[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der verblümten Schreibart. gesagt wird, daß sie gehen; so wird die gemesse-ne Bewegung ihrer Gesichtesstrahlen von einem Gegenstande zu dem andern angedeutet; können sie nun gehen, warum nicht auch spatzieren? Spa- zieren bezeichnet eine freye Bewegung der Ge- sichtesstrahlen von einem Gegenstande zu dem an- dern, wenn sie mit einem Ergötzen vergesellschaf- tet ist. Oder sage mir Philologus, wie er diesen Begriff eben so starck mit einem einigen Worte ausdrucken wolle? Aber die Augen können nicht nur spatzieren, sie können gar laufen. Der geistreiche Poet Hr. J. U. König sagt in dem Heldenlobe Sr. Königl. Majest. in Pohlen: Er kan den Augen kaum den freyen Lauf erlauben, Aus Zweifel ob er auch soll dem Gesichte glauben. Und der eben so scharfsinnige Hr. Brocks in dem Sonst aber war die Wand so dicke, Daß, wann die Augen oftermahl Von Blat auf Blat in Schatten-reichen Tiefen Verwirret hin und wieder liefen, Sie keine Thür zu finden wußten, Und, angenehm beschämt, zurücke kehren mußten. Ja sie machen zuweilen weitläuftige Reisen, z. E. So entsetzlich sind die Höhen, Die bald steil, bald rauch, bald glatt, Daß das Aug von vielem sehen, Und so ferner Reise, matt, Kaum zun Gipseln kan gelangen, Die, wenn sie voll Wolken hangen, Nach
Von der verbluͤmten Schreibart. geſagt wird, daß ſie gehen; ſo wird die gemeſſe-ne Bewegung ihrer Geſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem andern angedeutet; koͤnnen ſie nun gehen, warum nicht auch ſpatzieren? Spa- zieren bezeichnet eine freye Bewegung der Ge- ſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem an- dern, wenn ſie mit einem Ergoͤtzen vergeſellſchaf- tet iſt. Oder ſage mir Philologus, wie er dieſen Begriff eben ſo ſtarck mit einem einigen Worte ausdrucken wolle? Aber die Augen koͤnnen nicht nur ſpatzieren, ſie koͤnnen gar laufen. Der geiſtreiche Poet Hr. J. U. Koͤnig ſagt in dem Heldenlobe Sr. Koͤnigl. Majeſt. in Pohlen: Er kan den Augen kaum den freyen Lauf erlauben, Aus Zweifel ob er auch ſoll dem Geſichte glauben. Und der eben ſo ſcharfſinnige Hr. Brocks in dem Sonſt aber war die Wand ſo dicke, Daß, wann die Augen oftermahl Von Blat auf Blat in Schatten-reichen Tiefen Verwirret hin und wieder liefen, Sie keine Thuͤr zu finden wußten, Und, angenehm beſchaͤmt, zuruͤcke kehren mußten. Ja ſie machen zuweilen weitlaͤuftige Reiſen, z. E. So entſetzlich ſind die Hoͤhen, Die bald ſteil, bald rauch, bald glatt, Daß das Aug von vielem ſehen, Und ſo ferner Reiſe, matt, Kaum zun Gipſeln kan gelangen, Die, wenn ſie voll Wolken hangen, Nach
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Von der verbluͤmten Schreibart.
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Gegenſtande zu dem andern angedeutet; koͤnnen
ſie nun gehen, warum nicht auch ſpatzieren? Spa-
zieren bezeichnet eine freye Bewegung der Ge-
ſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem an-
dern, wenn ſie mit einem Ergoͤtzen vergeſellſchaf-
tet iſt. Oder ſage mir Philologus, wie er dieſen
Begriff eben ſo ſtarck mit einem einigen Worte
ausdrucken wolle? Aber die Augen koͤnnen nicht
nur ſpatzieren, ſie koͤnnen gar laufen. Der
geiſtreiche Poet Hr. J. U. Koͤnig ſagt in dem
Heldenlobe Sr. Koͤnigl. Majeſt. in Pohlen:
Er kan den Augen kaum den freyen Lauf erlauben,
Aus Zweifel ob er auch ſoll dem Geſichte glauben.
Und der eben ſo ſcharfſinnige Hr. Brocks in dem
Gedichte von der Allee:
Sonſt aber war die Wand ſo dicke,
Daß, wann die Augen oftermahl
Von Blat auf Blat in Schatten-reichen Tiefen
Verwirret hin und wieder liefen,
Sie keine Thuͤr zu finden wußten,
Und, angenehm beſchaͤmt, zuruͤcke kehren mußten.
Ja ſie machen zuweilen weitlaͤuftige Reiſen, z. E.
in deſſelben Ode von den Bergen ꝛ
So entſetzlich ſind die Hoͤhen,
Die bald ſteil, bald rauch, bald glatt,
Daß das Aug von vielem ſehen,
Und ſo ferner Reiſe, matt,
Kaum zun Gipſeln kan gelangen,
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