[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der Schreibart gen Beyfalle aufnehmen; zumahl, da der wun-derbare Jnhalt seiner Gedichte eine ungewöhnliche Schreibart erfoderte. Ronsard hat hingegen nicht nur dem Naturell der französischen Sprache, wie sie zu seiner Zeit beschaffen war, zu viel Zwang angethan, wie wir von Fenelon berichtet werden, sondern er hat auch die Gemüthesart seiner Lan- desleute, für die er geschrieben, nicht genug ein- gesehen, und nicht betrachtet, daß es allzuschwer ist, sie von ihren gewohnten Manieren abzubrin- gen, und ihnen an deren Statt etwas ausländi- sches beyzubringen. Er sollte wenigstens überle- get haben, daß sie mit den Schriften der Grie- chen und Römer, keine so genaue Bekanntschaft hatten, daß sie die Redensarten, die Bilder und Figuren, so von ihren Gebräuchen hergeholet waren, in das Französische übersezt, ohne Schwie- rigkeit hätten verstehen, und mit Vergnügen auf- nehmen können. Man hat ohne dies angemerket, daß die Franzosen überhaupt mehr Mühe als and- re Nationen haben, sich aus ihrer Sphär her- aus zu begeben, und sich in die Gedanken, die Gewohnheiten, die Lebensart andrer Völker zu richten. Welches Ursache ist,, daß man in ih- ren Tragödien die Moden, die Lebensregeln, die Höflichkeit, die Galanterie von Paris und Ver- sailles wahrnimmt, wenn die Scenen gleich zu Athen, Mycene, Corinth, und Babylon sind. Also hat man den Racine beschuldiget, daß er seine Helden nach Paris habe reisen lassen, daselbst die Kunst zu lieben zu erlernen, und z. Ex. des Eu- ripides Hippolitus in Mr. Hippolite verwandelt habe. Dem-
Von der Schreibart gen Beyfalle aufnehmen; zumahl, da der wun-derbare Jnhalt ſeiner Gedichte eine ungewoͤhnliche Schreibart erfoderte. Ronſard hat hingegen nicht nur dem Naturell der franzoͤſiſchen Sprache, wie ſie zu ſeiner Zeit beſchaffen war, zu viel Zwang angethan, wie wir von Fenelon berichtet werden, ſondern er hat auch die Gemuͤthesart ſeiner Lan- desleute, fuͤr die er geſchrieben, nicht genug ein- geſehen, und nicht betrachtet, daß es allzuſchwer iſt, ſie von ihren gewohnten Manieren abzubrin- gen, und ihnen an deren Statt etwas auslaͤndi- ſches beyzubringen. Er ſollte wenigſtens uͤberle- get haben, daß ſie mit den Schriften der Grie- chen und Roͤmer, keine ſo genaue Bekanntſchaft hatten, daß ſie die Redensarten, die Bilder und Figuren, ſo von ihren Gebraͤuchen hergeholet waren, in das Franzoͤſiſche uͤberſezt, ohne Schwie- rigkeit haͤtten verſtehen, und mit Vergnuͤgen auf- nehmen koͤnnen. Man hat ohne dies angemerket, daß die Franzoſen uͤberhaupt mehr Muͤhe als and- re Nationen haben, ſich aus ihrer Sphaͤr her- aus zu begeben, und ſich in die Gedanken, die Gewohnheiten, die Lebensart andrer Voͤlker zu richten. Welches Urſache iſt,, daß man in ih- ren Tragoͤdien die Moden, die Lebensregeln, die Hoͤflichkeit, die Galanterie von Paris und Ver- ſailles wahrnimmt, wenn die Scenen gleich zu Athen, Mycene, Corinth, und Babylon ſind. Alſo hat man den Racine beſchuldiget, daß er ſeine Helden nach Paris habe reiſen laſſen, daſelbſt die Kunſt zu lieben zu erlernen, und z. Ex. des Eu- ripides Hippolitus in Mr. Hippolite verwandelt habe. Dem-
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Von der Schreibart
gen Beyfalle aufnehmen; zumahl, da der wun-
derbare Jnhalt ſeiner Gedichte eine ungewoͤhnliche
Schreibart erfoderte. Ronſard hat hingegen nicht
nur dem Naturell der franzoͤſiſchen Sprache,
wie ſie zu ſeiner Zeit beſchaffen war, zu viel Zwang
angethan, wie wir von Fenelon berichtet werden,
ſondern er hat auch die Gemuͤthesart ſeiner Lan-
desleute, fuͤr die er geſchrieben, nicht genug ein-
geſehen, und nicht betrachtet, daß es allzuſchwer
iſt, ſie von ihren gewohnten Manieren abzubrin-
gen, und ihnen an deren Statt etwas auslaͤndi-
ſches beyzubringen. Er ſollte wenigſtens uͤberle-
get haben, daß ſie mit den Schriften der Grie-
chen und Roͤmer, keine ſo genaue Bekanntſchaft
hatten, daß ſie die Redensarten, die Bilder und
Figuren, ſo von ihren Gebraͤuchen hergeholet
waren, in das Franzoͤſiſche uͤberſezt, ohne Schwie-
rigkeit haͤtten verſtehen, und mit Vergnuͤgen auf-
nehmen koͤnnen. Man hat ohne dies angemerket,
daß die Franzoſen uͤberhaupt mehr Muͤhe als and-
re Nationen haben, ſich aus ihrer Sphaͤr her-
aus zu begeben, und ſich in die Gedanken, die
Gewohnheiten, die Lebensart andrer Voͤlker zu
richten. Welches Urſache iſt,, daß man in ih-
ren Tragoͤdien die Moden, die Lebensregeln, die
Hoͤflichkeit, die Galanterie von Paris und Ver-
ſailles wahrnimmt, wenn die Scenen gleich zu
Athen, Mycene, Corinth, und Babylon ſind.
Alſo hat man den Racine beſchuldiget, daß er
ſeine Helden nach Paris habe reiſen laſſen, daſelbſt
die Kunſt zu lieben zu erlernen, und z. Ex. des Eu-
ripides Hippolitus in Mr. Hippolite verwandelt
habe.
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