Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

eines epischen Gedichtes.
ben gewisser Ausleger der H. Schrift, wiewol dem
Poeten ohne dies erlaubet war, dergleichen Um-
stand zu erdichten. Das Abentheuer von der ver-
meinten Entzauberung des Paradieses kan nach
des Tasso Erfindungen ausgearbeitet werden. Was
die heidnischen Mythologisten von den Himmels-
stürmenden Giganten erzehlen, mag hier die Be-
stürmung des Paradieses bey poetischen Geistes-
arten rechtfertigen, und mit einigen Umständen
bereichern. Von Jaakans Gottlosigkeit sind etli-
che Spuren in Lycaons Geschichte beym Ovidius
übrig. Noahs unerschrockener Widerspruch mit-
ten in der Versammlung der verruchten Nephilim,
u. seine Reden von der Hoheit und der Gerechtigkeit
Gottes, werden also eingerichtet, daß sie ihn der
herrlichen Ausnahme würdig machen, da derselbe
ihn alleine in einer gantzen Welt, die zum Ver-
derben verurtheilet wird, aussondert. Man muß
überall beflissen seyn, so wohl die zornigen als die
günstigen Gerichte Gottes zn vertheidigen. Theils
muß uns ein Abscheu vor der verruchten ersten Welt,
und theils eine grosse Hochschätzung gegen dem ge-
rechten Mann beygebracht werden, welchen Gott
zum Stammvater der andern Welt ausersehen
hat. Gottes Herabfahrt und sein Wandel unter
den Menschen in Noahs Begleitung ist trefflich
bequem zu erhabenen Schildereyen; und die un-
gemessenen Anschläge der Nephilim, die grösser
als menschlich scheinen, geben Anlaß zu erhabenen
Meinungen.

Zum dritten Buche.

Der Umstand, daß Noah unter einem Kürbis-

geländer

eines epiſchen Gedichtes.
ben gewiſſer Ausleger der H. Schrift, wiewol dem
Poeten ohne dies erlaubet war, dergleichen Um-
ſtand zu erdichten. Das Abentheuer von der ver-
meinten Entzauberung des Paradieſes kan nach
des Taſſo Erfindungen ausgearbeitet werden. Was
die heidniſchen Mythologiſten von den Himmels-
ſtuͤrmenden Giganten erzehlen, mag hier die Be-
ſtuͤrmung des Paradieſes bey poetiſchen Geiſtes-
arten rechtfertigen, und mit einigen Umſtaͤnden
bereichern. Von Jaakans Gottloſigkeit ſind etli-
che Spuren in Lycaons Geſchichte beym Ovidius
uͤbrig. Noahs unerſchrockener Widerſpruch mit-
ten in der Verſammlung der verruchten Nephilim,
u. ſeine Reden von der Hoheit und der Gerechtigkeit
Gottes, werden alſo eingerichtet, daß ſie ihn der
herrlichen Ausnahme wuͤrdig machen, da derſelbe
ihn alleine in einer gantzen Welt, die zum Ver-
derben verurtheilet wird, ausſondert. Man muß
uͤberall befliſſen ſeyn, ſo wohl die zornigen als die
guͤnſtigen Gerichte Gottes zn vertheidigen. Theils
muß uns ein Abſcheu vor der verruchten erſten Welt,
und theils eine groſſe Hochſchaͤtzung gegen dem ge-
rechten Mann beygebracht werden, welchen Gott
zum Stammvater der andern Welt auserſehen
hat. Gottes Herabfahrt und ſein Wandel unter
den Menſchen in Noahs Begleitung iſt trefflich
bequem zu erhabenen Schildereyen; und die un-
gemeſſenen Anſchlaͤge der Nephilim, die groͤſſer
als menſchlich ſcheinen, geben Anlaß zu erhabenen
Meinungen.

Zum dritten Buche.

Der Umſtand, daß Noah unter einem Kuͤrbis-

gelaͤnder
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines epi&#x017F;chen Gedichtes.</hi></fw><lb/>
ben gewi&#x017F;&#x017F;er Ausleger der H. Schrift, wiewol dem<lb/>
Poeten ohne dies erlaubet war, dergleichen Um-<lb/>
&#x017F;tand zu erdichten. Das Abentheuer von der ver-<lb/>
meinten Entzauberung des Paradie&#x017F;es kan nach<lb/>
des Ta&#x017F;&#x017F;o Erfindungen ausgearbeitet werden. Was<lb/>
die heidni&#x017F;chen Mythologi&#x017F;ten von den Himmels-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmenden Giganten erzehlen, mag hier die Be-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmung des Paradie&#x017F;es bey poeti&#x017F;chen Gei&#x017F;tes-<lb/>
arten rechtfertigen, und mit einigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
bereichern. Von Jaakans Gottlo&#x017F;igkeit &#x017F;ind etli-<lb/>
che Spuren in Lycaons Ge&#x017F;chichte beym Ovidius<lb/>
u&#x0364;brig. Noahs uner&#x017F;chrockener Wider&#x017F;pruch mit-<lb/>
ten in der Ver&#x017F;ammlung der verruchten Nephilim,<lb/>
u. &#x017F;eine Reden von der Hoheit und der Gerechtigkeit<lb/>
Gottes, werden al&#x017F;o eingerichtet, daß &#x017F;ie ihn der<lb/>
herrlichen Ausnahme wu&#x0364;rdig machen, da der&#x017F;elbe<lb/>
ihn alleine in einer gantzen Welt, die zum Ver-<lb/>
derben verurtheilet wird, aus&#x017F;ondert. Man muß<lb/>
u&#x0364;berall befli&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn, &#x017F;o wohl die zornigen als die<lb/>
gu&#x0364;n&#x017F;tigen Gerichte Gottes zn vertheidigen. Theils<lb/>
muß uns ein Ab&#x017F;cheu vor der verruchten er&#x017F;ten Welt,<lb/>
und theils eine gro&#x017F;&#x017F;e Hoch&#x017F;cha&#x0364;tzung gegen dem ge-<lb/>
rechten Mann beygebracht werden, welchen Gott<lb/>
zum Stammvater der andern Welt auser&#x017F;ehen<lb/>
hat. Gottes Herabfahrt und &#x017F;ein Wandel unter<lb/>
den Men&#x017F;chen in Noahs Begleitung i&#x017F;t trefflich<lb/>
bequem zu erhabenen Schildereyen; und die un-<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;enen An&#x017F;chla&#x0364;ge der Nephilim, die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er<lb/>
als men&#x017F;chlich &#x017F;cheinen, geben Anlaß zu erhabenen<lb/>
Meinungen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Zum dritten Buche.</head><lb/>
          <p>Der Um&#x017F;tand, daß Noah unter einem Ku&#x0364;rbis-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gela&#x0364;nder</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[11/0013] eines epiſchen Gedichtes. ben gewiſſer Ausleger der H. Schrift, wiewol dem Poeten ohne dies erlaubet war, dergleichen Um- ſtand zu erdichten. Das Abentheuer von der ver- meinten Entzauberung des Paradieſes kan nach des Taſſo Erfindungen ausgearbeitet werden. Was die heidniſchen Mythologiſten von den Himmels- ſtuͤrmenden Giganten erzehlen, mag hier die Be- ſtuͤrmung des Paradieſes bey poetiſchen Geiſtes- arten rechtfertigen, und mit einigen Umſtaͤnden bereichern. Von Jaakans Gottloſigkeit ſind etli- che Spuren in Lycaons Geſchichte beym Ovidius uͤbrig. Noahs unerſchrockener Widerſpruch mit- ten in der Verſammlung der verruchten Nephilim, u. ſeine Reden von der Hoheit und der Gerechtigkeit Gottes, werden alſo eingerichtet, daß ſie ihn der herrlichen Ausnahme wuͤrdig machen, da derſelbe ihn alleine in einer gantzen Welt, die zum Ver- derben verurtheilet wird, ausſondert. Man muß uͤberall befliſſen ſeyn, ſo wohl die zornigen als die guͤnſtigen Gerichte Gottes zn vertheidigen. Theils muß uns ein Abſcheu vor der verruchten erſten Welt, und theils eine groſſe Hochſchaͤtzung gegen dem ge- rechten Mann beygebracht werden, welchen Gott zum Stammvater der andern Welt auserſehen hat. Gottes Herabfahrt und ſein Wandel unter den Menſchen in Noahs Begleitung iſt trefflich bequem zu erhabenen Schildereyen; und die un- gemeſſenen Anſchlaͤge der Nephilim, die groͤſſer als menſchlich ſcheinen, geben Anlaß zu erhabenen Meinungen. Zum dritten Buche. Der Umſtand, daß Noah unter einem Kuͤrbis- gelaͤnder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/13
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/13>, abgerufen am 23.11.2024.