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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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von der deutschen Sprache.
gut, indem sie nur iren hinten an alle fremden
Zeitwörter setzen; allein diese iren kommen so
häufig wieder, daß sie eine sehr widerliche Gleich-
heit im Tone verursachen. Was die Haupt-
wörter und Beywörter belangt, so sie aus den
fremden Sprachen nehmen, so haben sie im
Deutschen keine angenehmere Würckung, weil
man genöthiget ist, ihnen ihre eigene Endung
zu lassen, welches einen lächerlichen Uebelton
verursachet.

Jrre ich nicht, so ist dieses die wahre Ursache,
daß die Deutschen den ausländischen Wörtern
keinen Platz in ihrer Sprache einräumen wollen,
wenn diese ihnen gleich anständig genug sind.
Es ist ein blosser Eigenruhm, daß die deutsche
Sprache so reich sey, daß sie nicht (o) nöthig
habe, etwas von fremden zu entlehnen. Die

reich-
(o) Derselbe Hr. von Leibnitz hat uns einen Probier-
stein gewiesen, daran wir den Reichthum einer Sprache
prüffen können: "Diejenige Sprache, sagt er, ist die
reichste und bequemste, welche am besten mit wörtlicher
Uebersetzung zurechte kommen kan, und dem Original Fuß
vor Fuß zu folgen vermag: Allein bey der deutschen Spra-
che ist hierinn kein geringer Abgang zu spüren."
Jch
kan bey diesem Anlasse nicht umhin zu zeigen, in welchen
Widerspruch einige neuere deutsche Sprachrichter mit ihren
ungewissen Urtheilen und Lobeserhebungen von der Voll-
kommenheit der deutschen Sprache gegen einander zerfallen.
Stieler in seinem Stammbaum der deutschen Sprache
sagt: "Daß unser hochwerthes Deutsch schon izo dem
majestätischen Lateine, dem unerschöpflichen Griechischen,
dem leichtfliessenden Französischen, und dem tiefsinnigen
Welschen und Spanischen die Spitze bieten kan. Gleich-
wohl
B 3

von der deutſchen Sprache.
gut, indem ſie nur iren hinten an alle fremden
Zeitwoͤrter ſetzen; allein dieſe iren kommen ſo
haͤufig wieder, daß ſie eine ſehr widerliche Gleich-
heit im Tone verurſachen. Was die Haupt-
woͤrter und Beywoͤrter belangt, ſo ſie aus den
fremden Sprachen nehmen, ſo haben ſie im
Deutſchen keine angenehmere Wuͤrckung, weil
man genoͤthiget iſt, ihnen ihre eigene Endung
zu laſſen, welches einen laͤcherlichen Uebelton
verurſachet.

Jrre ich nicht, ſo iſt dieſes die wahre Urſache,
daß die Deutſchen den auslaͤndiſchen Woͤrtern
keinen Platz in ihrer Sprache einraͤumen wollen,
wenn dieſe ihnen gleich anſtaͤndig genug ſind.
Es iſt ein bloſſer Eigenruhm, daß die deutſche
Sprache ſo reich ſey, daß ſie nicht (o) noͤthig
habe, etwas von fremden zu entlehnen. Die

reich-
(o) Derſelbe Hr. von Leibnitz hat uns einen Probier-
ſtein gewieſen, daran wir den Reichthum einer Sprache
pruͤffen koͤnnen: „Diejenige Sprache, ſagt er, iſt die
reichſte und bequemſte, welche am beſten mit woͤrtlicher
Ueberſetzung zurechte kommen kan, und dem Original Fuß
vor Fuß zu folgen vermag: Allein bey der deutſchen Spra-
che iſt hierinn kein geringer Abgang zu ſpuͤren.„
Jch
kan bey dieſem Anlaſſe nicht umhin zu zeigen, in welchen
Widerſpruch einige neuere deutſche Sprachrichter mit ihren
ungewiſſen Urtheilen und Lobeserhebungen von der Voll-
kommenheit der deutſchen Sprache gegen einander zerfallen.
Stieler in ſeinem Stammbaum der deutſchen Sprache
ſagt: „Daß unſer hochwerthes Deutſch ſchon izo dem
majeſtaͤtiſchen Lateine, dem unerſchoͤpflichen Griechiſchen,
dem leichtflieſſenden Franzoͤſiſchen, und dem tiefſinnigen
Welſchen und Spaniſchen die Spitze bieten kan. Gleich-
wohl
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[21/0021] von der deutſchen Sprache. gut, indem ſie nur iren hinten an alle fremden Zeitwoͤrter ſetzen; allein dieſe iren kommen ſo haͤufig wieder, daß ſie eine ſehr widerliche Gleich- heit im Tone verurſachen. Was die Haupt- woͤrter und Beywoͤrter belangt, ſo ſie aus den fremden Sprachen nehmen, ſo haben ſie im Deutſchen keine angenehmere Wuͤrckung, weil man genoͤthiget iſt, ihnen ihre eigene Endung zu laſſen, welches einen laͤcherlichen Uebelton verurſachet. Jrre ich nicht, ſo iſt dieſes die wahre Urſache, daß die Deutſchen den auslaͤndiſchen Woͤrtern keinen Platz in ihrer Sprache einraͤumen wollen, wenn dieſe ihnen gleich anſtaͤndig genug ſind. Es iſt ein bloſſer Eigenruhm, daß die deutſche Sprache ſo reich ſey, daß ſie nicht (o) noͤthig habe, etwas von fremden zu entlehnen. Die reich- (o) Derſelbe Hr. von Leibnitz hat uns einen Probier- ſtein gewieſen, daran wir den Reichthum einer Sprache pruͤffen koͤnnen: „Diejenige Sprache, ſagt er, iſt die reichſte und bequemſte, welche am beſten mit woͤrtlicher Ueberſetzung zurechte kommen kan, und dem Original Fuß vor Fuß zu folgen vermag: Allein bey der deutſchen Spra- che iſt hierinn kein geringer Abgang zu ſpuͤren.„ Jch kan bey dieſem Anlaſſe nicht umhin zu zeigen, in welchen Widerſpruch einige neuere deutſche Sprachrichter mit ihren ungewiſſen Urtheilen und Lobeserhebungen von der Voll- kommenheit der deutſchen Sprache gegen einander zerfallen. Stieler in ſeinem Stammbaum der deutſchen Sprache ſagt: „Daß unſer hochwerthes Deutſch ſchon izo dem majeſtaͤtiſchen Lateine, dem unerſchoͤpflichen Griechiſchen, dem leichtflieſſenden Franzoͤſiſchen, und dem tiefſinnigen Welſchen und Spaniſchen die Spitze bieten kan. Gleich- wohl B 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/21>, abgerufen am 25.11.2024.