bl. 186. "Seine Kenntniß "nicht Mauvillons Brief gen kan. Wie oft hoͤret man dieſe vornehmenDeutſchen uͤber den ungeheureſten Einfall eines elenden Luſtigmachers in ein erſchreckliches Ge- laͤchter ausbrechen? Das iſt ihr Geſchmack, und wer ihr Freund ſeyn will, muß mitmachen. Deßwegen wundert mich nicht mehr, daß in Stuͤ- (G) Jn was vor Anſehen Guͤnther bey der deutſchen
Nation ſtehe, hat uns Hr. Gottſched oben (D) belehret. Deſſen ungeachtet kan ich das Urtheil, welches Hr. Mau- villon von ſeiner poetiſchen Niedertraͤchtigkeit gefaͤllet hat, mit einheimiſchen Zeugniſſen bekraͤftigen. Jn dem XIV. St. der Critiſchen Beytraͤge, wo Guͤnthers Gedichte be- urtheilet werden, heißt es Bl. 186. „Seine Kenntniß „nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> gen kan. Wie oft hoͤret man dieſe vornehmen<lb/> Deutſchen uͤber den ungeheureſten Einfall eines<lb/> elenden Luſtigmachers in ein erſchreckliches Ge-<lb/> laͤchter ausbrechen? Das iſt ihr Geſchmack,<lb/> und wer ihr Freund ſeyn will, muß mitmachen.</p><lb/> <p>Deßwegen wundert mich nicht mehr, daß in<lb/> euren Poeten ſolche Jedermannsgedancken, und<lb/> ſo grobe Ausdruͤcke ſind. Guͤnther, <note xml:id="a019" next="#a019b" place="foot" n="(G)">Jn was vor Anſehen Guͤnther bey der deutſchen<lb/> Nation ſtehe, hat uns Hr. Gottſched oben <hi rendition="#aq">(D)</hi> belehret.<lb/> Deſſen ungeachtet kan ich das Urtheil, welches Hr. Mau-<lb/> villon von ſeiner poetiſchen Niedertraͤchtigkeit gefaͤllet hat,<lb/> mit einheimiſchen Zeugniſſen bekraͤftigen. Jn dem <hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/> St. der <hi rendition="#fr">Critiſchen Beytraͤge,</hi> wo Guͤnthers Gedichte be-<lb/> urtheilet werden, heißt es Bl. 186. <cit><quote>„Seine Kenntniß<lb/> „in den wahren Regeln der Dichtkuuſt war ſehr mittel-<lb/> „maͤſſig, ſeine Beurtheilungskraft ſehr ſeicht und unfaͤhig,<lb/> „das wilde Feuer der Fantaſie zu maͤſſigen.„ Und auf<lb/> der 188ſten Seite: „Was die Gedichte ſelbſt anlanget,<lb/> „ſo haben ſie faſt durchgehends ein ſehr flieſſendes We-<lb/> „ſen, ein richtiges Sylbenmaaß, und eine richtigere, re-<lb/> „gelmaͤſſigere Sprache, als man in vielen unſrer Dich-<lb/> „ter anmercket. Allein was das innere anlanget, ſo ſind<lb/> „viele, ja die meiſten Stuͤcke einem Quodlibet aͤhnlicher,<lb/> „als einem ordentlichen und vernuͤnftig zuſammenhangen-<lb/> „den Wercke. Oft ſcheint der Reim, und nicht der Poet<lb/> „den Vers gemacht zu haben: Jndem er nicht anders<lb/> „ausſieht, als ob er lauter <hi rendition="#aq">Bouts-rimez</hi> gemachet, oder<lb/> „die Einfaͤlle im huͤbneriſchen Reimregiſter geſuchet haͤtte.<lb/> „‒ ‒ ‒ ‒ Ja auch in ſeinen Todesgedancken hat er<lb/> „das geiſtliche mit dem weltlichen, die Bibel mit den Fa-<lb/> „beln der Heiden ſo durch einander gemenget, daß man</quote></cit><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„nicht</fw></note> einer<lb/> der geſchaͤtzteſten iſt damit angefuͤllet. Leſet ſeine<lb/> Ode auf das Gluͤcke, die vor eines ſeiner beſten<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Stuͤ-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0046]
Mauvillons Brief
gen kan. Wie oft hoͤret man dieſe vornehmen
Deutſchen uͤber den ungeheureſten Einfall eines
elenden Luſtigmachers in ein erſchreckliches Ge-
laͤchter ausbrechen? Das iſt ihr Geſchmack,
und wer ihr Freund ſeyn will, muß mitmachen.
Deßwegen wundert mich nicht mehr, daß in
euren Poeten ſolche Jedermannsgedancken, und
ſo grobe Ausdruͤcke ſind. Guͤnther, (G) einer
der geſchaͤtzteſten iſt damit angefuͤllet. Leſet ſeine
Ode auf das Gluͤcke, die vor eines ſeiner beſten
Stuͤ-
(G) Jn was vor Anſehen Guͤnther bey der deutſchen
Nation ſtehe, hat uns Hr. Gottſched oben (D) belehret.
Deſſen ungeachtet kan ich das Urtheil, welches Hr. Mau-
villon von ſeiner poetiſchen Niedertraͤchtigkeit gefaͤllet hat,
mit einheimiſchen Zeugniſſen bekraͤftigen. Jn dem XIV.
St. der Critiſchen Beytraͤge, wo Guͤnthers Gedichte be-
urtheilet werden, heißt es Bl. 186. „Seine Kenntniß
„in den wahren Regeln der Dichtkuuſt war ſehr mittel-
„maͤſſig, ſeine Beurtheilungskraft ſehr ſeicht und unfaͤhig,
„das wilde Feuer der Fantaſie zu maͤſſigen.„ Und auf
der 188ſten Seite: „Was die Gedichte ſelbſt anlanget,
„ſo haben ſie faſt durchgehends ein ſehr flieſſendes We-
„ſen, ein richtiges Sylbenmaaß, und eine richtigere, re-
„gelmaͤſſigere Sprache, als man in vielen unſrer Dich-
„ter anmercket. Allein was das innere anlanget, ſo ſind
„viele, ja die meiſten Stuͤcke einem Quodlibet aͤhnlicher,
„als einem ordentlichen und vernuͤnftig zuſammenhangen-
„den Wercke. Oft ſcheint der Reim, und nicht der Poet
„den Vers gemacht zu haben: Jndem er nicht anders
„ausſieht, als ob er lauter Bouts-rimez gemachet, oder
„die Einfaͤlle im huͤbneriſchen Reimregiſter geſuchet haͤtte.
„‒ ‒ ‒ ‒ Ja auch in ſeinen Todesgedancken hat er
„das geiſtliche mit dem weltlichen, die Bibel mit den Fa-
„beln der Heiden ſo durch einander gemenget, daß man
„nicht
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