[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der Schreibart mit seiner Ordnung, und Zusammensetzung gelie-fert.(*) Sie haben in ihre Uebersetzungen nicht nur die Gedancken Miltons, sondern auch seine Sprache hinübergebracht, welche die Form und das Siegel der Gedancken ist. Und nie- mand hat ihnen vorgeworffen, daß sie damit den Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache verletzet, oder dieselbe dunkel, anstössig, unzier- lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß man sich in der Englischen Sprache eben derglei- chen Fertigkeit und Vermögen vorstellen, die glücklichen Eigenschaften andrer Sprachen nach- zuahmen. Man muß denn Milton eben so viel in seiner Sprache erlauben, als seine Jtalieni- schen Uebersezer sich in der ihrigen erlaubet haben, und auch niemand von ihren geschicktesten Landes- leuten ihnen verübelt hat. Wir können selbst in unsrer Sprache eine weit Es (*) Derselbe Salvini hat eben dieses mit Homer
und den besten griechischen Poeten gethan, und Maffei hat das erste Buch der Jlias mit einem noch weit genau- ern Einschlagen in die Worte, die Form, die Fügung und Ordnung der griechischen Sprache in der Jtalienischen übersetzet. Von der Schreibart mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie-fert.(*) Sie haben in ihre Ueberſetzungen nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie- mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier- lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei- chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach- zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni- ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben, und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes- leuten ihnen veruͤbelt hat. Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit Es (*) Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer
und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau- ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen uͤberſetzet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Schreibart</hi></fw><lb/> mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie-<lb/> fert.<note place="foot" n="(*)">Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer<lb/> und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei<lb/> hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau-<lb/> ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung<lb/> und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen<lb/> uͤberſetzet.</note> Sie haben in ihre Ueberſetzungen<lb/> nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch<lb/> ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form<lb/> und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie-<lb/> mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den<lb/> Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache<lb/> verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier-<lb/> lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß<lb/> man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei-<lb/> chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die<lb/> gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach-<lb/> zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel<lb/> in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni-<lb/> ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben,<lb/> und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes-<lb/> leuten ihnen veruͤbelt hat.</p><lb/> <p>Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit<lb/> groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten<lb/> und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh-<lb/> men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche<lb/> beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig<lb/> keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen<lb/> Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer<lb/> ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz,<lb/> genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0090]
Von der Schreibart
mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie-
fert. (*) Sie haben in ihre Ueberſetzungen
nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch
ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form
und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie-
mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den
Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache
verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier-
lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß
man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei-
chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die
gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach-
zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel
in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni-
ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben,
und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes-
leuten ihnen veruͤbelt hat.
Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit
groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten
und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh-
men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche
beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig
keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen
Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer
ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz,
genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen.
Es
(*) Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer
und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei
hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau-
ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung
und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen
uͤberſetzet.
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