[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.in Miltons verlohrnen Paradiese. Man hat von dem Character der französischen "Man hat Nach die- gen F 2
in Miltons verlohrnen Paradieſe. Man hat von dem Character der franzoͤſiſchen „Man hat Nach die- gen F 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="83"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in Miltons verlohrnen Paradieſe.</hi> </fw><lb/> <p>Man hat von dem Character der franzoͤſiſchen<lb/> Sprache angemercket, daß ſie von einer ſehr zaͤrt-<lb/> lichen, lekeren und eingeſchraͤnckten Beſchaffen-<lb/> heit ſey, insbeſondere daß ſie eine Menge eigen-<lb/> ſinniger und gleichſam geweiheter Redensarten ha-<lb/> be, welches machete, daß ſie deßwegen der<lb/> Grundſchrift, die man aus einer andern Spra-<lb/> che in dieſelbe uͤberſetzen will, nicht lange Fuß<lb/> fuͤr Fuß nachgehen koͤnne. Einige der geſchickte-<lb/> ſten Franzoſen ſelbſt haben ſich geklaget, daß ih-<lb/> re Sprache arm, mager, und truken gemachet<lb/> worden, daß man ſie in Feſſeln und Bande ge-<lb/> zwungen habe; und ſie bekennen, daß ſie keinen<lb/> Schritt thun doͤrfe als nach den ſtrengeſten und alle-<lb/> zeit gleichfoͤrmigen Regeln der Sprachlehre. Der<lb/> Herr von Fenelon, Boileaus und andrer, die eine<lb/> gleiche Klage gefuͤhrt haben, an dieſem Orte nicht<lb/> zu gedencken, hat in ſeinem Entwurffe einer Poe-<lb/> tick ihre Strengigkeit ſonderlich in Anſehung der<lb/> Verſetzungen der Woͤrter beklaget.</p> <cit> <quote>„Man hat<lb/> „ſich, ſagt er, ohne Noth ſelber die Folter zu-<lb/> „erkannt, damit man eine Schrift verfertigen<lb/> „koͤnnte. Man duͤrfte ſchier auf die Gedancken<lb/> „fallen, daß man ſich mehr um das, was ſchwer<lb/> „iſt, als um das, was ſchoͤn iſt, bekuͤmmert<lb/> „habe. Bey uns hat ein Poete eben ſo ſehr<lb/> „noͤthig ſich in den Gedancken zu ſchlagen, wie<lb/> „er die Sylben in Ordnung ſtellen, als wie er<lb/> „ſtarcke Empfindungen, lebhafte Schildereyen,<lb/> „kuͤhne Gedancken erfinden wolle.„</quote> </cit> <p>Nach die-<lb/> ſen Worten bringt er etliche Exempel von dem<lb/> Gebrauche, zu welchem die Alten die Verſetzun-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0085]
in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Man hat von dem Character der franzoͤſiſchen
Sprache angemercket, daß ſie von einer ſehr zaͤrt-
lichen, lekeren und eingeſchraͤnckten Beſchaffen-
heit ſey, insbeſondere daß ſie eine Menge eigen-
ſinniger und gleichſam geweiheter Redensarten ha-
be, welches machete, daß ſie deßwegen der
Grundſchrift, die man aus einer andern Spra-
che in dieſelbe uͤberſetzen will, nicht lange Fuß
fuͤr Fuß nachgehen koͤnne. Einige der geſchickte-
ſten Franzoſen ſelbſt haben ſich geklaget, daß ih-
re Sprache arm, mager, und truken gemachet
worden, daß man ſie in Feſſeln und Bande ge-
zwungen habe; und ſie bekennen, daß ſie keinen
Schritt thun doͤrfe als nach den ſtrengeſten und alle-
zeit gleichfoͤrmigen Regeln der Sprachlehre. Der
Herr von Fenelon, Boileaus und andrer, die eine
gleiche Klage gefuͤhrt haben, an dieſem Orte nicht
zu gedencken, hat in ſeinem Entwurffe einer Poe-
tick ihre Strengigkeit ſonderlich in Anſehung der
Verſetzungen der Woͤrter beklaget.
„Man hat
„ſich, ſagt er, ohne Noth ſelber die Folter zu-
„erkannt, damit man eine Schrift verfertigen
„koͤnnte. Man duͤrfte ſchier auf die Gedancken
„fallen, daß man ſich mehr um das, was ſchwer
„iſt, als um das, was ſchoͤn iſt, bekuͤmmert
„habe. Bey uns hat ein Poete eben ſo ſehr
„noͤthig ſich in den Gedancken zu ſchlagen, wie
„er die Sylben in Ordnung ſtellen, als wie er
„ſtarcke Empfindungen, lebhafte Schildereyen,
„kuͤhne Gedancken erfinden wolle.„ Nach die-
ſen Worten bringt er etliche Exempel von dem
Gebrauche, zu welchem die Alten die Verſetzun-
gen
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